Gelsenkirchen. Nach der verkündeten Werksschließung von ZF Gelsenkirchen droht Gewerkschaft: Es wird teuer. Und präsentiert diese Lösungsvorschläge.
Nachdem der Autozulieferer ZF Automotive Schließungspläne für sein Werk im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke-Nord bekannt gegeben hat, hat der Betriebsrat mit scharfer Kritik reagiert. Er sei empört, erklärte der Vorsitzende des ZF-Gesamtbetriebsrats, Achim Dietrich, mit Blick auf die am Montag veröffentlichte Entscheidung des Managements. „Die Beschäftigten und deren Familien gehen verunsichert in die Weihnachtsferien.“
Bis Ende 2024 soll der Standort mit derzeit noch 210 Beschäftigten in der Produktion wegen hoher Verluste dichtgemacht werden. „Wir haben dort engagierte Fachkräfte und eine neu renovierte Infrastruktur“, sagte Dietrich. „Wenn der Wille im Vorstand bestehen würde, könnte dort die Produktion ausgelastet werden.“
Zukunftschancen für ZF Werk Gelsenkirchen: Eigenproduktion statt Fremdvergabe
Der Gelsenkirchener IG Metall-Sekretär Ralf Goller, der sich mit Dietrich im ständigen Austausch befindet, ist der gleichen Ansicht. Die Darstellung des Konzerns, dass keine Möglichkeit bestehe, das Werk an der Freiligrathstraße zu retten, indem man Teile der Produktion anderer Standorte nach Schalke verlagere, hält Goller für „schlichtweg falsch“. Er wie auch der Gelsenkirchener ZF-Betriebsrat Uğur Coskun sehen gute Chancen auf ein Fortbestehen des Werkes, wenn man den Hebel „bei Überstunden, Leiharbeitern und Ferienkräften ansetzt“.
Demnach würden beispielsweise am Standort Friedrichshafen oft insgesamt mehrere Hundert Ferienkräfte und Leiharbeiter eingesetzt, Teile der Getriebeproduktion regelmäßig an Fremdfirmen vergeben. An anderen Standorten, etwa Passau oder Saarbrücken, fielen jede Menge Überstunden an. „Demnach gibt es genug zusätzliche Arbeit, die man auch in Gelsenkirchen erledigen lassen könnte“, schließt Coskun aus diesen Rahmenbedingungen.
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ZF produziere außerdem Hunderte von Produkten, ob nun in Gelsenkirchen wie bisher hydraulische Lenkungen und Kabelsets für die Nutzfahrzeugindustrie hergestellt würden oder wie andernorts Getriebeteile und Ölwannen, sei letztendlich egal. „Entscheidend ist der Wille des Konzerns, Kapazitäten und Maschinen verlagern zu wollen“, ergänzt Goller. Die Bereitschaft der ZF-Belegschaft, den Gelsenkirchenern derart zur Seite zu springen, sei jedenfalls vorhanden. Das Problem ist aber: Ein wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat nicht, er kann nur Vorschläge unterbreiten.
SPD, Linke und Oberbürgermeisterin Karin Welge solidarisieren sich mit der Belegschaft von ZF. Die Genossen sehen das Unternehmen in der Pflicht, „auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten Standortzusagen einzuhalten“ und erinnern an das Versprechen von ZF, die Produktion mit Brückenaufträgen bis 2026 zu sichern. Die Linke bezeichnete die Begründungen des Konzerns zur Werksschließung als „fadenscheinig“ und forderte ZF auf, die Vorschläge von Betriebsrat und IG Metall aufzugreifen. OB Welge betonte, sie erwarte „gerade von einem deutschen Stiftungsunternehmen Lösungen, die auf dem Prinzip der Solidarität basieren.“
Werksschließung in Gelsenkirchen schlägt mit Millionenkosten zu Buche
Betriebsrat und Gewerkschaft wollen nach Angaben des IG Metall-Sekretärs in den anstehenden Gesprächen der Konzernleitung zudem klarmachen, dass eine Schließung dem Unternehmen teurer zu stehen kommen würde, als die gewünschte Verlagerung von Produktionskapazitäten. Als Grundlage dienen Goller vormals ausgehandelte Sozialpläne. Demnach hätten langjährige Fachkräfte, von denen es in Gelsenkirchen sehr viele gebe, im Schnitt Abfindungszahlungen in Höhe von mehr als 100.000 Euro erhalten. „Bei 210 Mitarbeitenden in der Produktion würde eine Werksschließung mit Anlagenverkauf und Abwicklung gute 25 Millionen Euro kosten.“ Anlagen anderer Standorte abzubauen und in Gelsenkirchen wieder aufzubauen, um andere Produkte aus dem Portfolio von ZF hier herzustellen, sei da deutlich günstiger.
Käme das Aus auch für die 150 Mitarbeitenden des angegliederten Technologie- und Entwicklungscenters in Gelsenkirchen, dessen Zukunft noch offen ist, stiegen die Schließungskosten laut Goller auf rund 40 Millionen Euro. „Mindestens, denn zuletzt waren die Abfindungen gedeckelt - der Höchstbetrag lag bei 200.000 Euro.“