Gelsenkirchen. Eine junge Frau flüchtet zur Polizei und erzählt von einem vierjährigen Alptraum. Jetzt steht ihr mutmaßlicher Zuhälter vor Gericht.

Sie glaubte an die große Liebe, doch dann begann ein nicht enden wollender Alptraum. Vier Jahre lang soll ein Zuhälter eine Frau in Gelsenkirchen zur Prostitution gezwungen haben. Seit Montag steht der 34-Jährige in Essen vor Gericht – und schweigt.

Es war im Sommer 2019, als die junge Frau mit dem Angeklagten in Kontakt kam. Er kam aus Bulgarien, sprach kaum Deutsch. Die beiden kamen sich näher. Es wurde viel telefoniert und geschrieben. Sie soll angeblich wirklich gedacht haben, dass der 34-Jährige an ihre interessiert ist.

Nach einem Treffen auf einen Kaffee bat er sie schließlich, ein paar offizielle Schreiben für sie zu übersetzen, die er nicht verstehen würde. Wie es heißt, ging es vor allem um Verkehrsdelikte. Die Frau war angeblich völlig ahnungslos.

Die Fahrt ging zur Bismarckstraße in Gelsenkirchen. Auch ein Cousin des Angeklagten war angeblich mit dabei. Dann ging alles ganz schnell. Laut Anklage hat der Cousin die Wohnungstür von außen verschlossen. Für die Frau gab es kein Entkommen.

Schläge, Tritte, blaue Flecken

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte sie auf eine Matratze geschmissen, bedroht und vergewaltigt hat. Später sollen auch diese Worte gefallen sei: „Du bist jetzt meins. Du musst jetzt machen, was ich dir sage.“ Auch von Schlägen, Tritten und blauen Flecken ist in der Anklage die Rede.

Vier Jahre lang soll sie gezwungen worden sein, für den 34-Jährigen „anschaffen“ zu gehen. Im Herbst vergangenen Jahres war sie schließlich auf der Polizeiwache in Gelsenkirchen aufgetaucht – gemeinsam mit einer weiteren Prostituierten, die ähnliche Vorwürfe erhebt.

Die beiden Frauen sollen eine Bulgarien-Reise des Angeklagten ausgenutzt haben, um aus der Wohnung, in der sie untergebracht waren, zu fliehen. Bei der Polizei berichteten sie von permanenter Überwachung.

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Der Verdienst der zweiten Prostituierten soll gewaltig gewesen sein. Die Ermittler gehen von bis zu 1000 Euro pro Tag aus. Behalten durfte sie angeblich fast nichts. Das Geld soll ihr der Angeklagte fast komplett abgenommen und für sich verwendet haben.

Morddrohungen nach der Anzeige

Nachdem die Polizei eingeschaltet war, soll es sogar Morddrohungen gegeben haben. Laut Anklage hat der 34-Jährige einen Schwager damit beauftragt, Kontakt zu den beiden Frauen aufzunehmen. „Wenn ihr die Anzeigen nicht zurücknehmt, bringe ich euch um.“ So oder so ähnlich sollen die Worte des anderen Mannes gelautet haben.

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Obwohl der Angeklagte sich jahrelang in Gelsenkirchen aufgehalten haben soll, war er in der Stadt nie offiziell gemeldet. Zumindest das hat er zum Prozessauftakt zugegeben. Was er von den Vorwürfen hält, will er den Richtern der 17. Strafkammer nach Angaben seines Verteidigers Dieter Kaufmann erst zu einem späteren Zeitpunkt erklären.

Der 34-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Zwangsprostitution, Vergewaltigung, Körperverletzung und Anstiftung zur Bedrohung. Mit einem Urteil ist voraussichtlich Mitte April zu rechnen.