Gelsenkirchen. Viele Supermärkte lassen ihre Parkplätze überwachen. In Gelsenkirchen-Heßler kommt eine besondere Technik zum Einsatz und sorgt für mächtig Ärger
Ärger über Knöllchen, die sich Autofahrer auf Kundenparkplätzen diverser Supermärkte eingefangen haben, gibt es immer wieder. Denn seit geraumer Zeit lassen immer mehr Märkte ihre Parkplätze von externen Firmen überwachen, damit diese auch wirklich nur von Kunden genutzt werden.
Meist müssen Kunden dafür Parkscheiben sichtbar in ihre Autos legen und dürfen nur für einen bestimmten Zeitraum den Parkplatz nutzen. Fehlt die Parkscheibe oder wird die Zeit überzogen, flattert mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit schon bald ein Knöllchen über 30 oder 40 Euro in den Briefkasten. Daran haben sich die meisten Kunden inzwischen gewöhnt.
Große Aufregung um Video-Überwachungssystem auf Supermarktparkplatz in Gelsenkirchen
In Gelsenkirchen-Heßler aber herrscht seit einigen Wochen große Aufregung um eine durchweg digitalisierte Variante der Parkplatzüberwachung, bei der offenkundig, Autofahrer beim Befahren des Parkplatzes von Kameras gescannt werden und diese Bilder beim Betreten oder Verlassen des Marktes vollautomatisch miteinander abgeglichen werden.
Die Wut und Aufregung vieler Betroffener ist so groß, dass in den vergangenen Wochen bereits verschiedene Fernsehteams nach Gelsenkirchen gekommen sind, um Beiträge darüber zu produzieren, wie der „Heßler-Markt“ zusammen mit der hessischen Firma „Parkvision“ bei der Parkraumüberwachung vorgehen.
Nun hat der Parkplatz-Ärger von Heßler auch die Landespolitik in NRW erreicht. Bereits Ende des vergangenen Jahres erhielt Landtagsabgeordneter Sebastian Watermeier (SPD) von Bürgerinnen und Bürgern sowie von SPD-Kolleginnen und -Kollegen aus der Kommunalpolitik vermehrt Hinweise über die Vorgehensweise bei der Parkraumüberwachung des Unternehmens Parkvision auf dem privaten Grundstück eines Einzelhändlers in Heßler.
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Dazu nutzt Parkvision laut eigener Homepage ein weltweit einzigartiges System, das garantieren soll, dass tatsächlich nur Kundinnen und Kunden des Supermarktes die Parkplätze nutzen. Mit mehreren Kameras werden beim Befahren des Parkplatzes sowohl Fahrzeuge als auch Insassen gefilmt. Beim Betreten des Supermarktes werden die Kundinnen und Kunden nochmals über Kameras erfasst. Mit einer Software werden dann die Aufnahmen abgeglichen, um festzustellen, ob es sich um die Insassen des zuvor geparkten Fahrzeugs handelt. Falls der Supermarkt nicht betreten wird, erfolgt ein Verwarngeld in Höhe von 40 Euro.
„Um eines vorwegzusagen: Die Überwachung von privatem Parkraum erlaubt der Gesetzgeber ausdrücklich. Dabei gibt es verschiedene Systeme, die jeder und jede von uns beim Einkaufen sicher erlebt hat, von der Parkscheibe bis zur automatischen Kennzeichenerfassung. Die Art und Weise, wie das Unternehmen Parkvision die Parkraumkontrolle durchführt, hat mich allerdings verwundert und ist mir in der Tat zum ersten Mal begegnet. Nicht weil dort Kameras unter anderem das Kennzeichen erfassen, sondern vielmehr, dass diese an verschiedenen Punkten auch biometrische Daten von Personen aufnehmen und abgleichen“, so Watermeier.
Doch der SPD-Politiker zeigt sich nicht allein ob der eingesetzten Technik skeptisch. „Kritisch zu beäugen ist auch der Umgang mit Widersprüchen. Betroffene schildern, dass sie nur mühsam an die Möglichkeit kommen, Widerspruch gegen die hohen Strafen bei vorgeworfener missbräuchlicher Nutzung einzulegen. Meist helfe nur rechtlicher Beistand.“
Deshalb hat Watermeier die Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Gayk angeschrieben, um sie um Auskunft in der Angelegenheit zu bitten. Die, so berichtet der Gelsenkirchener Landtagsabgeordnete, habe zunächst nur geantwortet, dass die Beschwerden an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit weitergeleitet wurden, weil Parkvision seinen Hauptsitz in Hessen hat.
„Für mich besteht weiterhin enormer Klärungsbedarf: Was passiert, wenn beispielsweise die Begleitperson einkaufen geht und nicht der Fahrzeugführende? Erkennt die Software zuverlässig Personen, beispielsweise auch wenn sie eine FFP2-Maske tragen? Diese und weitere Fragestellungen stellen sich derzeit viele Menschen in Gelsenkirchen und wahrscheinlich auch über die Stadtgrenze hinaus. Hier kann aus meiner Sicht nicht der Verweis auf die Zuständigkeit in Hessen die letzte Antwort sein“, ärgert sich Watermeier.
Mit dem Datenschutzrecht habe die Legislative den Behörden schließlich ein starkes Schwert an die Hand gegeben, das die Menschen vor missbräuchlicher Verwendung ihrer Daten schützen soll. „Die Hürden bei einer Kameraüberwachung sind bewusst vom Gesetzgeber sehr hoch angesetzt worden. Firmen wie Parkvision, die von einem einzigartigen System bei der Parkraumüberwachung sprechen, müssen auch auf privaten Flächen den hohen Datenschutzstandards gerecht werden. Ihr Handeln muss außerdem verbraucherschutzkonform sein. Daher bleibe ich am Ball“, erklärt Watermeier.
Rechtsanwalt hält Vorgehen von Parkvision für rechtswidrig
Der Gelsenkirchener Rechtsanwalt Malte Stuckmann, der selbst in Heßler lebt und in Sachen Parkvision bereits mehrere Mandanten vertritt, hält das Vorgehen von Parkvision für rechtswidrig - „aus zahlreichen Gründen“, wie er sagt. „Es wird aus dem Anschreiben des Unternehmens schon nicht deutlich, in wessen Namen es überhaupt auftritt. Eine Kontaktaufnahme wird durch das Unternehmen erschwert. Reaktionen auf zugegangene Anschreiben bleiben aus oder werden mit Zahlungserinnerungen und Androhungen von Gerichtsverfahren erwidert. Viele Betroffene scheuen die Auseinandersetzung wegen des ‘geringen’ Streitwerts und zahlen lieber. Diese Vorgehensweise hat Methode“, so Stuckmann. Der Rechtsanwalt und CDU-Ratsherr ist gespannt, wann die angekündigten Gerichtsverfahren beginnen. „Dann wird sich das Unternehmen aber zu all den von uns bereits aufgezeigten Fehlern zu erklären haben“, so Stuckmann.
Auf Anfragen unserer Redaktion haben weder Parkvision noch der Betreiber des Frischemarktes reagiert.