Gelsenkirchen. Der 24. Gelsenkirchener Theaterpreis geht diesmal an eine echte Legende. Wer bei der Gala zur Saisoneröffnung besonders feiern durfte.
Das Musiktheater im Revier rollte den blauen Teppich für sein Publikum aus. Der Grund: „MiR ist so wunderbar …“ Unter diesem wortspielerischen Titel nach einer Beethoven-Arie aus „Fidelio“ lud die Eröffnungsgala am Samstagabend im Großen Haus zu einem kurzweiligen Streifzug durch die neue Spielzeit ein. Mit Spannung erwarteter Höhepunkt: die Verleihung des 24. Gelsenkirchener Theaterpreises.
Der Hauptpreis ging an die völlig überraschte Regielegende Dietrich W. Hilsdorf. Der 75-Jährige saß entspannt im Parkett und machte große Augen, als Sparkassen-Vorstand Bernhard Lukas ihn plötzlich als Hauptpreisträger auf die Bühne bat. Zwei Förderpreise erhielten Mezzosopranistin Lina Hoffmann und Sopranistin Soyoon Lee. Der Theaterpreis ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Für den Preisstifter lobte Lukas eine erfolgreiche Musiktheater-Saison, die einmal mehr Mut bewiesen habe: „Das Team hat Neues gewagt und Bekanntes kreativ inszeniert.“
18 Produktionen von Hilsdorf in Gelsenkirchen seit 1981
Zu diesen besonders kreativen Köpfen, befand die fünfköpfige Jury, zählte Dietrich W. Hilsdorf. Ein Mann, der lange als Provokateur geschmäht wurde. Jury-Mitglied Klaus Hermandung erinnerte in seiner Laudatio daran, dass der renommierte Theatermacher seit 1981 mit insgesamt 18 Produktionen in Gelsenkirchen zu einem der wichtigsten und stilprägendsten Regisseuren zähle: „Sie haben zum Renomee des Hauses beigetragen.“ In der vergangenen Saison überzeugte Hilsdorf mit seiner Sicht auf die eher unbekannte Aribert-Reimann-Oper „Bernarda Albas Haus“.
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Die Jury wertete diese Produktion als späte Krönung der Regie-Arbeit Hilsdorfs: „Von seiner Fähigkeit, durch eine genaue Lektüre und die Berücksichtigung historischer Bedingungen verborgene Zusammenhänge auszuleuchten, profitierte auch die Bernarda-Inszenierung.“ Dabei habe Hilsdorf nie den musikalischen Kontext aus den Augen verloren: „Seine Inszenierungen regten gleichermaßen die Sinne wie den Intellekt an.“
Lina Hoffmann als „wahrhafte Stütze des Hauses“ geehrt
Mezzosopranistin Lina Hoffmann begann 2017 ihre Karriere am Musiktheater, damals noch als Mitglied des Jungen Ensembles. Inzwischen, so befanden die Juroren, habe sie sich zu einer wahrhaften Stütze des Hauses entwickelt. In den unterschiedlichsten Werken habe sie sich als rollengerechte Besetzung erwiesen. So heißt es in der Laudatio für den Förderpreis an sie: „In der vergangenen Spielzeit zeigte sich die Mezzosopranistin mal als Försterin, mal als Fuchs im ,Schlauen Füchslein’ als besonders preiswürdig.“
Als junge Nachwuchskünstlerin ließ Sängerin Soyoon Lee aufhorchen. Die Jury krönte die Leistung der jungen Koreanerin mit dem sicher geführten Koloratursopran, die seit dem letzten Jahr dem Opernstudio NRW angehört, mit einem Förderpreis: „Ihr gelang in überragender Weise eine szenisch wie musikalisch hinreißende Darstellung der besonders leidenden Bernarda-Tochter Martirio.“
Kostproben der neuen Saison mit süffig-leichter Gala-Kost und Anspruchsvollem
Neues und Altbekanntes, Tiefgründelndes und Federleichtes erwartet das Publikum auch in der Spielzeit 23/24. Generalintendant Michael Schulz servierte als Moderator der Gala einige Kostproben, die Neugier und Lust weckten. Darunter mit der Ouvertüre aus Beethovens „Fidelio“, unter Peter Kattermann von der Neuen Philharmonie Westfalen schwungvoll gespielt, den Tipp für einen Besuch der neuen Version aus der Feder der Regisseurin Charlotte Seither.
Von der großartigen Musik der „Salome“ von Richard Strauss überzeugte das wohldosiert ekstatisch von Susanne Serfling, Benedict Nelson und Khanyiso Gwenxane interpretierte „Deinen Mund begehre ich, Jochanaan“. Aber es gab auch leichtere Gala-Kost, „delikat und süffig“, wie Michael Schulz versprach. Er hielt Wort mit Ausschnitten aus Mozarts Oper „Cosi fan tutte“, Johann Strauß“ Operette „Eine Nacht in Venedig“ oder dem Musical „Hello, Dolly!“ Als einen wahren Glücksfall bezeichnete Schulz das Engagement des britischen Baritons Nelson.
Kontrabassist Martin Rahmhorst plötzlich verstorben
Ein Glücksfall auch die spritzig-energiegeladene, lebensfrohe Choreographie „Urban Tribe“ (Giuseppe Spota) der MiR Dance Company, die als Ensemble-Leistung überzeugte und begeisterte. Das Puppentheater in der Pause ging leider ein wenig im Foyer-Trubel unter.
Zu Beginn verkündete der Intendant eine traurige Nachricht. Vor wenigen Tagen war überraschend der Kontrabassist der NPW, Martin Ramhorst, verstorben. Ihm widmete Schulz den Abend.
Mitglieder der Jury für den 24. Gelsenkirchener Theaterpreis waren Bernd Aulich, Frank Baranowski, Klaus Hermandung, Pedro Obiera und Rudolf Rezori. Seit 1998 stiftet die Sparkasse jährlich den Theaterpreis an Künstlerinnen und Künstler für herausragende Leistungen. Mehr als 60 Ensemblemitglieder haben in diesem Zeitraum rund 170.000 Euro an Preisgeldern erhalten.