Gelsenkirchen-Buer. In Gelsenkirchen-Buer sind Pläne für ein aufsehenerregendes Bauprojekt weit gediehen. Wird es realisiert, ist man in der Weltrangliste.
Sie wollen hoch hinaus, genau genommen auf 110 Meter: Die Initiatoren des wohl prägendsten Bauvorhabens in Gelsenkirchen-Buer wollen der Propsteikirche St. Urbanus wieder einen Kirchturm aufsetzen. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Gotteshaus bekanntermaßen schwere Schäden und wurde vereinfacht wieder aufgebaut. Dabei wurde auf den Wiederaufbau des Turmhelms verzichtet, sodass der ehemals 90 Meter hohe Turm heute nur noch halb so hoch ist (er misst 48 Meter bis zum Flachdachabschluss). Bis heute gilt das Flachdach vielen Menschen in der Stadt auch als Kriegsmahnmal.
Seit einigen Jahren jedoch geht im Norden der Stadt immer wieder auch das Gerücht um, dass Propst Markus Pottbäcker zusammen mit dem Gelsenkirchener Künstler Christian Nienhaus die Vision verfolgt, dem Dom wieder eine Spitze zu geben. Und jetzt seien die Pläne, die der WAZ exklusiv vorliegen, ausgereift.
Mit dem Kreuz oben auf der Spitze soll der Kirchturm in Buer 110 Meter hoch werden
„Wir wollen ein kinetisches Objekt errichten, das eine Turmspitze simuliert. Es soll ein Lichtobjekt werden, das die Skyline von Buer verändert, zugleich aber Mahnmal bleibt, weil es nicht einfach ein Wiederaufbau des einstigen Kirchturms ist“, berichtet Nienhaus von seiner Idee. „Es gab nach dem Krieg immer mal wieder Versuche, den Kirchturm wieder aufzubauen“, erinnert Pottbäcker. Doch das Geld, das seinerzeit gesammelt wurde, sei stattdessen in einem großen Ringtausch in mehrere Projekte investiert worden, darunter das Michaels- und das Pfarrhaus, weiß der katholische Geistliche zu berichten. Eines zu betonen, ist Markus Pottbäcker derweil besonders wichtig: Sollte das Vorhaben nun tatsächlich realisiert werden, werde er kein Geld der Kirche dafür ausgegeben.
Rund 1,5 Millionen Euro würde es kosten, den Kirchturm, der zugleich ein Kunstobjekt sein soll, auf dem Dom zu installieren. Erste Spender stünden schon bereit, berichten Nienhaus und Pottbäcker. Das Duo ist überzeugt, dass sich noch viele weitere Geldgeber finden werden, um die Spitze zu finanzieren, die nach Melchior (hebräisch für „König des Lichts“) benannt werden soll.
Licht und Stahl - der Kirchturm in Buer soll auch eine Hommage an das Ruhrgebiet sein
Schließlich spielt Licht bei diesem Vorhaben eine entscheidende Rolle, im Wort- und im übertragenem Sinn. Christian Nienhaus will mit der Kirchturmspitze, die dann die fünfzighöchste der Welt wäre, die Innenstadt von Buer in ein neues Licht rücken. „Wir sind ein Land der Künstler und wir Künstler müssen uns einmischen, uns einbringen, in einer Zeit, in der unsere Innenstädte sich verändern.“ Und auch Markus Pottbäcker betont, dass Buer einst um diese Kirche herum entstanden ist, dass sie der Nukleus war, ein Orientierungspunkt – „und das soll sie wieder sein.“
Der Entwurf sieht ein Industrie-Stahlkonstrukt vor, das offen ist und „zum Nachdenken anregen soll“, wie Nienhaus verrät. Nachdenken darüber, ob das Werk nun fertig oder noch in der Bauphase ist. Eine Hommage an das Ruhrgebiet und seine Fördertürme. Und natürlich leuchtet der „Melchior“ auch in verschiedenen Farben, die je nach Anlass gesteuert werden können, vor allem aber in ihren fünf Ebenen, den fünf Glocken im Turm angepasst sein sollen. Markus Pottbäcker spricht von einer Renaissance, der Glaube und Kunst wieder zusammenbringe – zumindest in Buer.
Kirchturm in Gelsenkirchen-Buer soll abends einfarbig leuchten
In den kirchlichen Gremien sei das Bauvorhaben sehr wohlwollend aufgenommen worden, berichtet der Stadtdechant. Dass es gleichwohl auch Diskussionen darüber geben dürfte, ob das Vorhaben nun nötig ist und andere Dinge nicht dringender sind, wollen Pottbäcker und Nienhaus nicht abstreiten, und freuen sich auf den Austausch, wie sie sagen.
Doch zurück zum Licht: Abends soll der Kirchturm einfarbig in einem leichten Umbra-Ton leuchten. Grundsätzlich würden durch die Anordnung der Leuchtobjekte aber keine umliegenden Wohnungen und Häuser gestört werden. Die Beleuchtung der jeweiligen Ebenen des Stahlkonstrukts würde in Kombination mit den Glockenschlägen auch dazu dienen, von weither die ungefähre Uhrzeit zu sehen und zu hören.
Auf dem Sankt-Urbanus-Kirchplatz, der Domplatte, soll außerdem eine Skulptur aufgestellt werden, auf dem die größten Sponsoren des Kirchturms verewigt werden können. Um das historische Vorhaben zu realisieren, werde eine Stiftung gegründet, deren Vorstand neben Pottbäcker und Nienhaus der ehemalige Volksbank-Vorstand Peter Bottermann sein wird. Selten war die Beschreibung „Leuchtturmprojekt“ passender. Markus Pottbäcker, Christian Nienhaus und ihre Mitstreiter wollen es nun Wirklichkeit werden lassen. „Ich hoffe, es ist jetzt die Zeit, dass wir dieser schönen Kirche wieder eine Spitze aufsetzen können“, sagt Pottbäcker.