Gelsenkirchen-Beckhausen. Im Gelsenkirchener Stadtteil Beckhausen steht ein Denkmal, das bis heute sehr beliebt ist. Zu verdanken ist es einem besonderen Menschen.
„Wenn Alfred hier bei uns war und man sich ohne Zeitdruck unterhalten hat, dann fing er bald an, mit den Füßen auf den Boden zu tippen. Wenig später ist er aufgesprungen. Dann hat er gesungen und getanzt. Daran erinnere ich mich gut. Und er war immer positiv eingestellt.“ Klaus Herzmanatus lächelt bei der Erinnerung an Alfred Konter, den „ungekrönten König von Beckhausen“, wie er sich selbst manchmal nannte. Seine Residenz war seit 1980 das Bahnwärterhäuschen an der Trasse der Zechenbahn an der Horster Straße. Das war zunächst sein Arbeitsplatz. Tatsächlich aber wurde es noch so viel mehr: Es war sein Leben. Dass es überhaupt noch steht, das ist nur dem großen Einsatz des kleinen, agilen Mannes geschuldet. Es ist ein Gelsenkirchener Denkmal – für die Industriegeschichte und für Alfred Konter, der im Januar 2017 verstarb. Am Mittwoch, 3. April, wäre er 95 Jahre alt geworden.
Alfred Konter wurde 1929 in Gelsenkirchen geboren und blieb seiner Heimat immer treu. Nur einmal, als die Familie mit sechs Kindern im Zweiten Weltkrieg ausgebombt wurde, verließ er die Stadt für kurze Zeit. Seine berufliche Laufbahn begann er bei Mannesmann. Es dauerte jedoch, bis er „seine Aufgabe“ fand. Er arbeitete im Drahtwerk, im Stahlwerk, später bei der Ruhrkohle. Ab 1980 bediente der Familienvater aus dem nördlichen Buer dann die Schranke am Bahnübergang der Zechenbahn.
Kampf gegen den Abriss des kleinen Häuschens in Gelsenkirchen-Beckhausen
Eigentlich war das keine Aufgabe mit großer Zukunft. Immer wieder stellt er sich den Plänen entgegen, den Betrieb automatisch zu regeln. „Ich konnte im Alleingang fünf Arbeitsplätze retten. Da bin ich stolz drauf“, erzählte er einst. 1988 sollte das Bahnwärterhäuschen abgerissen werden. Aber nicht mit Alfred Konter. Er setzt sich ein für den Erhalt, sammelt unermüdlich Unterschriften. „Das war die Zeit, in der ich ihn kennenlernte“, erinnert sich Klaus Herzmanatus, damals Betriebsratsvorsitzender der Zeche Hugo, dem Ort, an dem die Kohle zutage gefördert wurde, die über die Zechenbahn zum Hafen Hugo transportiert wurde. „Da kam er oft zu mir ins Büro, um Unterschriften zu sammeln. Wir haben ihm damals auch geholfen, zahlreiche Protestschreiben aufzusetzen an die Oberen und die Politik.“
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Alfred Konter gelang das Wunder: Das Bahnwärterhäuschen bleibt – bis es wieder gefährdet war, als die Zeche Hugo stillgelegt wurde. „Bis dahin war Ruhe. Aber die Abrisspläne lagen ja in der Schublade“, schilderte es „Alfredo“ damals. Er hatte einen Plan zur dauerhaften Rettung: Das Häuschen sollte unter Denkmalschutz gestellt werden. Wieder sammelte er Unterschriften. Wieder hatte er die meisten Entscheidungsträger gegen sich. „Die Stadt hat zu mir gesagt, ich könnte 30.000 Unterschriften haben und würde es nicht schaffen.“ Und er schaffte es doch. Das Häuschen wurde zum Industriedenkmal. Alfred Konter war glücklich. „Am Ende haben wir, die Herren vom Denkmalschutz und ich, uns wieder versöhnt, wie in einem Theaterstück.“
Heimlich nachts das Haus gestrichen
Fortan tat „Don Alfredo“, wie er der Anregung eines befreundeten Künstlers nach oftmals genannt wurde, was er immer getan hatte: Er kümmerte sich um „sein“ Häuschen. Er hielt alles in Schuss, machte es zu einem Kleinod der örtlichen Geschichte, pflegte das Grab von „Alex“, dem letzten Grubenpferd. Das hatte er auch schon in seiner aktiven Zeit getan. Nur heimlich. „Ich bin nachts um 2 Uhr mit dem Rad hergekommen und habe das Haus von außen gestrichen.“ Eigentlich nämlich durfte er das damals noch nicht. „Aber danach hat es ausgesehen wie ein Schmuckstück.“
Dass das kleine Häuschen so vielen Menschen ein Begriff ist, liegt nur an Alfred Konter. „Ich habe es geschafft, dieses Haus über die Grenzen Gelsenkirchens hinaus bekannt zu machen“, wusste er schon damals seine Leistung einzuschätzen. Selbstbewusst, ja, das war er schon. Aber immer ließ er andere neben sich bestehen. „Mein Herz, das ist für alle da“, beschrieb er es selbst. Und so hatten ihn auch viele Gelsenkirchener ihrerseits ins Herz geschlossen. Nahezu immer war Alfred Konter heiter, trieb auch schon mal seine Späße mit den Leuten. Zum Beispiel, als der Ruhrbergbau wieder einmal in der Krise war und die Kumpel um ihre Zukunft fürchteten. „Damals habe ich jeden Tag Geldmünzen auf den Gehweg vor meinem Häuschen geklebt. Ich habe dann aus dem Fenster heraus die Menschen beobachtet. Viele haben sich gebückt und sich dann gewundert. Dann bin ich raus und hab gesagt: Das ist das Geld der Kumpel. Und die halten das von unten fest!“
Er wollte eigentlich 104 Jahre alt werden
Alfred Konter war voller Lebenslust und Energie. Für viele war es unvorstellbar, dass er sterben könne. „Die Leute kommen manchmal mit Tränen in den Augen und fragen, Alfredo, was ist, wenn du mal nicht mehr bist? Einige sagen sogar, dann müssen die am Friedhof Eintrittskarten verkaufen.“ Und doch: Er selbst machte sich Gedanken um die Zukunft seines Lebenswerkes. „Ich erinnere mich gut an einen Moment etwa ein Jahr vor seinem Tod“, sagt Klaus Herzmanatus. „Da war er, wie jede Woche, bei uns im Kleinen Museum und sagte zu mir: Klaus, wenn mir etwas passiert, bitte schau an meinem Häuschen nach dem Rechten. Du weißt doch, wie lange ich dafür gekämpft habe.“ Ein Vermächtnis, das Klaus Herzmanatus damals angenommen hat und das er bis heute im Herzen trägt. Denn dieses Denkmal, für das sich Alfred Konter knapp vierzig Jahre lang einsetzte, müsse nicht nur erhalten werden, es müsse auch belebt sein, besucht werden, ab und an die Türen öffnen.
So viel Alfred Konter in seinem Leben erreicht hat, ein Zukunftsplan blieb ihm verwehrt. Jedem, der seine Fitness im hohen Alter bewunderte, erzählte er: „Ich werde mindestens 104 Jahre alt – denn ich bin ein Schalker Junge. Und dann bekomme ich einen Vertrag und werde Konditionstrainer bei Schalke.“