Gelsenkirchen. Können Schrotthaus-Besitzer zum Rückbau gezwungen werden? Sogar das NRW-Ministerium fiebert diesem Urteil in Gelsenkirchen entgegen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat gegenüber dieser Zeitung gerade nochmal bekräftigt, dass er gegen krumme Geschäfte mit sogenannten Schrottimmobilien vorgehen will. Der Gelsenkirchener will dafür das Gesetz zur Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung reformieren. Käufer solcher maroden Häuser oder Wohnungen sollen diese erst vermieten dürfen, wenn der gebotene Kaufpreis vollständig bezahlt ist.
NRW-Ministerin Ina Scharrenbach: Land wartet auf Gelsenkirchener Urteil
Wegweisend in der Bekämpfung der „Schrotthaus-Mafia“ könnte zudem das Urteil des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichtes sein, auf das neben der mit rund 500 Schrotthäusern stark belasteten Kommune selbst auch NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) mit Spannung blicken dürfte. Sie hatte bei ihrem Besuch in der Emscherstadt vor einigen Monaten davon gesprochen, dass „das ganze Land auf dieses Urteil wartet.“ Je nach Urteil eröffneten sich den Städten nämlich dadurch neue Möglichkeiten, solche Schandflecken schneller zu beseitigen.
Im Prozess am Dienstag, 12. März (11.15 Uhr), vor der 6. Kammer des Verwaltungsgerichtes unter dem Vorsitz von Peter Henke geht es um die Frage, ob der Besitzer einer Schrottimmobilie es dulden muss, dass die Stadt das Gebäude abreißt. Und ob der Eigentümer in der Folge für einen Teil der Kosten durch den so entstandenen Vermögenszuwachs, zur Kasse gebeten werden kann.
Im Fokus des Prozesses steht ein weithin sichtbares und marodes Hochhaus auf dem Eckgrundstück Emil-Zimmermann-Allee 1 und Horster Straße 201-203 im Stadtteil Buer, das dem Düsseldorfer Unternehmer K.P. gehört, der auch schon in Bochum mit dem Hotel Eden für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Die beiden Gelsenkirchener Wohngebäude (Fläche: 3350 Quadratmeter) mit 24 respektive 15 Wohneinheiten sind Ende der 1950er-Jahre gebaut worden und stehen seit 2005, also seit rund 20 Jahren leer. Grund: Schimmel, feuchte Wände und Decken, Rattenbefall, defekte und teils fehlende Heizung und vieles mehr. Vor gut vier Jahren kündigte P. den Abriss an, danach geschah nichts mehr. Und der Düsseldorfer Investor war für die Redaktion nicht mehr zu sprechen.
Im November 2019 und im Mai 2021 berief sich die Stadt auf Paragrafen 175 und 179 des Baugesetzbuches und verfügte gegen den Eigentümer ein sogenanntes „Rück- und Entsiegelungsbaugebot“. Doch dagegen wehrte sich K.P. gerichtlich erfolgreich, nun soll das hiesige Verwaltungsgericht für mehr Klarheit sorgen - nach dem Urteil ist ein Gang durch höhere Instanzen noch möglich.
Vermögenszuwachs durch Abriss des Schrotthauses: Wie Gelsenkirchen Geld bekommt
Ein Gutachten hat 2015 dargelegt, dass rein wirtschaftlich betrachtet, nur noch ein Abriss des Hochhauses infrage komme. Das Gutachten geht von einem Verkehrswert des Gebäudes von minus 1,5 Millionen Euro aus, symbolisch beziffert wird er mit einem Euro. Die Analyse bescheinigte der Immobilie ebenfalls einen sogenannten „Trading Down“-Effekt. Bedeutet: Das Gebäude sorgt mit seiner negativen Strahlkraft für zunehmende Leerstände inklusive ausbleibender Kundschaft in der Umgebung.
Anders sieht es aber aus, wenn der Schandfleck beseitigt ist. Dann erfahren Grund und Boden der Expertise zufolge eine Aufwertung. Und diesen Vermögenszuwachs trachtet die Stadt dem Eigentümer in Rechnung zu stellen. Beispiel: Kostete der Abriss 500.000 Euro und betrüge der Wertzuwachs 250.000 Euro, so beliefe sich die Rechnung an den Eigentümer auf eben jene Viertelmillion.
Der Düsseldorfer Unternehmer hegt Zweifel am Gutachten, zudem sieht er in dem Vorgehen der Stadt einen schweren Eingriff in seine Eigentumsrechte. Das gab das Gericht auf Nachfrage bekannt.