Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Polizei hat am Samstagabend ein Neonazi-Konzert in einer Kleingartenanlage beendet. Auch der Staatsschutz war dabei.
Die Gelsenkirchener Polizei ist am Samstagabend zu einem besonderen Einsatz gegen Hasskriminalität ausgerückt. An der Almastraße in Ückendorf fand ein geheimes Neonazi-Konzert statt. Die Polizei war mit starken Kräften vertreten. Etwa 100 Männer und Frauen waren im Einsatz, darunter eine Beweis- und Festnahme-Einheit, der Staatsschutz und gleich vier Polizeihunde.
100 Polizeikräfte umstellen Gelsenkirchener Vereinsheim – vier Polizeihunde auf Posten
NRW-Innenminister Herbert Reul: „Heute hat die Polizei zusammen mit der Stadt Gelsenkirchen das illegale Konzert einer Rechtsrock-Band besucht – ganz ohne Eintrittskarte. Denn was da gesungen wird, ist reiner Hass, Hetze und Menschenverachtung. Nichts für unsere anspruchsvollen demokratischen Ohren. Die Verherrlichung der deutschen nationalsozialistischen Vergangenheit bekommt bei uns keine Bühne. Daher haben wir das Konzert beendet. Vor den Feinden der Demokratie verschließt der Staat seine Augen und Ohren nicht!“
Gegen halb neun Uhr am Abend umstellen Polizei-Trupps das Vereinsheim der KGV Luthenburg, das Konzert der Gelsenkirchener Band „Sturmwehr“ hat da gerade Fahrt aufgenommen. Die Überrumpelung gelingt, Gegenwehr gibt es zunächst keine. Im Innern des Vereinsheims befinden sich 78 Besucher. Den Autokennzeichen auf dem Parkplatz nach zu urteilen, kommen die rechten Fans aus dem ganzen Bundesgebiet, viele aus den umliegenden Städten und Gemeinden.
„Sturmwehr“ ist eine Rechtsrock-Band aus Gelsenkirchen, die Anfang der 1990er-Jahre von Jens Brucherseifer und Rony Krämer gegründet wurde. Die Band ist eine der ältesten und bekanntesten Gruppen der Rechtsrock-Szene. Ihre Lieder sind weitgehend indiziert, dürfen nicht gespielt werden.
Polizei beendet verbotenes „Sturmwehr“-Konzert – Stimmung aufgeheizt
Das Konzert wird von der Polizei beendet. Einzeln werden die Besucher von jeweils zwei Einsatzkräften abgeführt. An fünf Einsatzwagen werden ihre Personalien aufgenommen, Fotos geschossen. Überprüft wird, ob Teilnehmer gesucht oder ob Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden. Jeder Konzertbesucher erhält nach Abschluss der Maßnahmen zudem einen Platzverweis. Auffällig: Es sind meist ältere Fans, deren Daten da erfasst und abgeglichen werden, auch Frauen sind darunter, und sogar eine Hochschwangere.
Ein Teil der Rechtsradikalen steht hinter dem Vereinsheim mit vergitterten Fenstern mit erhobenen Händen an der Wand. Die Männer müssen Durchsuchungen über sich ergehen lassen. Bei einem steht auf den T-Shirt „Blitzkrieg“, bei einem anderen „Brauntown“ oder „Kameradschaft Ückendorf“. Glatzen, Tattoos und Springerstiefel sind zwar auch zu sehen, ansonsten gibt sich der Zuschauerpulk äußerlich aber einen eher bürgerlichen Anschein.
Polizei Gelsenkirchen: Verfahren wegen Volksverhetzung, Waffen- und Drogenbesitz
Die anfängliche Überraschung im rechten Publikum weicht kurz darauf Ärger und Wut. „Es gibt Thermik“, ruft ein Beamter durch die verregnete Nacht. Soll heißen: Die Stimmung wird aggressiver, es gilt, sich auf etwaige Gewaltausbrüche einzustellen. Widerstand wird aber sofort im Keim erstickt. Lediglich eine Widerstandshandlung und ein Angriff auf einen Beamten zeugen davon, wie schnell die Neonazis gegenüber der Ordnungsmacht klein beigeben.
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Die Polizei leitet in zwei Fällen Strafverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung ein. Außerdem werden CDs mit mutmaßlich rechtsradikalen Inhalten sichergestellt. Ein Verfahren wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie je eines wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz komplettieren die Liste der Delikte.
Auch das Ordnungsamt und die Gewerbeaufsicht der Stadtverwaltung sind vor Ort. Die Prüfer notieren Verstöße gegen das Gaststättengesetz, das Nichtraucherschutzgesetz und wegen fehlender Preisauszeichnungen. Auch dem Kleingartenverein könnte Ärger drohen. Die Stadt lässt untersuchen, ob das Konzert mit dem Vereinsrecht des Kleingartenvereins vereinbar ist und die Räumlichkeiten entgegen der Konzession genutzt wurden. Ob der Betreiber des Vereinsheims von dem Konzert wusste, ist noch unklar.
Kriminaldirektor Robert Herrmann, Leiter der Direktion Kriminalität in Gelsenkirchen und Leiter des Einsatzes am Samstagabend macht deutlich: „Extremistisches Gedankengut hat in einer Stadtgesellschaft nichts zu suchen.“ Und Oberbürgermeisterin Karin Welge ergänzt: „In Gelsenkirchen darf kein Platz sein für Menschenfeindlichkeit – egal aus welcher Ecke.“