Gelsenkirchen-Scholven. Der Gelsenkirchener Rat hat über die BP-Norderweiterung debattiert. Zustimmung vor allem von SPD und CDU – die Grünen kritisieren das Vorhaben.

Die umstrittene BP-Norderweiterung hat eine weitere Hürde genommen: Auf einer Sondersitzung des Gelsenkirchener Stadtrates am Montag stimmten die Abgeordneten mehrheitlich für den Bebauungsplan mit der Nr. 451. Gegen die Vorlage votierten die Vertreterinnen und Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, AUF, WIN und der Partei. Der Abstimmung vorausgegangen war eine in großen Teilen sachlich geführte Debatte.

Zum Hintergrund: Die Raffinerie BP in Gelsenkirchen-Scholven will ihr Werk nach Norden erweitern, konkret geht es um ein Gelände zwischen Ulfkotter Straße, der Halde Scholver Feld, der Straße Auf der Kämpe und der A 52, Anschlussstelle Gelsenkirchen-Hassel. Dort will BP gemeinsam mit der US-Firma Brightmark eine Anlage zur Pyrolyse von Kunststoffmüll errichten. Bei der Pyrolyse handelt es sich um einen chemischen Prozess, mit dem aus dem Müll bestimmte Öle und Gase gewonnen werden, die dann erneut zur Herstellung von neuem Kunststoff genutzt werden können.

SPD: „Leuchtturmprojekt“ für Gelsenkirchen

Nachdem der Rat Anfang 2022 den Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan gefasst hatte, stand nun mit dem Entwurfs- und Auslegungsbeschluss die nächste Stufe im Genehmigungsverfahren auf der Tagesordnung. Das heißt: Der Bebauungsplan liegt jetzt öffentlich aus, ist im Rathaus sowie im Internet einsehbar. Keine zwei Stunden vor Beginn der Ratssitzung hatte auch BP eine Internetseite ins Netz gestellt, auf der das Projekt erklärt wird: Unter www.circularitycenter.de wirbt der Konzern für das Vorhaben und beantwortet Fragen.

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt und auf TikTok. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Breite Unterstützung für das Vorhaben gab es von den Parteien der Großen Koalition. Als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnete Silke Ossowski die Pläne für die Pyrolyse-Anlage. „Das ist ein deutliches Statement für den Standort Gelsenkirchen, der wird damit zukunftsfähig gemacht“, so Ossowski. „In Zeiten der Energiewende sollte jedes Gelsenkirchener Unternehmen unterstützt werden, das sich Nachhaltigkeit und Klimawende auf die Fahnen schreibt.“

CDU stimmt zu – mahnt aber mehr Transparenz von BP an

Ebenfalls das Schlagwort „Leuchtturmprojekt“ benutzte CDU-Fraktionschef Sascha Kurth. „Das kann ein Meilenstein für unsere Stadt sein“, so Kurth, „das wäre die erste Anlage dieser Art in Europa.“ Dass BP sich dafür entschieden habe, in Scholven zu investieren, zeige: „Der Industriestandort Gelsenkirchen lebt.“ Kurth wies allerdings auch darauf hin, dass es noch Fragen zum Thema Pyrolyse gebe, die BP noch beantworten müsse, und mahnte seitens des Konzerns mehr Transparenz an: „Ich hätte mir den Start der Website auch früher gewünscht, das geht besser und bürgernäher“, kritisierte er. Trotzdem: „Das sollte kein Grund sein, das Projekt kaputtzureden.“

Norbert Emmerich begründete für die AfD-Fraktion, warum man dem Projekt zustimmen würde: „Das ist eine zukunftsweisende Technologie, die nicht nur Gelsenkirchen, sondern jeder Stadt guttun würde.“ Es gebe mehrere Gründe, für die Pyrolyse-Anlage zu sein – man müsse sich ja nur einmal zuhause umschauen, wie viel Kunststoff es gebe. „Außerdem werden dort gute Arbeitsplätze geschaffen“, so der AfD-Ratsherr.

Zustimmung auch von der FDP: „Wir können die Unsicherheiten und die damit verbundenen Ängste der Bevölkerung verstehen“, so Ralf Robert Hundt. „Aber zu einer verantwortungsvollen Politik gehört auch, nicht lapidar von Greenwashing zu reden oder diese Ängste – zum Teil auch mit populistischen Unwahrheiten – zu schüren.“ Hundt wies darauf hin, dass es bei der Abstimmung um den Bebauungsplan gehe – ob dort am Ende tatsächlich eine Pyrolyseanlage genehmigt würde, müsse ohnehin die Bezirksregierung entscheiden.“

Scharfe Kritik von den Grünen

Ganz anders beurteilt man das BP-Vorhaben bei den Grünen: Burkhard Wüllscheidt kündigte an, dass seine Fraktion dem Bebauungsplan nicht zustimmen würde, und nannte die Gründe dafür. „Die geplante Pyrolysetechnologie ist, zumindest derzeit, kein technisch ausgereiftes Verfahren für die großindustrielle Anwendung“, sagte er in seiner Rede. Er wies auch auf „erhebliche Umweltbelastungen und -gefahren“ hin, die zu befürchten seien, etwa Restasche, Prozessgase, die Zunahme des Lkw-Verkehrs sowie das Brandrisiko in den Kunststoffabfällen – und das auf einem Gebiet, das heute noch ein Landschaftsschutzgebiet sei. „Das ist mit uns Grünen nicht zu machen“, so Wüllscheidt.

Eine „unkritische Haltung“ zu BP warf Ali-Riza Akyol (WIN) der Verwaltung vor, Jan Specht (AUF) sprach sogar von einem „Kniefall vor BP“ – Vorwürfe, gegen die sich Stadtbaurat Christoph Heidenreich verwehrte. Nach knapp zweistündiger Debatte stimmte der Rat dann mehrheitlich der Vorlage zu – die endgültige Entscheidung über den Bebauungsplan soll dann im September fallen.

Norbert Emmerich Gute Arbeitsplätze schaffen, dafür brauchen wir dieses Projekt – und was passiert mit den ganzen Kunststoffen? Brightmark nennt drei Standorte: In Indiana, in Australien und in Gelsenkirchen.