Gelsenkirchen. Autozulieferer ZF plant einen massiven Stellenabbau. Gelsenkirchener Betriebsrat wirft der Konzernspitze die Verbreitung von Lügen vor.
Wegen des Wintereinbruches saßen ZF-Betriebsrat Uğur Coskun und Gewerkschaftssekretär Ralf Goller (IG Metall) aus Gelsenkirchen in Süddeutschland lange fest. Zusammen „mit über 3000 Beschäftigten aus ganz Deutschland“ hatten sie am Mittwoch an einer Demonstration in Friedrichshafen (Bodensee) teilgenommen. Selbst Schnee und Eis konnten die hitzige Stimmung bei den Arbeitnehmervertretern spätabends im Bus nicht abkühlen. Der Grund: der angekündigte, massive Stellenabbau beim Automobilzulieferer ZF. Dazu gehört auch die Werksschließung in Gelsenkirchen Ende 2024.
Betriebsrat: ZF plant den Abbau von 12.000 Stellen in Deutschland
Der Autozulieferer ZF plant den Arbeitnehmervertretern zufolge „den Abbau von 12.000 Stellen in Deutschland in den nächsten sechs Jahren.“ Entsprechende Planungen lägen dem Betriebsrat vor. Das wäre knapp ein Viertel aller Arbeitsplätze im Inland. ZF selbst wollte die Zahlen weder bestätigen noch dementieren. Ein Sprecher erklärte: „Interne Zahlen zu Beschäftigungsszenarien werden wir nicht kommentieren.“
Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 165.000 Mitarbeiter. Es ist an 168 Produktionsstandorten in 32 Ländern vertreten. Es hat in der ersten Jahreshälfte 2023 einen Umsatz von 23,3 Milliarden Euro erzielt. In Gelsenkirchen sind rund 200 Mitarbeiter in der Produktion betroffen, weitere 150 Beschäftigte arbeiten im Technologie- und Entwicklungscenter, das aufgrund des Umfangs der Stellenstreichungen ebenfalls in Gefahr geraten könnte. Im Werk an der Freiligrathstraße in Schalke-Nord werden Pkw-Lenkungen sowie hydraulische Lenkungen und Kabelsets für die Nutzfahrzeugindustrie hergestellt.
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Coskun und Goller zufolge setze die ZF-Konzernführung beim groß angelegten Stellenabbau auf den Eintritt ins Rentenalter, das Auslaufen befristeter Jobs, eine Verringerung der Zeitarbeit und natürliche Fluktuation. Auch seien Verlagerungen ins kostengünstigere Ausland, in Niedriglohnländer, geplant.
Besonders sauer ist der Gelsenkirchener ZF-Betriebsrat Uğur Coskun über die Begründung des zweitgrößten deutschen Autozulieferers, die schwache Konjunktur verbunden mit den hohen Kosten der Transformation zu elektrischen Antrieben führe an vielen Standorten, darunter auch Gelsenkirchen, zu geringerer Wertschöpfung und weniger Beschäftigung.
Vorwurf: ZF-Führung „verbreitet Unwahrheiten“, Bauernopfer gesucht nach Fehlern auf höchster Führungsebene
„Die Konzernleitung verbreitet schlichtweg Unwahrheiten“, echauffiert sich Coskun. Unter dem Strich habe das Gelsenkirchener Werk im Jahr 2021 ein Plus von 3,5 Millionen Euro verbucht, 2022 seien es 2,0 Millionen Euro und 2023 rund 1,3 Millionen Euro gewesen.
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„ZF sucht verzweifelt nach einem Bauernopfer für Fehlentscheidungen des Vorstandes“, so der Betriebsrat weiter. Das sein „hinterhältig“. Auslöser für die rigorosen Streichungspläne seien vielmehr milliardenschwere Fehlinvestitionen. ZF ist bei hohen Zinsen noch mit mehr als zehn Milliarden Euro durch die großen Zukäufe von TRW und Wabco verschuldet. Zuletzt hat der Konzern seine Pläne aufgegeben, vollautomatisierte Shuttle-Busse selbst herzustellen.
Gewerkschaft IG Metall und Betriebsrat kündigten an, nicht aufgeben und den ZF-Konzern dazu bringen zu wollen, „seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden und nicht alles dem größtmöglichen Gewinn unterzuordnen“. Sie glauben, dass ZF in Gelsenkirchen und weitere Standorte gute Zukunftschancen haben.