Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Autor Hans Frey blickt in seinem neuen Sachbuch auf die Geschichte der Science-Fiction-Literatur in der früheren DDR.

Im vierten Band seiner Sachbuch-Reihe über die Geschichte der deutschsprachigen Science-Fiction hat sich Hans Frey einem etwas abseitigeren, aber dennoch eminent wichtigen Abschnitt gewidmet: nämlich jenem, der sich zwischen 1945 und 1990 in der DDR abgespielt hat.

Im damaligen Arbeiter- und Bauernstaat war allein schon der Terminus „Science-Fiction“ verpönt und lange sogar verboten – weil er stellvertretend für den angloamerikanischen Sprachraum stand. Jenseits der Mauer beharrten die Bosse des Politbüros auf die Nutzung des Begriffs „Wissenschaftliche Fantastik“. Diese und andere Kuriositäten hat der Gelsenkirchener Autor in seinem nun erschienenen Werk zutage gefördert.

„Vision und Verfall“ hat der frühere SPD-Landtagsabgeordnete und heutige Sci-Fi-Experte die vierte Veröffentlichung in dieser Reihe genannt. „Wenn man die Literaturgeschichte der deutschsprachigen Science-Fiction als Ganzes erfassen will, dann kann man 40 Jahre DDR nicht einfach ignorieren“, begründete Frey die Themenauswahl. Und weil er schnell merkte, dass die Szene im Osten sehr vielfältig war, entschied er schnell: Dieses bedeutende Kapitel verdient nicht nur eine Erwähnung, sondern einen gesonderten Band.

Hier die funkelnden Raumschiffe, dort die dröhnenden Raumkapseln

Im Gegensatz zur Sci-Fi-Geschichte der Bundesrepublik fehlte Frey mit Blick auf die Veröffentlichungen in der DDR aber jegliches Vorwissen. Entsprechend akribischer und genauer musste er im Vorfeld recherchieren. „Ich habe mich mit einigen der damaligen Autoren heute noch einmal persönlich getroffen. Diese Gespräche haben mir sehr weitergeholfen“, betont Frey. Zudem habe es im Osten stets eine sehr gute Sekundärliteratur gegeben. Auch diese brachte ihn weiter. „Insgesamt zwei Jahre Arbeit stecken in dem Buch“, so der Autor.

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Nach den Hauptunterschieden zwischen den Sci-Fi-Werken des Westens und des Ostens gefragt, antwortet Frey: „Die DDR-Literatur hatte ihren eigenen Wesenskern. Ausgangspunkt aller Utopien war immer die kommunistische Grundhaltung.“ Ein Vorwurf lautete stets: In einer Diktatur können stets nur dieselben Visionen mit den gleichen Klischees entwickelt werden. Sofort aufgefallen sei ihm aber, dass die DDR-Werke realitätsnäher gewesen sei als die des Westens: „Während hier bei uns meistens die Visionen von funkelnden, hoch technisierten Raumschiffen entwickelt wurden, malte man sich im Osten doch eher die dröhnende Raumkapsel aus“, schildert Frey.

Ein früherer DDR-Autor mit Gelsenkirchen-Bezug

Einer der wichtigsten Sci-Fi-Autoren der früheren DDR hat sogar einen Gelsenkirchen-Bezug: Denn Karlheinz Steinmüller, ein studierter Physiker und Philosoph, arbeitete einst für das Sekretariat für Zukunftsforschung. Und das war in den 90ern im Ückendorfer Wissenschaftspark angesiedelt. Steinmüller und seine Frau Angela sind auch die Autoren von „Der Traummeister“ – laut Frey eines der Schlüsselwerke in der Sci-Fi-Literatur der DDR.

Besteht aber nun nicht die Gefahr, dass dieses Thema nur Ostdeutsche interessiert? „Überhaupt nicht“, entgegnet Frey. „Denn gerade für viele Westdeutsche ist das ein bislang völlig unbekanntes Stück deutscher Literaturgeschichte. Sie hat bislang noch nicht die Wertschätzung erhalten, die sie eigentlich verdient.“ Und sein Buch soll ein Stück weit dabei mithelfen, dass sich das nun ändert.

Daten und Fakten zur Lesung in Gelsenkirchen

Hans Frey (73) wird sein neues Werk am Dienstag, 20. Juni, ab 19.30 Uhr in der Altstadt-Buchhandlung Junius (Sparkassenstraße 4) im Rahmen einer Lesung vorstellen – in Wort und Bild. Der Eintritt ist frei. Kartenreservierungen unter: 0209 23 774 oder . Interessierte sollten sich sputen. Die letzten Buchvorstellungen von Frey waren voll besetzt.

Die Buchreihe zur deutschsprachigen Science-Fiction hatte er 2015 ins Leben gerufen. Seitdem sind vier Bände erschienen, zwei weitere sollen noch folgen. 2021 wurde Frey für diese Arbeit mit dem bedeutenden „Kurd Laßwitz Preis“ ausgezeichnet.

„Vision und Verfall“, Memoranda-Verlag, 26,90 Euro, ISBN 978-3-948616-82-3.