Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen wird ein gemeinsamer Pilgerweg von Muslimen, Juden und Christen abgesagt - aus Angst vor Extremisten. Das ist eine Zäsur!

Wie nachhaltig einmal jährlich bekundete Friedensbekenntnisse bei interreligiösen Gottesdiensten für das Leben in der Stadtgesellschaft sind, sei mal dahingestellt. Letztenendes ist die Zusammenkunft jüdischer, christlicher und muslimischer Gläubiger natürlich allen voran Symbolik. Es geht um eine Botschaft, die auch vom bereits vor Monaten organisierten „Friedensweg“ in Gelsenkirchen ausgehen sollte: Juden, Christen und Muslime wollten sich gegenseitig in ihren Gotteshäusern besuchen und ein Zeichen setzen für Toleranz, für Frieden, für ein Miteinander in der gemeinsamen Heimat - in Gelsenkirchen!

Dass nun angesichts der mitunter unerträglich antisemitischen Demonstrationen auf unseren Straßen, die Jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen aus Angst vor Übergriffen die Türen ihrer Synagoge lieber nicht für jeden öffnen will, dass Vertreter der muslimischen Gemeinden in Gelsenkirchen fürchten, „einzelne schwarze Schafe“ könnten die Veranstaltung missbrauchen und gegen Jüdinnen und Juden hetzen oder gar Schlimmeres könne passieren, dass sich Moscheegemeinden wie Synagogen vor Extremisten fürchten und alle zusammen eine gemeinsame Demonstration für den Frieden für zu gefährlich halten, ist indes wahrlich ein starkes Zeichen, aber ein gravierendes!

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Was soll das eigentlich bedeuten? In guten Zeiten können wir uns besuchen, doch wenn es darauf ankommt, geht besser jeder seine Wege? Sind wir hierzulande so weit, dass Extremisten ungeniert über unsere Straßen laufen können, während Zusammenkünfte für Frieden und Miteinander aus Angst vor Übergriffen abgesagt werden?

Ein Kommentar von Sinan Sat, Redaktionsleiter der WAZ Gelsenkirchen.
Ein Kommentar von Sinan Sat, Redaktionsleiter der WAZ Gelsenkirchen. © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Jeder für sich mag mit seiner individuellen Verantwortung für die Sicherheit seiner Gemeindemitglieder sogar gute Argumente haben, den interreligiösen „Friedensweg“ in Gelsenkirchen nicht beschreiten zu wollen, unterm Strich bleibt aber die Kapitulation vor einer möglichen Gefahr. Wahrlich kein Ruhmesblatt für unsere (Stadt)Gesellschaft, in der wir der Angst offensichtlich nicht genug entgegenstellen können.