Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen wird an zwei Stellen ein neuer Umgang mit Tauben ausprobiert. Warum die Projekte bislang nicht ganz so laufen wie erhofft.
Mittlerweile steht es ein gutes halbes Jahr da, das erste Taubenhaus im Gelsenkirchener Süden, der rote Übersee-Container auf der Robert-Koch-Straße, der einen gänzlich anderen, tierschutzfreundlichen Umgang mit den vielen Stadttauben in der Innenstadt einleiten sollte. Das Konzept: Den Tieren einen geschützten Brutplatz und artgerechtes Futter bieten, aber die Population im Zaum halten, indem die echten Eier durch Gipseiern ausgetauscht werden. Funktioniert das? „Ich werte das Ganze als einen Teilerfolg“, sagte Helen Schäfer, amtliche Tierärztin bei der Stadt Gelsenkirchen, im vergangenen Ordnungsausschuss.
Es ist eine Bewertung, die auch Anne Ebke teilt. Die Vorsitzende des Vereins „Stadttauben Gelsenkirchen“ betreut den Container zusammen mit ihren Mitstreiterinnen. „Es ist für uns grundsätzlich ein Erfolg, das überhaupt Tiere hier hineinkommen, aber es ist natürlich schade, dass es noch nicht ganz so viele sind“, sagt sie. Geeigneter Platz ist im Haus für etwa 200 Brutpaare, also fast 400 Tiere. Das sind etwa 100 weniger als zunächst geplant, weil man mittlerweile weiß, dass etwa die Brutplätze auf Fußbodenhöhe sehr wahrscheinlich nicht belegt werden.
Aktuell aber ist laut Ebke nur ein Schwarm von rund 50 Tieren ansässig. „Wir sind bei weitem nicht bei der vollen Auslastung“, stellte da auch Helen Schäfer vom städtischen Veterinäramt fest.
Taubenhaus Gelsenkirchen: Diese Faktoren schmälern den Erfolg
Von den rund 50 Tieren kommt etwa die Hälfte aus dem sogenannten „Lockschwarm“, bestehend aus Vögeln, die die Ehrenamtlerinnen privat aufgepäppelt und dann hier angesiedelt haben. Die Tiere sollten Interesse wecken bei den etwa 300 Tieren, die sich regelmäßig im Bereich des Heinrich-König-Platzes aufhalten und von dem Verein mit artgerechtem Futter hierhin gelockt werden sollen. Von ihnen sind mittlerweile etwa 25 ins Taubenhaus gezogen. „Davon haben sich die meisten mit einer Taube vom Lockschwarm verpartnert“, sagt Ebke, die mehrere Gründe dafür ausgemacht hat, dass es noch nicht ganz so viele sind.
„Die Lage des Taubenhauses ist vermutlich alternativlos, aber eben auch nicht besonders günstig“, sagt sie. Man sei eben etwas „weitab vom Schuss“ und müsse viele Meter zurücklegen, um die Tauben vom HKP hierhin zu locken. „Und es gibt immer wieder Probleme mit Vandalismus“, sagt sie. „Uns wurden schon Steine ins Fenster geworfen. Das schreckt die Tiere natürlich auf.“ Hinzu komme: Das Futterangebot in der Innenstadt sei noch viel zu groß. „Es gibt halt immer noch genug Menschen, die die Tauben mit Brötchen oder Pommes füttern:“
Stadt Gelsenkirchen will bald ein „Taubenmanagementkonzept“ vorlegen
Ebke ist aber zuversichtlich, dass mit „viel Ruhe und viel Zeit“ doch noch mehr Erfolge erzielt werden können. „Das hat auch im Taubenhaus Buer geklappt“, sagt sie über die Unterbringung im Goldbergpark, die 2006 aufgestellt wurde und mittlerweile auch vom „Stadttauben e.V.“ betreut wird.
Dort sei vor einigen Jahren auch wenig los gewesen. „Aber dann hat man das Konzept umgestellt, ist viel seltener reingegangen, damit die Vögel nicht jeden Tag gestört wurden.“ Mittlerweile sei es dort wieder „brechend voll“, „unzählig viele Tiere“ lebten dort. „Es ist natürlich vorteilhaft, dass das Haus in Buer auf einer Erhöhung liegt, weg von der Gefahrenzone Mensch“, sagt Ebke. Dennoch versuche man jetzt auch in der Altstadt seltener die Tür zum Schlag zu öffnen, um den Vögeln mehr Ruhe zu geben.
Was die Zukunftspläne darüber hinaus angeht: „Es gibt die Bestrebung, dass man die Zaunanlage am Taubenhaus an der Robert-Koch-Straße begrünt und den Container mit Graffiti verschönert“, verkündete Helen Schäfer vom Veterinäramt. Schließlich sei der Anblick des auffällig roten Containers in der Nachbarschaft nicht gerade sehr beliebt. Außerdem wolle die Stadt bald ein „ganzheitliches Taubenmanagementkonzept“ vorlegen, das auch die Frage beantworten soll, ob ein Taubenhaus an anderen Orten der Stadt realisiert werden könne.
Schalker Täubchen: Auch dieses Gelsenkirchener Projekt zeigt einen neuen Umgang mit Tauben
Vielleicht werden darin auch Problemlösungen wie in Schalke eine Rolle spielen: Dort hat man zwar kein Taubenhaus errichtet, bringt die Tiere aber auf einem ungenutzten Dachboden in einem Mehrfamilienhaus des Gelsenkirchener Bauvereins (BV-GE) unter – ein bislang einmaliges Projekt für Gelsenkirchen. Initiatorin ist Antonia Roth, die schon viele Jahre im BV-Gebäude an der Liboriusstraße lebt und für das Projekt einen eigenen Verein gegründet hat, das „Schalker Täubchen Tierschutzprojekt“
Gestartet hat sie das Projekt im Juli 2022, mit der Intention, den Ärger um den vielen Taubenkot im Quartier tierschutzfreundlich zu lösen. Aber auch ihre Bilanz ist, ähnlich wie am Taubenhaus, noch verhalten positiv: „Es brüten weiterhin viele Tauben im Kirchturm der Georgskirche. Und es ist schwierig, die Tiere hierhin zu ziehen, wenn sie sich dort wohlfühlen“, sagt sie. „Solange man die Eier nicht auch dort austauschen kann, schlägt unsere Arbeit nicht so durch wie sie könnte.“
Bei der Gemeinde habe man ihr bislang „bedauerlicherweise“ signalisiert, dass es zu gefährlich sei, sich zu den Nestern an den Kirchtürmen zu begeben. Roth hofft, dass die Problematik mit dem Brüten an den Kirchen auch vom Taubenkonzept der Stadt aufgegriffen wird. Und sie hofft, dass noch mehr Leute die Bereitschaft zeigen, verstehen zu wollen, was das Team hier unternimmt. „Viele Leute denken, hier werden Tiere gezüchtet. Und wenn dann doch mal ein Küken ausgebrütet wird, gibt es gleich große Beschwerden“, sagt sie. Dabei sei es wichtig, dass die Tauben anfangs auch mal ein Bruterfolg haben, um sie an den Schlag zu binden. Der Tausch mit den Gipseiern folge danach.
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Wie viele Tiere im Dachboden jetzt genau wohnen, sei übrigens schwer zu sagen. „Wir zählen etwa 30 Tiere, wenn wir zum Füttern kommen“, sagt sie. Viel mehr anfangen kann man vielleicht mit einer anderen Zahl: 80 Kilogramm Kot haben die Ehrenamtlichen mittlerweile entsorgt. „Das ist alles Kot, der sonst auf Straßen und Dächer gefallen wäre.“