Gelsenkirchen. Unterwegs mit zwei echten Gelsenkirchener Kräuterpädagoginnen gibt’s viel zu lernen – zum Beispiel, welche Pflanzen echtes Super-Food sind.

Wenn man mit Anke Oesterle und Heike Parschau spricht, dann gerät man immer wieder ins Staunen – zumindest wenn man nicht vom Fach ist. Ortstermin am Biomassepark Hugo, kalt, regnerisch und windig ist es an diesem Morgen. Die beiden Frauen, Schwestern, Gelsenkirchenerinnen wollen zeigen, was im Laufe der vergangenen fünf Jahre ihr Liebstes geworden ist: Die Lehre von den Wildkräutern, ihr Projekt „Ruhr-Kraut“.

Zwei Gelsenkirchener Schwestern teilen die Liebe zu den Wildkräutern

Und es geht schon gut los: „Das ist eine Wahnsinns-Pflanze“, sagt Anke Oesterle und streicht mit bloßen Fingern sanft über eine Brennnessel, die sie in ihren Händen hält. Garten-Fans ist sie sicherlich als bester Dünger in Form von stinkender Jauche bekannt. Die beiden Kräuterfrauen wissen aber noch viel mehr über die grüne Pflanze, die auch mal fies sein kann.

Ein bunter Strauß: Die beiden Gelsenkirchener Kräuter-Schwestern haben ein paar Wildkräuter gesammelt. Mit dabei auch die absolute „Lieblings-Pflanze“ der beiden – die Brennnessel.
Ein bunter Strauß: Die beiden Gelsenkirchener Kräuter-Schwestern haben ein paar Wildkräuter gesammelt. Mit dabei auch die absolute „Lieblings-Pflanze“ der beiden – die Brennnessel. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Die Brennnessel ist total gesund, sie hat vier mal mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte und einen hohen Eisengehalt, mehr als ein Steak“, erklärt Heike Parschau. Die Samen seien zudem eine reiche Proteinquelle, gut geeignet für Sportler. Aus der Wurzel lasse sich ein prima Haarwasser herstellen, das die Kopfhaut pflegt und Schuppen vorbeugen soll. Aufgebrüht als Tee wirkt die Nessel entschlackend. Bekanntermaßen kann sie aber auch ziemlich weh tun: „Wenn man beherzt von unten nach oben streicht oder mit einer Nudelrolle drübergeht, ist es gar nicht so schlimm“, weiß Heike Parschau.

Die beiden Schwestern haben sich 2018 neben Arbeit und Alltag ein Jahr lang zu Kräuterpädagoginnen ausbilden lassen. Der Weg zum Kraut war ein eher ungewöhnlicher: Anke Oesterle feierte ihren eigenen Junggesellen-Abschied nicht in irgendeinem Restaurant, einer Bar oder sonst wo, sondern: bei einer Kräuterführung. „Da hat es uns gepackt“, sagt Anke Oesterle und lacht.

Das Kräuter-Duo wird in Gelsenkirchen geboren, sie beide wachsen auf in dieser Stadt, in der Vater und Großvater zu Bergmännern wurden – und bleiben. Anke Oesterle lebt in Beckhausen, Heike Parschau in Erle und sie sagen heute über ihr Geschwister-Leben: „Wir waren immer irgendwie nah beieinander.“ Obwohl sie doch ein Altersunterschied von fünf Jahren trennt. Die gemeinsame Liebe zu den Kräutern hat sie nun noch näher zusammengebracht.

Und immer gab es auch die Natur um sie herum, Pflanzen, die sie seit ihrer Kindheit begleitet haben, sie sagen: „Schon im elterlichen Garten entdeckten wir die Natur mit allen Sinnen. Selbst ein Kräuterbeet hatte unser Vater angelegt.“ In ihren eigenen Gärten kommen immer mehr Wildkräuter hinzu, sind Grundlage für Cremes, Öle, Lebensmittel und Tinkturen. Unkraut? Gibt es für die 55 Jahre alte Anke Oesterle und die 60-jährige Heike Parschau nicht.

Im Biomassepark Hugo sind die beiden Gelsenkirchener Kräuterpädagoginnen Anke Oesterle und Heike Parschau häufig anzutreffen. Von dort geht es auch mal raus zu den Wildkräuterführungen.
Im Biomassepark Hugo sind die beiden Gelsenkirchener Kräuterpädagoginnen Anke Oesterle und Heike Parschau häufig anzutreffen. Von dort geht es auch mal raus zu den Wildkräuterführungen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Mittlerweile bieten die beiden Kräuter-Frauen geführte Spaziergänge an, dazu Kochkurse und Kosmetik-Workshops. Im Rahmen des Umweltdiploms arbeiten sie mit der Stadt Gelsenkirchen zusammen, richten dafür Kräuter-Veranstaltungen für Kinder aus. Sie sind ebenfalls Teil des Elisabeth-Käsemann-Familiennetzwerks, veranstalten Kochkurse für Erwachsene. Für Kinder natürlich auch.

Gerade die Kinder sind beliebte Gäste der Schwestern, egal ob bei den Führungen oder Kochkursen: „Sie lassen sich immer gut motivieren, man muss aber darauf eingestellt sein, dass die Konzentration nachlässt“, so Heike Parschau, die ja vom Fach kommt. Mathelehrerin ist sie, was wohl ihre Schüler dazu sagen? Ihre Schwester fügt hinzu: „Kinder sind sehr neugierig, manchmal mehr als die Erwachsenen.“

Das alte Wissen um die Kräuter sei mit den Jahren verloren gegangen, finden die beiden. Sie holen es wieder hervor, spüren gerade in der letzten Zeit vermehrte Nachfrage und größeres Interesse. „Wir werden von unheimlich vielen Leuten angesprochen“, sagt Anke Oesterle. Und dann erzählen sie auch so etwas: „Ringelblumensalbe ist ganz leicht herzustellen.“ Die Blüten müssten nur klein geschnitten und in Distelöl – „das ist neutral“ – eingelegt werden. Vier Wochen ziehen lassen, zwischendurch durchschütteln, am Ende Bienenwachs oder Kakaobutter dazu. Der Salbe wird eine wundheilende Wirkung nachgewiesen. Und eine Spitzwegerich-Tinktur wirkt bei Insektenstichen abschwellend.

Die nächste Veranstaltung von Ruhr-Kraut

Auf der Homepage der Kräuter-Schwestern von Ruhr-Kraut sind alle aktuellen Termine aufgeführt. Die nächste Veranstaltung findet am Freitag, 14. April, statt. Unter dem Titel „Frühlingsküche - Wildkräuterküche“ gibt’s neue Impulse: „Gerade im Frühling stecken die heimischen Wildkräuter wie Bärlauch, Giersch, Knoblauchsrauke, Brennnessel und Co voller Kraft“, heißt es in der Beschreibung.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereiten Wildkräuter-Gerichte, wie beispielsweise Kräuterbrot und verschiedene Dips. Dabei stellen Anke Oesterle und Heike Parschau die Pflanzen vor und geben Tipps zur Verwendung in der Küche. Los geht’s um 15.30 Uhr (bis 18.30 Uhr), die Kosten betragen 12 Euro plus Lebensmittelumlage. Eine Anmeldung ist über die Homepage oder das Familiennetzwerk Elisabeth-Käsemann möglich.

Die Homepage ist erreichbar unter ruhr-kraut.de . Dort gibt es neben weiteren Informationen auch die Kontaktdaten der beiden Schwestern.

Etwas ist den beiden Kräuterpädagoginnen bei aller Aufzucht und Sammelei wichtig: „Man sollte nur die Pflanzen sammeln, die man sicher erkennt“, sagt Heike Parschau. Um sie von ihren giftigen Doppelgängern zu unterscheiden. „Und nicht direkt am Wegesrand sammeln“, fügt Anke Oesterle hinzu und deutet auf das Land hinter dem Biomassepark – da laufen schließlich nicht so viele Hunde entlang.