Gelsenkirchen. Selim Sayan ist Gründer der Jacken-Marke Navahoo. Dahinter steckt ein beeindruckender Weg vom Hartz-IV-Empfänger zum erfolgreichen Geschäftsmann.
Schon von außen macht er durchaus etwas her, der Anfang 2022 fertiggestellte neue Firmensitz des Jacken-Unternehmens Navahoo im Gelsenkirchener Gewerbegebiet Schalker Verein. Innen warten ein großer, weißer Raum mit einem Baum in der Mitte, modernste Gebäudetechnik, eine schicke, offene Küche und ein Essbereich, bei dem es nicht schwerfällt, sich vorzustellen, dass die rund 30 Angestellten hier ihre Mittagspause gerne verbringen.
Das Gebäude auf dem 15.000 Quadratmeter großen Grundstück mit Platz für die Geschäftsführung samt Buchhaltung, die Kreativen im Unternehmen, wie etwa die Designer, und einer großen Lagerhalle hat sich Selim Sayan auch einiges kosten lassen. Der Gelsenkirchener hätte, wie er sagt, auch einfach zwei schnöde Hallen hinstellen können, er wollte in seiner Heimatstadt aber „etwas Schönes schaffen“. Investitionssumme: gut zehn Millionen Euro.
Und die Pläne für einen weiteren Bau gleich nebenan sind auch bereits fertig, denn die Erfolgsgeschichte des Gelsenkirchener Jacken-Unternehmens sei noch lange nicht zu Ende geschrieben. Dabei war dieser spektakuläre Aufstieg noch vor einigen Jahren alles andere als vorhersehbar. Außer für Selim Sayan, der trotz mancher Rückschläge an seiner Idee festhielt, weil er wollte und will, „dass in jedem deutschen Haushalt eine meiner Jacken getragen wird.“
Studium abgebrochen, von Hartz IV gelebt und zum erfolgreichen Unternehmer hochgearbeitet
Dabei hat alles sehr klein angefangen. Sayan, der sein Wirtschaftsstudium vor knapp 25 Jahren abbrechen musste, um seine junge Familie zu ernähren, verkaufte zunächst Mode auf Flohmärkten, um sich und seine Familie über Wasser zu halten. Mit einer kleinen Verkaufsfläche an der Bochumer Straße machte er sich selbstständig. Bis irgendwann eine neue Geschäftsidee „floppte“ und der Ückendorfer pleite war.
Sieben Jahre lang hat Sayan von Hartz IV gelebt. Eine „harte Zeit“, wie er rückblickend sagt. „Aber ich hatte eine Vision, ich wusste, dass ich unbedingt etwas mit Mode machen wollte.“ Nach und nach habe er sich selbst beigebracht, wie man Schnitte erstellt, habe unzählige Jacken ausgemessen, um ein Gespür für Proportionen und Konfektionsgrößen zu bekommen, habe sich das Modezeichnen selbst beigebracht und den Markt analysiert. „Und irgendwann wusste ich genau, was ich will“, so Sayan. Doch davon musste er zunächst auch andere überzeugen.
Als er beim Jobcenter das erste Mal mit einem blauen Sack voller Jacken und Muster ankam, weil er darum bitten wollte, dass das Amt die Leistungen an seine Familie weiter zahlt, während er versucht, in China den Grundstein für seine Geschäftsidee zu legen, wurde sein Anliegen noch abgelehnt. Ein Jahr später legte er dem Amt mit demselben Anliegen einen ausgearbeiteten Businessplan vor. Selim Sayan sparte sich einen Flug nach Asien zusammen und machte sich auf den Weg, um dort sein erstes Jackenmuster fertigen zu lassen.
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„Das war schon sehr abenteuerlich“, sagt der vierfache Vater rückblickend, was gelinde gesagt, untertrieben und wohl Selim Sayans Bescheidenheit geschuldet ist. Der Aufstieg vom Leistungsempfänger zum erfolgreichen Unternehmer gleicht der amerikanischen Erzählung des Tellerwäschers, der zum Millionär wurde. Das Geschäft ist in kürzester Zeit schnell gewachsen, die Produkte des Unternehmens erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
Vegane Produktion
„Unsere Produkte sind zu 100 Prozent vegan“, betont Navahoo-Geschäftsführer Selim Sayan. 2017 trat er mit „Navahoo“ dem internationalen „Fur Free Retailer Program“ bei. Für den flauschigen Kragenbesatz der Jacken wird Kunstfell verarbeitet.
Sayan spricht nicht gerne darüber, weil er als Spender nicht im Rampenlicht stehen will. Aber der in Gelsenkirchen geborene Sohn einer türkischen Arbeiterfamilie ist nicht nur Arbeitgeber für etwa 30 Frauen und Männer, er unterstützt auch diverse Institutionen in Gelsenkirchen. Zuletzt hat er 14.980 Euro gespendet, um Projekte im Bereich Bildung und Integration in Ückendorf zu fördern.
„Soziales Engagement für unsere Heimatstadt ist für unser Unternehmen selbstverständlich“, erklärt Anil Sayan, Sohn und Vize-Geschäftsführer von Selim Sayan, der das Geschäft in absehbarer Zeit übernehmen soll. Schließlich wisse die Unternehmerfamilie aus eigener Erfahrung selbst am besten um die schwierigen Umstände wirtschaftlich schwacher Familien.