Gelsenkirchen. Bahar Aslan ist Autorin und Lehrerin an einer Gelsenkirchener Hauptschule und unterrichtet nun auch angehende Polizisten in Sachen Rassismus.

„Die haben gedacht wir waren das – MigrantInnen über rechten Terror und Rassismus“ lautet der Titel eines Buches der Kölner Autorin Bahar Aslan. Sie verarbeitet darin die Folgen des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße vor 18 Jahren. „Damals dachten die Ermittler zunächst gar nicht an einen terroristischen Anschlag, sondern an eine Tat aus dem migrantischen Milieu“, so die Autorin.

Bis zum Bekanntwerden der rechtsextremen Terrororganisation NSU und allem, was daran hängt, hätten Migranten „ein sehr hohes Vertrauen in die deutschen Behörden gehabt“, sagt Aslan. Doch seither gebe es einen tiefen Riss im Vertrauensverhältnis vieler Migrantinnen und Migranten und dem deutschen Rechtsstaat und den Sicherheitsbehörden. „Der rassistische Anschlag von Hanau hat das Vertrauensverhältnis noch mehr erschüttert, als zum Beispiel im Nachgang herauskam, dass gegen 13 SEK-Beamte, die am Abend des Anschlags im Einsatz waren, aufgrund der Teilnahme an rechten Chatgruppen ermittelt wird“, so Aslan.

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Bahar Aslan beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Rassismus – auch mit dem in institutionellem Kontext. Das ist der Grund, warum die 36-Jährige, die als Lehrerin hauptberuflich an einer Gelsenkirchener Hauptschule arbeitet, nun auch Kommissaranwärterinnen und -anwärter sowie Verwaltungskräfte an der Polizeihochschule (Außenstelle Mülheim) im Fach „Interkulturelle Kompetenz“ unterrichtet.

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Aslan will dafür sensibilisieren, „dass der Rassismus in Deutschland nicht mit dem Ende des Nazi-Regimes aufgehört hat, auch wenn wir uns dafür rühmen, die deutsche Geschichte im Schulunterricht aufzuarbeiten“, sagt die resolute Lehrerin im WAZ-GEspräch.

Rassismuserfahrungen mit der Polizei

Es seien die zahlreichen Ausgrenzungserfahrungen, die Migrantinnen und Migranten auch heute noch machten, die Aslan schon im Studium dazu motivierten, sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen. „Rassismuserfahrungen, die nicht wenige auch mit der Polizei machen“, unterstreicht die Lehrerin „die Notwendigkeit für eine diversitätssensible Bildung und Professionskompetenz bei der Polizei.“

Dabei gehe es natürlich auch um „Racial Profiling“, so Aslan. Gemeint sind damit Personenkontrollen, die von der Polizei der Hautfarbe oder anderer äußerlicher Merkmale einer Person wegen durchgeführt werden. Dabei sind Kontrollen ohne konkreten Anlass, nur aufgrund des Erscheinungsbilds in Deutschland verboten. „Ob Racial Profiling Bestandteil der polizeilichen Praxis ist und – wenn ja – wie verbreitet Personenkontrollen auch unter Anknüpfung an die Hautfarbe oder Abstammung einer Person sind, wird von der empirischen Forschung uneinheitlich beantwortet“, schreibt indes Prof. Dr. Andreas Ruch von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Gelsenkirchen.

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Bahar Aslan will den Blick der angehenden Polizeikräfte und Verwaltungsmitarbeitenden gleichwohl dafür schärfen. Sie will aufzeigen, wie sich Betroffene fühlen, wenn ihnen Rassismus im Alltag widerfährt, „wenn sie beispielsweise als einzige von der Schaffnerin mehrfach und in einem aufdringlichen Ton darauf angesprochen werden, dass dies hier die Erste Klasse ist und der Weg zur Zweiten Klasse dort entlang führt“ berichtet Aslan von einem Vorfall, den eine Freundin so kürzlich erlebt hat. „Meine Freundin war die einzige mit schwarzer Hautfarbe“, betont die 36-Jährige.

Aslan, die sich bewusst für eine Stelle an einer Hauptschule in Gelsenkirchen und nicht etwa für ein Gymnasium in einem bürgerlichen Umfeld im Rheinland entschieden hat, arbeitet derzeit auch an einem zweiten Buch. Kultursensibilität und der Kampf gegen Rassismus in ihrem Klassen- und Kurszimmer und darüber hinaus bleiben für die Pädagogin zwar auch weiterhin wichtige Themen, in ihrem neuen Werk wird es aber um die „Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem gehen, das Kindern aus nicht Akademikerfamilien den Aufstieg enorm erschwert, wenn nach der vierten Klasse segregiert wird.“ Auch ein Thema, bei dem viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ausgrenzende Erfahrungen im Schulsystem machen würden, berichtet Aslan aus ihrer Erfahrung.