Gelsenkirchen. Immer weniger Regenwasser soll in Kläranlagen landen: Welche Ziele sich Gelsenkirchen setzt – und wie Privathaushalte profitieren können.

Wasser – Quell des Lebens. Seine Bedeutung für unsere ganze Welt kennen wir. Jedoch erst in den letzten Jahren erfahren wir sie mehr und mehr am eigenen Leibe, wenn es auch in Gelsenkirchen wochenlang nicht regnet. Seine Kraft erleben wir ebenso. Erst kürzlich schaffte es Gelsenkirchen sogar in die bundesweiten Nachrichten mit einer enormen Niederschlagsmenge in nur wenigen Stunden. Beides, so sagen es die Experten, sind Folgen des Klimawandels. Dem gilt es zu begegnen, ganz konkret, praktisch und vor Ort. Mit kommunalen Maßnahmen und mit privaten, erklärt Andrea Rickers, Pressesprecherin der „Zukunftsinitiative Klima.Werk“.

Jede Regentonne in Gelsenkirchen hilft

Jene ist ein Kooperationsprojekt der Emschergenossenschaft und der Emscher-Anrainerstädte. Gemeinsam wollen sie Großes angehen, die Kommunen zu „Schwammstädten“ machen. Bedeutet: Die Ressource Regenwasser soll so gut wie möglich genutzt werden, die Kanalisation soll entlastet werden und Natur und Menschen sollen profitieren. „Dazu muss man wissen, dass das Regenwasser normalerweise in die Kanalisation fließt“, erklärt Rickers. Das geschieht überall dort, wo Flächen versiegelt sind, aber auch bei den meisten Dächern, wo das Regenwasser über Fallrohre in die Kanäle gelangt. „Als Mischwasser verschwindet es dann in der Kläranlage.“ Dort wird es wie das Brauchwasser gereinigt – obwohl das gar nicht notwendig wäre. „Wir versuchen nun, das Regenwasser aus der Kanalisation herauszuhalten und zu nutzen.“

In Gelsenkirchen soll immer weniger Regenwasser im Kanalsystem landen.
In Gelsenkirchen soll immer weniger Regenwasser im Kanalsystem landen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Ein Ziel dabei sei der Hochwasserschutz, erklärt Matthias Gersdorf, Teamleiter der unteren Wasserbehörde in Gelsenkirchen. „Das Konzept der Schwammstadt sieht vor, dass das Regenwasser vor Ort versickert, ins Grundwasser kommt und erst zeitverzögert nach dem Regenereignis in die Gewässer gelangt.“ Somit habe man sich schon vor Jahren das Ziel gesetzt, 15 Prozent des Regenwassers abzukoppeln von der Kanalisation. Das Ziel hat die Stadt Gelsenkirchen knapp verfehlt. „Geschafft haben wir 13 Prozent“, so Tobias Unterbäumer, Sachgebietsleiter Planung der AGG Gelsenkanal. Nun hat man sich noch mehr vorgenommen. „Das nächste Ziel ist es, bis 2040 25 Prozent des Regenwassers abzukoppeln.“

Das ist ein großes Vorhaben, das die Stadt allein gar nicht erreichen kann. Da müssen auch die Bürger mitmachen. Im ganz Kleinen tun das auch schon viele. Unzählige passionierte Gärtner haben ein Fass oder eine Tonne, in welchem sie Regenwasser auffangen und damit ihre Pflanzen gießen. „Jeder Tropfen hilft“, lobt Matthias Gersdorf ein solches Engagement. Und Tobias Unterbäumer ergänzt: „Das Projekt Schwammstadt lebt von vielen kleinen Bausteinen.“

Umleiten von Regenwasser: Großer bürokratischer Aufwand

Ein weiteres Instrument kann eine Dachbegrünung sein. Hier nimmt das Grün viel Wasser auf. Ein Teil davon verdunstet, ein anderer wird erst langsam wieder abgegeben, läuft also zeitverzögert ins Fallrohr. Da so eine Dachbegrünung allerdings häufig teuer ist, wird sie aktuell von der Emschergenossenschaft mit 50 Euro pro Quadratmeter gefördert – allerdings nur in einem regional beschränkten Fördergebiet.

Eine gute und wirksame Maßnahme ist es auch, Fallrohre abzuschlagen und das Regenwasser umzuleiten in Grünflächen wo es versickern kann und, ganz nebenbei, die dortigen Pflanzen bewässert. Das klingt ebenso einfach wie effektiv, ist jedoch ein großer bürokratischer Aufwand. Denn grundsätzlich besteht ein Anschlusszwang an den Kanal, von dem man sich auf Antrag befreien lassen kann. Das Wasser muss in 24 Stunden versickert sein.

Förderprogramme nicht kombinierbar

Ein Beispiel für einen gelungenen Umgang mit der Ressource Regenwasser findet sich rund um die Lukaskirche am Eppmannsweg in Hassel. Hier sind alle Fallrohre von der Kanalisation abgeschlagen, das Wasser läuft in die grüne Fläche. Unter den Bäumen gibt es Rigolen, die die Pflanzen mit Wasser versorgen. Hier profitierte man von bereits bestehenden Förderprogrammen, die jedoch bislang nicht für Privatleute offen sind.

Informationen zu den Fördermitteln für die Dachbegrünung, die auch privaten Immobilienbesitzern offenstehen, gibt es unter www.klima-werk.de/gruendachfoerderung. Auch die Stadt Gelsenkirchen fördert die Begrünung von Dächern. Für neu errichtete Dach- und Fassadenbegrünungen können bis zu 2000 Euro beantragt werden, die Begrünung von Einzelgaragendächer wird hierbei pauschal mit 500 Euro unterstützt. Die Förderung ist nicht mit jener der Emschergenossenschaft kombinierbar.

„Wir prüfen die Anträge und Vorhaben“, erklärt Matthias Gersdorf. „So muss die Bodendurchlässigkeit gewährleistet sein. Das Wasser muss in 24 Stunden versickert sein.“ Wie man das belegt? Durch ein Gutachten, das Eigenheimbesitzer einreichen müssen. Der Hintergrund: Das Wasser muss auf dem eigenen Grund wirklich versickern, darf kein Feuchtbiotop erzeugen oder auch nicht in Nachbars Garten fließen. Besteht die Gefahr, dass es Belastungen durch Altlasten gibt, muss auch ein zweites Gutachten her. Das kann Kosten von mehreren tausend Euro erzeugen – zuzüglich der Baukosten für die Regenwasserführung, für eine Versickerungsfläche, mitunter auch für Rigolen, unterirdische Pufferspeicher.

Man empfehle, so Gersdorf, daher auch den Antragstellern, sich einen fachkundigen Planer zu suchen. Zwar sparen Eigenheimbesitzer nach dem Abschluss einer solchen Maßnahme die Abwassergebühren für Regenwasser ein, dennoch ist dies ein Rechenexempel und ein Projekt, das viel Idealismus braucht und in Zeiten allgemein steigender Kosten mitunter nicht von jedem, der möchte, angegangen werden kann.

„Ich denke schon, dass das für viele Gelsenkirchener bezahlbar ist. Nur ist vielen das Thema noch nicht so bewusst“, so Andrea Rickers. Gleichsam stellt sie in Aussicht, dass es künftig auch hierfür ein Förderprogramm geben werde. Noch würden die Richtlinien dafür erarbeitet. Zum Jahresbeginn 2024 könnte es dann aber soweit sein.