Düsseldorf. SEK-Beamte sollen über Jahre rechtsextremistische, frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Inhalte geteilt haben.

Erneut erschüttert ein Skandal um rechtsextremistische Chats die NRW-Polizei. Das Polizeipräsidium Bielefeld und das Landesamt für Ausbildung und Fortbildung der Polizei ermitteln gegen acht Beamte aus Münster, von denen sieben zum Spezialeinsatzkommando (SEK) Münster gehören. Die zwischen 39 und 56 Jahre alten Beschuldigten wurden am Freitag vom Dienst suspendiert. Ihnen wird vorgeworfen, in einer zwanzig Köpfe zählenden Chatgruppe über eine lange Zeit „rechtsextremistische, sexistische, pornografische und gewaltverherrlichende Inhalte“ geteilt zu haben.

Polizeipräsidentin: "Wir werden jeden Stein umdrehen"

Laut der Münsteraner Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf geht es zunächst um mehrere tausend Textnachrichten, Bilder und Videos aus den Jahren 2013 bis 2018, de auf dem Handy eines Polizisten gefunden wurden, gegen den seit Herbst 2021 wegen des Verdachts der Verbreitung rechtsextremistischer Inhalte ermittelt wurde. Die nun beschuldigte Chatgruppe kommunizierte über das Jahr 2018 hinaus, die Ermittlungen seien also erst am Anfang, hieß es in Münster. Alexandra Dorndorf versprach: "Wir werden jeden Stein umdrehen und die Vorfälle lückenlos aufklären.“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) versprach am Freitag eben jene „lückenlose Aufklärung“. Wer Gewalt verherrliche, sich rassistisch oder rechtsextremistisch äußere, gegen den „ermitteln wir mit aller Konsequenzen“, sagte Reul. „Null-Toleranz gilt hier für mich ausdrücklich auch nach Innen.“ Diese Beamten schadeten mit ihrem Verhalten dem Ansehen der „übergroßen Mehrheit ihrer Kolleginnen und Kollegen, die fest zu unseren Werten stehen“.

Erinnerungen an Ermittlungen gegen Polizisten im Ruhrgebiet werden wach

Der Fall erinnert an Ermittlungen vor zwei Jahren gegen Polizisten aus Mülheim an der Ruhr und Essen wegen rechtsextremistischer Chats. Gegen sechs der damals Beschuldigten ergingen Strafbefehle, fünf Ermittlungen wurden eingestellt.

Sichtlich betroffen trat die Münsteraner Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf am Freitag vor die Presse. Sie sei „tief erschüttert“, sagte sie, und diese Worte wiederholte später praktisch jeder, der sich zu den schweren Vorwürfen gegen acht Polizeibeamte, sieben von ihnen aus einem Sondereinsatzkommando (SEK), äußerten. Vieltausendfach sollen diese Männer seit 2013 Bilder, Textnachrichten und Videos in einem Chat verbreitet haben, die Frauen und Migranten herabwürdigen und Gewalt verherrlichen. Konkrete Beispiele nannte die Polizei Münster nicht. Aber sie betonte, in diesem Fall "klare Kante" zeigen zu wollen.

Warum hat da keiner interveniert?

„Das hat mit den Werten der Polizei nichts zu tun. Das macht uns wütend“, sagte Dorndorf, und sie wundert sich darüber, dass offenbar über einen langen Zeitraum niemand, der diese furchtbaren Inhalte kannte, intervenierte. Zwanzig Polizeivollzugsbeamte sollen der Chatgruppe, die nun im Fokus steht, angehört haben. Nicht alle beteiligten sich aktiv in der Gruppe, so Dorndorf.

Den Stein ins Rollen brachten strafrechtliche und disziplinarische Ermittlungen ab Ende November 2021 gegen einen 38-jährigen SEK-Beamten, der privat rechtsextreme Inhalte über einen Messengerdienst mit einem Soldaten ausgetauscht haben soll. Das Strafverfahren gegen diesen Mann wurde wieder eingestellt, aber im Zuge der Ermittlungen waren drei Handys sichergestellt worden.

Auf mindestens einem dieser Mobiltelefone, das der Mann zwischen 2013 und 2018 nutzte, wurde der Chat mit rechtsextremistischen Inhalten entdeckt. Das Disziplinarverfahren gegen den Mann ging weiter. Nicht auszuschließen, dass auch auf den anderen Handys strafrechtlich Relevantes gefunden wird.

NRW hat viel gegen rechtsextreme Polzisten getan. Aber auch genug?

Der Skandal trifft eine Polizei, die nach vergleichbaren Ermittlungen vor zwei Jahren gegen Beamte aus Mülheim sensibilisiert werden sollte. Alexandra Dorndorf versicherte, dass dies auch geschehen sei. In allen Polizeibörden arbeiteten Extremismus-Beauftragte, überall werde über Werte diskutiert, „das Thema ist im positiven Sinne sehr präsent“.

Michel Mertens, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, begrüßte die Ermittlungen, man müsse sich aber vor Vorverurteilungen hüten. Sollte sich der Verdacht bestätigen, gehörten diese Beamten „endgültig aus dem Dienst entfernt“.

Irene Mihalic (Grüne): Der Handlungsbedarf ist längst bekannt

Die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Grüne), selbst eine Polizistin, sagte dieser Redaktion: „Die neuen Fälle rechtsextremer Chats sind entsetzlich und müssen vollständig aufgeklärt werden, sowohl straf- als auch disziplinarrechtlich.“ Der jüngste Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden habe den Handlungsbedarf aufgezeigt. Jeder Fall sei einer zu viel.

Mihalic weiter: „Dass hier konsequent dagegen vorgegangen wird, liegt auch im Interesse der allergrößten Mehrheit der Polizeibeamtinnen und -beamten, die tagtäglich vorbildlich ihren Dienst versehen und mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.“

Auch die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Verena Schäffer, ruft nach einer gründlichen und schnellen Aufklärung der Vorwürfe und kündigt eine politische Reaktion an: "Als schwarz-grüne Koalition werden wir die Handlungsempfehlungen der Stabsstelle zu rechtsextremistischen Tendenzen in der Polizei umsetzen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Ausweitung der Auseinandersetzung mit Rassismus und anderen menschenverachtenden Einstellungen in der Aus- und Fortbildung, Präventions- und Reflexionsmaßnahmen sowie niedrigschwellige Meldewege." Der unabhängige Polizeibeauftragte werde zukünftig ebenfalls ein Ansprechpartner bei Fehlentwicklungen in der Polizei sein.

Sarah Philipp (SPD): Extremisten schaden dem Ruf der Polizei"

Sarah Philipp, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Landtag, sagte: "Wer demokratiefeindliche Positionen unterstützt, hat nichts im Dienst verloren. Solche Extremisten schaden dem guten Ruf unserer Polizei."

Die SPD-Fraktion fordert "eine unabhängige wissenschaftliche Studie zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden. Zu untersuchen ist etwa, wie Polizistinnen und Polizisten ermutigt werden können, rechtsextremistische und rassistische Vorfälle im Kollegenkreis zu melden."