Gelsenkirchen/Bottrop. Bleibt Gelsenkirchen auf einem Millionengrab sitzen? Vielleicht nicht. Im Abfallstreit wurde ein Haftbefehl gegen einen Geschäftsführer erlassen.

Im Abfall-Streit um Hunderttausende Tonnen Rostasche und Bauschutt ist gegen den Geschäftsführer eines Bottroper Unternehmens jetzt Haftbefehl erlassen worden. Für die Stadt Gelsenkirchen ist es ein weiterer Erfolg auf einem langen Rechtsweg, an dessen Ende die Verwaltung vielleicht doch nicht auf einem Millionengrab sitzenbleibt.

Wie der Vorsitzende Richter der 9. Kammer am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Manfred Klümper, im Rahmen der Verhandlung mitteilte, ist gegen den Geschäftsführer der Heinrich Becker Logistik GmbH (HBL) mit Sitz in Bottrop am „18. Oktober Haftbefehl erlassen“ worden. Die HBL ist nach Behördenangaben ein Tochterunternehmen des Bottroper Entsorgungsbetriebes Heinrich Becker GmbH (HBG).

Ersatzzwangshaft im Abfallstreit: Geschäftsführer soll Anlieferer und Abnehmer benennen

Die Ersatzzwangshaft gegen den HBL-Firmenchef ist angeordnet worden, um die Herausgabe von Daten zu Abfalleingängen und -ausgängen zu erzwingen. Insbesondere Art, Menge, Herkunft und Abnehmer sollten so über einen Gesamtzeitraum von rund 15 Jahren detailliert aufgeschlüsselt werden. Denn den dazu zuvor ergangenen Ordnungsverfügungen (samt Zwangsgelder und Sicherheitsleistungen von mehr als 13 Millionen Euro) der Stadt Gelsenkirchen ist nicht Folge geleistet worden. Auch das Oberverwaltungsgericht Münster hatte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen bestätigt, in der das Vorgehen der Stadt als richtig bewertet wurde.

Auf Anfragen der Redaktion bei der HBL und bei der HBG haben die Unternehmen nicht reagiert.

Die Stadt Gelsenkirchen verfolgt dabei diesen Ansatz: So lange Abfall noch nicht weiterverarbeitet und entsorgt worden ist, wird dieser Müll rechtlich dem Verursacher, also den Anlieferern, zugeordnet. Sie könnte man so auf Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Rechenschaft ziehen.

Luftbild vom Gelsenkirchener Hafen Grimberg am Rhein-Herne-Kanal. Links oben zu sehen ist der Bootsanleger von Tata Steel. Rechts zu sehen sind die Materialberge, auf denen sich mittlerweile die Natur Platz zurückerobert.
Luftbild vom Gelsenkirchener Hafen Grimberg am Rhein-Herne-Kanal. Links oben zu sehen ist der Bootsanleger von Tata Steel. Rechts zu sehen sind die Materialberge, auf denen sich mittlerweile die Natur Platz zurückerobert. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Auf dem ehemaligen Firmengelände im Hafen Grimberg am Rhein-Herne-Kanal wurden über Jahre Abfälle aufbereitet, entweder danach gänzlich entsorgt oder auch der Wiederverwertung (z. B. für den Straßenbau) zugeführt – es handelte sich nach Gerichtsangaben um „Baustellenabfälle, Bauschutt, Bodenaushub, Straßenaufbruch, Bau- und Abbruchholz, Hochofen- und Konvertschlacken“ (Rostasche aus der Abfallverbrennung) sowie um „Hütten- und Gießereischutt und Halden- und Bergmaterial“.

Rechtsanwalt: Konkurs-Antrag für Heinrich Becker GmbH (HBG) in Vorbereitung

Aber: Erfolg stellte sich nicht ein am Kanal: Die letzte Betreiberin, die HBL, gab 2017 den Betrieb auf. Wie der Rechtsbestand dem Gericht mitteilte, hat die HBL einen Insolvenzantrag gestellt. Und auch für die HBG ist ihm zufolge ein Konkursantrag in Vorbereitung. Zehn Jahre lang hatte die HBG anfänglich die Anlagen in Gelsenkirchen betrieben, danach die 2015 in die Insolvenz gegangene HBU (Heinrich-Becker Umwelttechnik GmbH & Co KG), zuletzt dann nach einem Verkauf eben die HBL.

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Zurückgeblieben in Gelsenkirchen sind seither immense Materialberge, die das Kanal-Ufer in eine bizarre Hügellandschaft verwandeln. Fast 1 Millionen Tonnen türmen sich an der Schifffahrtsstraße haushoch auf. Die riesigen grau-braunen Materialberge bestehen mit etwa 629.000 Tonnen zu zwei Dritteln aus Bauschutt und Baustellenabfällen und mit etwa 337.000 Tonnen zu einem Drittel aus Rostasche. Geschätzte Entsorgungskosten: gut 50 Millionen Euro.