Gelsenkirchen-Horst. Politiker laufen Sturm: Sie wehren sich gegen eine Neuerung in der Polizeiwache Gelsenkirchen-Horst. Wie die Behörde die Maßnahme begründet.
„Traurig“, „Scherbenhaufen“, „Todesstoß“: Was da auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung West stand, verstörte und entsetzte die Politik gleichermaßen. Dabei befassten sie sich zum wiederholten Mal mit der Polizeidienststelle Horst an der Essener Straße 73. Nachdem diese in den vergangenen Jahren immer mal wieder vorübergehend geschlossen bzw. in ihren Öffnungszeiten eingeschränkt worden war, heißt es seit Anfang September: Bürgerinnen und Bürger müssen draußen bleiben.
Warum was genau entschieden wurde, erläuterte Polizeihauptkommissar Matthias Mieberg: Bei einer Erhebung sei erneut festgestellt worden, dass der personelle Aufwand von zwei Beamten vor Ort in keinem Verhältnis zum Anzeigen-Aufkommen stehe. „Bei durchschnittlich 15 Anzeigen im Monat sind es 0,65 Meldungen am Tag. Das ist nicht effizient und nicht effektiv“, betonte er und schlussfolgerte: „Die Öffnungszeiten montags bis freitags von 9 bis 17 und samstags von 9 bis 14 Uhr werden nicht so angenommen wie erhofft.“
Gelsenkirchener Polizeibehörde begründet Maßnahme mit effizienterem Personaleinsatz
Deshalb habe man sich entschlossen, das Personal lieber „auf der Straße“ einzusetzen. „Seit Anfang September ist jetzt ein Funkstreifenwagen in Horst unterwegs“, so Mieberg weiter. Wer persönlich eine Anzeige aufgeben wolle, müsse nach Buer oder Gelsenkirchen-Zentrum fahren, diese Wachen seien rund um die Uhr besetzt. Auch online sei dies unkompliziert möglich (www.polizei.nrw).
„Darüber hinaus sind tagsüber zwei Bezirksbeamte in Horst im Einsatz, sie stehen ebenfalls für persönliche Gespräche zur Verfügung“, auch nach Terminabsprache. Diese Maßnahmen erhöhten durch die verstärkte Präsenz auf den Straßen insgesamt die Sicherheit im Stadtteil, zeigte er sich überzeugt.
Gelsenkirchener Bezirksbürgermeister wirft Polizei fehlende Transparenz vor
Dieser Argumentation mochte die Politik allerdings so gar nicht folgen. Schon die Kommunikation in der Sache erboste sie: Dass die Verantwortlichen die Schließung für den Publikumsverkehr „still und klammheimlich“ verfügt hätten, sei ein Unding, redete Bezirksbürgermeister Joachim Gill (SPD) Klartext. Inhaltlich konterkariere „die Polizei mit dieser Maßnahme alle Anstrengungen auch der Stadt, die Integration und Ordnung zu verbessern“, so seine Kritik.
Gill erinnerte an das „Auf und Ab“ in Sachen Horster Wache, die offiziell nur noch als Schwerpunkt-Dienststelle oder „Liegenschaft“ gewertet wird. 2016 war sie mit der Wache an der Manfredstraße in Erle „organisatorisch zusammengelegt“ und ihr unterstellt worden, aus personellen Gründen, wie es hieß. Eine Beschwerde von Bezirksverordneten bei NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) blieb folgenlos, er befürwortete die Maßnahme im Sinne der Prozessoptimierung.
Politiker werten Änderung als „Todesstoß“ für Polizeidienststelle in Gelsenkirchen-Horst
Nach Jahren der öffentlichen Diskussion und monatelanger Schließung in der Corona-Pandemie war es im April 2022 schließlich die damalige Polizeipräsidentin Britta Zur, die eine Wiedereröffnung mit Werktags-Öffnungszeiten durchsetzte. „Damals hieß es, man nehme das Sicherheitsgefühl der Bürger sehr ernst. Und jetzt stehen wir vor diesem Scherbenhaufen“, so Gill.
Dass die Öffnungszeiten nicht angenommen werden, habe sich die Polizei selbst zuzuschreiben. „Wer mehrfach vor verschlossener Tür steht, der kommt nicht wieder! Die Behörde hat Vertrauen verspielt“, sprach er von einem „Todesstoß“. Auch SPD-Fraktionssprecher Udo Gerlach befand, man habe durch den Personalabbau „eine gut funktionierende Behörde gegen die Wand fahren lassen.“
SPD-Landtagsabgeordneter Sebastian Watermeier war eigens für die Sitzung angereist
So drastisch mochte der eigens angereiste SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Watermeier, der im zuständigen Innenausschuss sitzt, zwar nicht formulieren. Aber auch er befand, „das Sicherheitsgefühl liegt vielerorts im Argen, und das hat auch etwas mit der Ansprechbarkeit der Beamten vor Ort zu tun.“ Er erinnerte, dass die Personaldecke überall zu kurz sei und lobte den Einsatz des Streifenwagens.
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Der Ückendorfer mahnte aber auch, dass es für Horst mit seiner geografischen Sonderlage abseits der Zentren Buer und Gelsenkirchen eine Lösung geben müsse. „Es muss ein fester Punkt sein, wo die Polizei vor Ort ansprechbar ist. Das muss aber nicht unbedingt die Wache sein“, meinte er und versprach, das Problem mit der Gelsenkirchener Polizeibehörde und dem Innenministerium zu erörtern.
Während Polizeihauptkommissar Mieberg auf Nachfrage der FDP versicherte, dass die „Liegenschaft“ an der Essener Straße weiter als Büro für die Bezirksbeamten bestehen bleibe, kündigte CDU-Fraktionssprecher Franz-Josef Berghorn an: „Wir werden diese Maßnahme nicht akzeptieren!“ Auch Gerlach hatte unter Applaus aller Verordneten gefordert, „dass die Schließung rückgängig gemacht wird.“ Auf Anregung Berghorns will das Gremium nun in den nächsten Tagen eine entsprechende Resolution verfassen.