Gelsenkirchen-Buer. Weil sich die Stadt Gelsenkirchen auf den Schulneubau konzentriert, stehen Kleinprojekte hinten an. Die Folge: Kostenexplosionen wie nun in Buer
Diese Kostensteigerung hat es wahrlich in sich: Am Familienzentrum Niefeldstraße in Buer sollen alte Hausmeisterwohnungen zu „Begegnungsräumen“ werden. Eigentlich eine nicht allzu komplizierte Baumaßnahme, die ursprünglich 102.000 Euro kosten und bereits 2022 fertiggestellt werden sollte. Fertig sind die Umgestaltungen allerdings immer noch nicht. Und die Kosten haben sich mittlerweile mehr als verdreifacht: Mit satten 368.000 Euro rechnet die Stadt mittlerweile, wie aus Dokumenten aus dem Stadtrat hervorgeht. Wie das passieren konnte? Offenbar scheint die Stadt für den Schulneubau Kostenexplosionen bei Kleinprojekten in Kauf zu nehmen.
Aber von vorn: Im Obergeschoss des Familienzentrums wird eine Wohnung hergerichtet, um Platz für drei Räume in der Größe von 17 bis 25 Quadratmeter zu schaffen. Diese sollen für Beratungs- und Kursangebote bereitstehen. „Die wesentlichen baulichen Veränderungen betreffen hier den Abriss einer Wand, den Umbau eines Bades zu WCs und die Schaffung des zweiten Flucht- und Rettungsweges“, heißt es seitens der Stadt auf Nachfrage.
Beschlossen wurden die Umbauarbeiten bereits in der Bezirksvertretung (BV) Nord im April 2019. Und es gibt einen weiteren Beschluss des Rates der Stadt aus dem Jahr 2021, in dem ein Baubeginn Anfang 2022 angekündigt wurde. Bereits hier ging es um eine Kostenerhöhung aufgrund der zeitlichen Verzögerung des Projekts – allerdings war die im Vergleich zu heute noch moderat. 159.000 Euro, also 57.000 Euro mehr, würde die Herrichtung kosten, hieß es damals. Nun aber sind es sind es sogar 266.000 Euro mehr – ein Zusatzbetrag, den die Stadt fast komplett selbst tragen muss. Denn zwar wird das Projekt vom Land NRW gefördert, allerdings ist der bewilligte Zuschuss gedeckelt auf rund 107.000 Euro.
Umbau am Familienzentrum Niefeldstraße in Buer: 50.000 Euro mehr – allein für Elektroarbeiten
Die FDP-Ratsfraktion stört nicht nur das viele zusätzliche Geld. Sie fragt sich, warum das Projekt trotz der Beschlüsse nicht schon längst abgeschlossen wurde. „Wozu fassen wir eigentlich die ganzen Beschlüsse, wenn sie nicht umgesetzt werden?“, fragt Anne Schürmann, für die Liberalen Mitglied in der BV Nord. Das Vorgehen der Bauverwaltung sei nicht nachzuvollziehen.
Nun will die Fraktion das Thema noch einmal auf die Tagesordnung der BV Nord am 31. August bringen. Und dabei auch die Frage stellen: Wie sinnvoll sind Familienzentren überhaupt, wo deren Herrichtung dem Steuerzahler im wahrsten Sinne des Wortes mittlerweile so teuer zu stehen kommt?
Transparent gemacht hat die Stadt währenddessen bereits, in welchen Bereichen des Projekts die Kosten jeweils gestiegen sind. Auffällig ist, dass vorher keine Schadstoffsanierung eingeplant wurde, für die nun aber 10.000 fällig wurden. Die Kosten für Abbruch und Rohbau haben sich verdreifacht, von 26.000 auf 76.000 Euro. Und auch für die Elektroarbeiten sind 50.000 Euro mehr angefallen als ursprünglich geplant. Eigentlich waren hierfür nur 19.000 Euro vorgesehen.
Langes und teures Warten auf kleines Bauprojekt: Stadt Gelsenkirchen begründet Verzögerung mit Schulneubau
Auf die Frage, wie die Verteuerung bei den einzelnen Posten jeweils zu erklären ist, antwortet Stadtsprecher Martin Schulmann lediglich zusammenfassend: „Die Kostensteigerungen sind auf die enormen Preiserhöhungen im Bausektor in den vergangenen drei Jahren zurückzuführen. Insbesondere Vorhaben mit einem kleineren Bauumfang sind dabei überproportional von Preissteigerungen betroffen.“
Dass das Projekt auf die lange Bank geschoben wurde, begründet der Stadtsprecher damit, dass „die Prioritäten bei der Ausführung von Bauvorhaben der Stadt Gelsenkirchen derzeit im Bereich des Schulbaus liegen.“ Aufgrund der umfangreichen Aufgaben in diesem Bereich seien Verzögerungen in anderen Bereichen unvermeidbar gewesen.
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Die FDP lässt das Argument nicht gelten. „Unsere Bauverwaltung hat die Planung in die Hände eines externen Architekturbüros gegeben. Sie hat sich da – bei ihrem immer wieder beklagten Personalmangel – größtmöglich entlastet“, betont Anne Schürmann. Deshalb sei nicht ersichtlich, warum der Zeitplan nicht hätte eingehalten werden können. „Wir reden über den Abriss einer Wand und den Umbau der WC-Anlagen - das macht so mancher Häuslebauer in Gelsenkirchen in Eigenleistung, um die Kosten zu reduzieren“, ist Schürmann überzeugt. Das bedeute nicht, dass die Bauverwaltung selbst ins Speisfass greifen solle. „Aber uns erschließen sich diese wiederholten Verzögerungen nicht.“
Eine Fertigstellung bis Ende 2023 ist nun „zwingend notwendig“, wie die Stadt betont. Ansonsten könne es Probleme mit der Förderung geben – und die 107.000 Euro vom Land will die Stadt sicher nicht auch noch aus eigener Tasche zahlen. Immerhin: Bis zum Fristablauf soll das Familienzentrum tatsächlich fertig umgebaut sein. Schulmann: „Nach derzeitiger Einschätzung kann die Maßnahme bis zum 31. Dezember 2023 fertiggestellt werden.“