Gelsenkirchen. Eisbär Bill, Liebling der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen, gerät in den Fokus von Peta. Der Zoo nimmt Stellung zu seiner psychischen Verfassung.

Die streitbare Tierschutzorganisation Peta hat die Zoom Erlebniswelt ins Visier genommen, um ihre Forderung nach dem Ende der Eisbären-Haltung in deutschen Zoos zu bekräftigen. In einem Video auf sozialen Medien sind Aufnahmen aus dem Gelsenkirchener Eisbären-Gehege zu sehen. Darin läuft Eisbär Bill dauerhaft im Kreis und wirft seinen Kopf stetig nach hinten. „Dieser Eisbär geht langsam zugrunde“, behauptet Peta auf drastische Weise. Derartige „Verhaltensstörungen“ seien typisch für Eisbären in Gefangenschaft und würden auf „großes, psychisches Leiden“ hinweisen.

Die Gesundheit von Eisbären außerhalb freier Wildbahn ist auch in der internationalen Wissenschaft ein vieldiskutiertes Thema. „In Gefangenschaft gehaltene Eisbären sind bekanntermaßen anfällig für Verhaltensstörungen, ihr Wohlbefinden bietet demnach immer mehr Anlass zur Besorgnis“, heißt es etwa (hier übersetzt) in einer 2021 erschienen Metastudie, u.a. von Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen. Ausgewertet wurden dafür 46 andere Publikationen zu dem Thema, wobei besonders valide Hinweise für abnormales Verhalten ausgemacht wurden. Insbesondere das stereotype Verhalten von Zoo-Eisbären, also die Wiederholung immer gleicher Bewegungsabläufe, sei durch andere Studien gezeigt worden, heißt es in dem Aufsatz. Also Verhalten, wie es in dem Video von Peta zu sehen ist.

Zoom Erlebniswelt versucht stereotypes Verhalten von Eisbären zu verringern

Dass Bill in dem Video stereotypes Verhalten zeigt, bestätigt auch die Zoom Erlebniswelt auf Nachfrage. „Dieses Verhalten kann verschiedene Ursachen haben und in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Obwohl Bill die meiste Zeit des Tages arttypisches Verhalten zeigt, kann stereotypes Verhalten phasenweise vorkommen“, erläutert Zoom-Sprecherin Franziska Gerk, nicht ohne zu ergänzen: Durch verschiedene Methoden minimiere man die Zeit, in der das Verhalten auftritt.

„Unsere TierpflegerInnen lassen sich immer wieder neue Dinge einfallen lassen, um die Eisbären zu beschäftigen“, heißt es aus der Zoom Erlebniswelt. Hier spielt Das Eisbär-Jungtier Nanook 2018 mit einem Ball. Das Tier wurde 2020 nach München gebracht.
„Unsere TierpflegerInnen lassen sich immer wieder neue Dinge einfallen lassen, um die Eisbären zu beschäftigen“, heißt es aus der Zoom Erlebniswelt. Hier spielt Das Eisbär-Jungtier Nanook 2018 mit einem Ball. Das Tier wurde 2020 nach München gebracht. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

„Dazu gehören große und gut strukturierte Anlagen sowie mehrfach täglich wechselndes, angemessenes und abwechslungsreiches ,behavioural enrichment“, also verhaltensgerechte Beschäftigung durch Futter, Gerüche, neue Objekte, soziale Interaktion, Training oder Umgestaltung der Anlagen“, so Gerk. Die Anlage der Eisbären gehöre mit einer Größe von 3600 Quadratmetern zu den größten in europäischen Zoos. Zudem würden sich die Tierpflegerinnen und Tierpfleger immer wieder neue Dinge einfallen lassen, um die Eisbären zu beschäftigen. So zeige Bill das stereotype Verhalten nur noch selten. „Einmal gefestigte Verhaltensweisen kann man jedoch nicht löschen und in Phasen des Leerlaufs oder großer Aufregung kann Bill in stereotype Verhaltensmuster zurückfallen.“

Zoom Erlebniswelt: Peta-Darstellung ist „unwissenschaftlich und populistisch“

Nanook, das Eisbärjungtier von 2017, das im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms 2020 in den Münchener Tierpark Hellabrunn umziehen musste, habe dagegen drei Jahre in der Zoom Erlebniswelt gelebt ohne ein derartiges Verhalten zu entwickeln. „Es wachsen in den europäischen Zoos also Eisbären heran, die deutlich weniger oder sogar gar kein stereotypes Verhalten zeigen, weil sie in Anlagen aufwachsen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden“, betont Gerk, die zudem darauf aufmerksam macht, dass Eisbären in menschlicher Obhut eine zwei bis dreimal längere Lebenserwartung hätten als in freier Wildbahn. Das Management der Tiere entspreche „neuesten wissenschaftlichen Standards“ und erfolge durch ein „qualifiziertes Team aus Veterinären, Zoologen und anderen Experten.“

Deutliche Kritik nimmt die Zoom-Sprecherin zudem an der Darstellung Petas. Die Aussage „Dieser Eisbär geht langsam zugrunde“ aus dem Video sei „unwissenschaftlich, populistisch und entbehrt jeder tiermedizinischen Grundlage“. So zeige Peta einmal mehr eine „kontroverse Strategie“ mit „pauschalen Aussagen“, um Aufmerksamkeit zu erregen. „Das rückt zwar die Themen in den Fokus der Öffentlichkeit, jedoch ist zu bezweifeln, ob diese Methoden tatsächlich das Wohl der Tiere verbessern“, meint Gerk.

Zoom-Sprecherin Franziska Gerk: „Aus zoologischer Sicht können wir versichern, dass es unseren Tieren grundsätzlich gut geht.“
Zoom-Sprecherin Franziska Gerk: „Aus zoologischer Sicht können wir versichern, dass es unseren Tieren grundsätzlich gut geht.“ © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das Anliegen von Peta, die Haltung von Eisbären und generell Tieren in Zoos gänzlich abzuschaffen, sei darüber hinaus ohnehin nicht mit dem gesetzlichen Auftrags von Zoos vereinbar – den Artenschutz, die Arterhaltung sowie die Umweltbildung, im Fall der Eisbären beispielsweise über den Klimawandel und dessen globale Auswirkungen.

Tierrechtler von Peta behaupten: Eisbären lassen sich überhaupt nicht artgerecht halten

Peta dagegen meint, der Rückgang von Eisbären-Populationen werde seit Jahrzehnten dramatisiert und macht darauf aufmerksam, dass sich der derzeitige Bestand auf dem Niveau der 1980er bewege. Schwierig war und es ist es allerdings die tatsächliche Zahl der Eisbären, die in der arktischen Wildnis leben, zu ermitteln.

Peta ist jedenfalls der Überzeugung: Den Raubtieren sei viel eher zu helfen, indem man die Robbenjagd stoppt, nicht indem man sie in ein Zoogehege setzt. Eisbären könne man überhaupt nicht artgerecht halten, beispielsweise weil sie keine lange Strecken wandern zurücklegen könnten. „Ohne die Möglichkeit zu ausgedehnten Wanderungen und einem natürlichen Jagd- und Sozialverhalten ist ihr sichtbares Leiden vorprogrammiert“, meinen die Tierrechtler, die ein Nachzucht- und Importverbot für Eisbären fordern und mit einer Petition die „Eisbären-Qual“ in Deutschland beenden wollen.