Gelsenkirchen-Buer. Kleiner Laden, große Liebe zu Vinyl: Das Ehepaar Jarmuth hat das Geschäft „Music Corner“ in Gelsenkirchen-Buer eröffnet. Was es alles bietet.
Saturn? Dem Elektronik-Fachgeschäft in Buer weinen viele nach. Auch Ramona und Marcus Jarmuth finden: „Das war eine tolle Zeit!“ Die Ex-Mitarbeitenden berieten in der Tonträger-Abteilung Musikfans, mit Fachkenntnis und viel Herzblut, versteht sich. Nach dem Aus im Herbst 2021 nur seelenlose Socken oder Mitnahme-Möbel zu verkaufen, kam für das Ehepaar also nicht so richtig in Frage. Aber das brauchen sie jetzt ja auch nicht. Und ihre alten Saturn-Kunden haben nun ebenfalls wieder eine Anlaufstelle, Sarg inklusive.
Zugegeben: Mit der vergleichsweise üppigen Verkaufsfläche der Tonträger-Abteilung im Untergeschoss von Saturn kann es das 40 Quadratmeter große Ladenlokal an der Königswiese 2 nicht aufnehmen, in dem sich das Duo selbstständig gemacht hat. Aber dafür atmet das Geschäft „Music Corner“ am Rande der buerschen City 70 Jahre Musikgeschichte – sowie ganz viel Leidenschaft, besonders für Vinyl-Platten. Und davon gibt’s jede Menge.
Gelsenkirchener „Music Corner“ bietet gebrauchte und neue Platten, CD’s und DVD’s an
Gepflegte gebrauchte und bald auch neue Platten der Stilrichtungen Rock, Pop, Jazz und Blues finden sich ebenso in den Regalen wie ein kleineres Angebot an deutschsprachiger Musik, Klassik, Hip Hop und Metal. „Unser Anliegen ist es, für jeden Geschmack etwas bereitzuhalten. Grundsätzlich soll jeder bei uns eine Platte finden können“, erklärt Marcus Jarmuth mit Blick auf die vielen Alben in Klarsichthüllen und streicht sich über seine hinten zum Pferdeschwanz gebundenen blonden Haare, neben den breiten Koteletten auf den Wangen sein äußerliches Markenzeichen. [Lesen Sie auch:Schallplatten: Ausstellung in Duisburg für Vinyl-Liebhaber]
Da die Eltern einer Tochter seit 25 Jahren die Tonkunst-Szene professionell verfolgen und den Markt für Vinyl, CD’s und Streaming kennen, sollen sich auch Musik-Nerds gut aufgehoben fühlen, so das Anliegen. „Wir sammeln selbst Platten und teilen die Begeisterung für den satten Klang von Vinyl. Das ist einfach etwas Besonderes. Daher bieten wir auch eine Plattenwäsche an“, betont Ramona Jarmuth. Freilich sollen auch CD-Fans fündig werden. Belehrungs- oder Missionierungs-Versuche brauchen sie nicht zu befürchten.
Gelsenkirchener haben Mainstream-Alben und Raritäten im Angebot
Sowohl Mainstream-Alben als auch Raritäten warten also auf Kundschaft: Die Palette reicht von Elvis, Beatles und Bruce Springsteen über Herbert Grönemeyer bis hin zu Steppenwolf oder ACDC. Es finden sich aber auch einige Skurrilitäten: die Werbe-Single „Mildessa Sauerkraut“ etwa, die zum Mitträllern des originellen Refrains „Männer wie wir mögen Sauerkraut“ motiviert, Rezept inbegriffen. Oder die Flexi-Single „Komm in Fahrt mit Hansa-Pils“. „Sogar geistliche Begleitung haben wir im Angebot“, witzelt Marcus Jarmuth und zieht das Werk „Pater Leppich spricht“ aus einem Regal. [Lesen Sie auch: Festival „Horst rockt“ abgesagt: Plattenladen vor dem Aus]
Wobei, mit semi-therapeutischer Begleitung kennt sich das Paar eigentlich ganz gut aus. „Im Laufe der Jahre haben wir so einen guten Draht zu unseren Stammkunden bekommen, dass sie uns auch viel aus ihrem Leben erzählt haben. Das war schon toll und hat uns nach der Schließung richtig gefehlt“, berichtet seine Frau und zupft gut gelaunt an ihrem langen Ärmel, der fast bis zum Knie reicht. Schwarz ist er natürlich, wie alles, was die Anhängerin von Dark Wave- und Gothik-Mode mit dem Faible für gute Horror-Filme trägt.
Gelsenkirchener gestalteten unbenutzten Sarg zur Sitzgelegenheit fürs Geschäft um
Apropos: Einige ausgewählte DVDs gibt’s auch bei „Music Corner“, „querbeet alles, was wir uns auch ansehen würden. Nur Filme von Til Schweiger kommen uns nicht ins Haus, abgesehen von dem Kult-Streifen ,Bang Boom Bang’ selbstverständlich“, betont Marcus Jarmuth und setzt sich auf einen zum Sitzmöbel umgebauten schwarzen Sarg, in dessen Mitte ein Plattenspieler steht. Die Kunden sollen schließlich Probe hören können. „Den Sarg haben wir von einem Freund bekommen, der sich einen Leichenwagen gekauft hat. Natürlich war der Sarg unbenutzt“, so Ramona Jarmuth.
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Existenzgründer-Unterstützung vom Arbeitsamt hin oder: Ob ihnen nicht etwas mulmig war, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen, und dann auch noch mit so einem Nischenprodukt wie Vinyl-Platten? „Wenn wir den Musikmarkt nicht so gut kennen würden, hätten wir das nie gemacht. Aber die Verkaufszahlen von Vinyl-Alben wachsen seit rund zehn Jahren jährlich um nahezu 20 Prozent. Auch jüngere Leute wissen das Klangerlebnis immer mehr zu schätzen. Außerdem hatten wir bei Saturn so viele Stammkunden, für die wir ganze Listen von Vinyl-Alben bestellt haben… Darauf bauen wir jetzt auf“, meint Jarmuth, und seine Frau nickt: „Wir sind zuversichtlich, dass das funktioniert.“
Das Geschäft „Music Corner“, Königswiese 2, ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Die Inhaber kaufen auch gebrauchte Tonträger an.