Gelsenkirchen. Medikamenten-Mangel in Gelsenkirchen: Derzeit fehlt es vor allem an Antibiotika-Säften für Kinder. Warum das Problem ein hausgemachtes ist.
„Das ist eine ganz große Katastrophe“ – mit diesem Satz antwortet Apotheker Christian Schreiner auf die Frage, wie es denn um die Versorgung mit Antibiotika besonders für Kinder steht. Dieser Satz, er macht die ganze Bandbreite der hiesigen Problematik deutlich: Weiterhin besteht ein riesiger Medikamenten-Mangel und gefühlt ist kein Ende in Sicht.
Antibiotika-Mangel in Gelsenkirchen: Bei den Kindern sieht es ganz übel aus
Für Erwachsene sei die Lage in Sachen Antibiotika nicht ganz so prekär, bei Kindern sehe es „ganz übel“ aus. Vielerorts in Gelsenkirchen müssen Apotheken Kundinnen und Kunden abweisen, vertrösten, verschriebene Arzneimittel sind nicht auf Lager. Dabei ist doch gerade ein Antibiotikum dieser Tage besonders vonnöten. Beispiel: Scharlach, ausgelöst durch die sogenannten Gruppe-A-Streptokokken. Bereits im Februar äußerte sich der Sprecher der Gelsenkirchener Kinderärzte, Dr. Christof Rupieper, gegenüber der WAZ so: „Es geht zur Zeit richtig rund.“
Offizielle Zahlen des Gesundheitsamts der Stadt belegen dies: Mit Stand Dienstag, 18. April, liegt die Zahl der gemeldeten Scharlach-Fälle bei 324. Zum Vergleich: 2018 sind dem Gesundheitsamt 217 Fälle der hochansteckenden Krankheit gemeldet worden, 2019 waren es 241, im vergangenen Jahr 150. „Wir haben deutlich mehr Scharlach-Fälle gegenüber den vergangenen Jahren“, bestätigt auch Stadtsprecher Martin Schulmann.
Medikamenten-Mangel in Gelsenkirchen: „Zahlen für die Sünden der Vergangenheit“
Apotheker Christian Schreiner berichtet von teils verzweifelten Eltern, die händeringend ein Antibiotikum suchen. „Mal haben sie Glück“, so Schreiner, dann komme eines der Alternativ-Präparate in Frage, aber: „Antibiotikum ist ja nicht gleich Antibiotikum.“ Seine Hoffnung: „Die wärmere Jahreszeit könnte uns helfen, dass sich die Lage entspannt.“
Zur Ursache findet Schreiner indes klare Worte: „Das Problem ist nicht spontan entstanden, wir zahlen für die Sünden, die wir in der Vergangenheit begangen haben.“ Damit spielt er an auf die Verlagerung der Produktion ins Ausland („Die, die noch am Markt sind, produzieren in Fernost“), aber auch darauf: „Dass wir den Markt künstlich eng gemacht haben.“
Fiebersäfte, Schleimlöser & Co.: Mittlerweile gibt es wieder Nachschub
„Es ist nicht der normale Fluss wie sonst, wir liegen aber nicht auf dem Trockenen“, resümiert Schreiner bezüglich der aktuellen Medikamenten-Situation. Er sieht nicht eine Baustelle, sondern ganz viele. Ein Problem sei auch, dass Vertriebswege mittlerweile nicht mehr so einfach seien, die Beschaffung von Arzneien sei vielfach aufwendiger, zeitintensiver und frustrierender geworden. Gerade bei den Präparaten, die vom Mangel betroffen sind, wie neben Antibiotika für Kinder zuletzt auch zeitweise Schmerz- und Fiebersäfte oder Schleimlöser. „Da kommen wir aber wieder an Ware dran“, so Schreiner.
„Wir müssen Produktionsstätten wieder nach Europa zurückholen“, äußert Christian Schreiner einen dringenden Wunsch der Apothekerschaft. Würden er und seine Kolleginnen und Kollegen nicht auch gerne wieder zurück zum Ursprung ihres Berufes: Medikamente selbst herzustellen? Schreiner antwortet prompt: „Klar würden wir das gerne machen, aber wir kommen nicht an die Wirkstoffe dran.“
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Grundsätzlich können sich Christian Schreiner und auch sämtliche Kollegen, sagt er, an keine vergleichbare Situation erinnern. Einen Tipp hat er aber noch für Eltern, die mit einem Rezept in der Hand ein Antibiotikum benötigen: „Im Zweifel sollten sie eben in der Apotheke anrufen“, fragen, ob das Medikament überhaupt auf Lager ist.