Gelsenkirchen. Üppiger Brunch, Friseurbesuch: Beim „Wohlfühlmorgen“ der Malteser werden die umsorgt, um die sich sonst wenige sorgen. Und das werden immer mehr.

Es ist gerade elf Uhr, da stürmt ein Herr auf den Hof des Berufskollegs an der Königstraße. „Wo geht es zum Friseur?“, fragt er hastig. Er wirkt etwas mitgenommen, hat strubbelige Haare, einen Drei-Tage-Bart. Ein bisschen gebeugt aber eiligen Schrittes geht er dorthin, wo man ihn hingeschickt hat. Man spürt, diese Gelegenheit will er auf keinen Fall verpassen. Dafür hat er schon am Tor angestanden. Mit etlichen anderen. Für sie alle ist heute ein besonderer Tag: Die Malteser haben zum kostenlosen „Wohlfühlmorgen“ geladen.

Das tun sie dreimal im Jahr. Dann laden sie Menschen ein, die in Armut leben – zum üppigen Brunch, zum Mittagessen, aber auch, wenn es erforderlich ist, zum Duschen oder zur Wundversorgung. In den vergangenen Jahren organisierte die Diözese Essen das besondere Angebot, das sich ursprünglich an obdachlose Menschen oder besonders Bedürftige richtete. „Mittlerweile ist der Bedarf gestiegen. Wir spüren deutlich die Folgen der Energiekrise und der Inflation“, sagt Steffen Keller, Pressesprecher der Diözese Essen, und macht gleich deutlich: „Das Problem der Armut wird hiermit nicht gelöst. Aber es ist ein Stück gelebte Teilhabe.“

Kleidung für Bedürftige in Gelsenkirchen-Schalke: „Wir haben auch viel Neuware dabei“

Ein paar Frauen kommen auf den Hof und suchen auch ihren Weg. Sie wollen zur Kleiderausgabe. Auch davor hat sich eine lange Schlange gebildet. Zumal die Sachen gut sind. „Wir haben auch viel Neuware dabei.“ Alles ist sortiert in drei Räumen. Einer enthält Damenkleidung, ein zweiter Herrenkleidung und im dritten gibt es Kinderkleidung, Spielwaren, Windeln und Hygieneartikel, sogar Bettwäsche und Geh-Hilfen.

Zum „Wohlfühlen“ darf auch gutes Essen nicht fehlen: Darlyn Leibhold von den Maltesern bereitet Essen im Berufskolleg Königstraße zu.
Zum „Wohlfühlen“ darf auch gutes Essen nicht fehlen: Darlyn Leibhold von den Maltesern bereitet Essen im Berufskolleg Königstraße zu. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Hier schauen sich Christian und sein Sohn um. Der Junge ist bei den Spielwaren schon fündig geworden, während der Papa bei der Kleidung schaut. „Es ist eine gute Sache, dass es diese Unterstützung gibt“, sagt er. Auch wenn er heute kein passendes Kleidungsstück für den Nachwuchs findet.

„Wohlfühlmorgen“ in Gelsenkirchen-Schalke: Der Friseurbesuch ist für viele der Höhepunkt

Den Gang entlang sind die medizinischen Angebote zu finden. Rechts ist Dr. Anne Rauhut ansprechbar für Ratsuchende. Sie arbeitet eigentlich in der Praxis der Malteser in Duisburg, wo Menschen ohne Krankenversicherung behandelt werden. „Hier in Gelsenkirchen kommen vor allem Menschen, die Fragen haben zur Arztsuche oder zur Ernährung.“ Links im Raum können Wunden versorgt werden. Hier hilft auch eine Chirurgin aus. „Es kommen jedes Mal drei bis fünf Menschen zur Wundversorgung“, sagt Jonas Grüger von den Maltesern in Gelsenkirchen und neuer Organisator des Tages. Drei bis fünf Menschen, das klingt, als wäre das Angebot nicht so wichtig. Stimmt nicht: „Diejenigen, die kommen, haben große Probleme, haben zum Teil chronische Entzündungen und eitrige Wunden, wo die Verbände eingewachsen sind.

Steffen Keller, Pressesprecher der Diözese Essen: „Wir spüren deutlich die Folgen der Energiekrise und der Inflation.“
Steffen Keller, Pressesprecher der Diözese Essen: „Wir spüren deutlich die Folgen der Energiekrise und der Inflation.“ © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Einmal mehr fragt jemand nach dem Weg zum Friseur. Das Angebot ist für viele der Höhepunkt des Tages. Es geht ins zweite Obergeschoss. „Das Tolle ist, dass wir dieses Berufskolleg nutzen können, wo es für die Fachschüler viele Werkstätten gibt“, erzählt Jonas Grüger und verrät im Vorbeigehen, rechts, in der Fleischerei, werde das Büfett vorbereitet.

Gesucht werden weitere ehrenamtliche Helfer in Gelsenkirchen

Gerne, sagt er, wolle man das Angebot ausbauen. Vieles könne man sich vorstellen. „Wir hatten mal eine medizinische Fußpflege dabei. Es wäre schön, wenn das wieder möglich wäre“, sagt er und meint damit, dafür müsste sich jemand bereit erklären, dies kostenlos anzubieten. „Wir könnten uns auch vorstellen, dass ein Optiker einen Sehtest anbietet oder, wenn man mehr ans Wohlfühlen denkt, dass jemand eine Maniküre anbietet.“ Und noch eins: „Wir sind immer auf der Suche nach weiteren Friseuren. Dann könnten wir noch mehr Menschen glücklich machen.“

Geschenke für arme Kinder: Auch Kinderspielzeug wird am „Wohlfühlmorgen“ kostenlos verteilt.
Geschenke für arme Kinder: Auch Kinderspielzeug wird am „Wohlfühlmorgen“ kostenlos verteilt. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Jetzt aber: Die Türe öffnet sich und man steht in einer Mischung aus Klassenzimmer und Friseursalon. Es riecht nach Shampoo. Es erklingt ein Föhn. Inna ist konzentriert bei der Arbeit. Sie ist eine der drei Friseurinnen. Zwei davon sind Geflüchtete aus der Ukraine. Daneben steht eine Übersetzerin. Damit die beiden die Wünsche der Menschen auch verstehen.

Ute zum Beispiel will richtig Haare lassen. „Ich finde es richtig gut, dass die Friseurinnen heute hier sind. Ich war schon ewig nicht mehr beim Friseur. Das kann ich nicht bezahlen.“ Dann sagt sie, sie lebe von Bürgergeld. Wegen einer Krankheit könne sie nicht mehr arbeiten. Unverschämt sei es von Politikern, zu behaupten, dass Bürgergeld sei ausreichend erhöht worden. In den heutigen Zeiten reiche es dennoch vorne und hinten nicht. „Sicher, man kann leben. Aber wie?“

Gegenüber von Ute sitzt ein Mann. Es ist der Herr, der eben so eilig zum Friseur wollte. Sein Haarschnitt ist fertig. Er steht auf – und wirkt einen Kopf größer als noch vor einer halben Stunde. Jetzt ist sein Haar ordentlich geschnitten, er strahlt, geht aufrecht und scherzend einen Schritt beiseite, genießt sichtlich die Komplimente, die er bekommt, während die Friseurin sich schon der nächsten widmet.

Wer beim nächsten „Wohlfühlmorgen“ am Samstag, 19. August, helfen möchte, kann sich melden unter wfm.gelsenkirchen@malteser.org