Gelsenkirchen-Buer. Beschwerden über die De-la-Chevallerie-Straße in Gelsenkirchen reißen nicht ab. Zwei Lokalpolitiker und ein engagierter Bürger reden Klartext.

Ortstermin an der De-la-Chevallerie-Straße in Gelsenkirchen-Buer. Der Fotograf soll das Problem einfangen, dass die drei Menschen, die heute hier sind, mit der Straße haben. Er muss nicht lange warten: „Hier fährt ja fast jeder über die Linie“, staunt der Mann mit der Kamera. Bernd Rudde, Ali-Riza Akyol und Volker Czimmeck nicken: Genau das ist das Problem.

Es ist eine unendliche Geschichte mit dem Radverkehr auf dieser Straße. Hauptsächlich und zweispurig von Autos befahren, war die Nord-Süd-Verbindung, die Buer in zwei Hälften teilt, bei Radfahrern schon immer wenig beliebt. 2019 sollte sich das nach dem Willen der Stadt Gelsenkirchen ändern. Damals wurde ein „Fahrradschutzstreifen“ eingerichtet: In leuchtendem Blau gefärbt und mit einer gestrichelten Linie von den Fahrstreifen für Autos getrennt, sollte er, wie der Name vermuten lässt, den Radfahrerinnen und Radfahren einen geschützten Raum bieten.

Stadt Gelsenkirchen besserte im Jahr 2022 auf der De-la-Chevallerie-Straße nach

Das Bild zeigt: Sehr viele Autofahrerinnen und Autofahrer ignorieren die durchgezogene Linie.
Das Bild zeigt: Sehr viele Autofahrerinnen und Autofahrer ignorieren die durchgezogene Linie. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Die Planung erwies sich im Laufe der folgenden Jahre als gescheitert. Radfahrer mieden weiterhin die De-la-Chevallerie-Straße, denn der Schutz, den der Radstreifen ihnen geben sollte, war schlicht nicht vorhanden. Wenn Autos auf der Straße nebeneinander fuhren – und es sich bei einem der beiden Fahrzeuge gar um einen Bus oder Lkw handelte – dann kam es regelmäßig vor, dass eines der beiden Fahrzeuge auf dem Radstreifen fuhr. Die Folge: Das am Anfang leuchtende Blau verblasste, bekam Lücken und war an vielen Stellen nach kurzer Zeit gar nicht mehr sichtbar.

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Die Stadt besserte 2022 nach. Jetzt trennt eine dicke, durchgezogene Linie den Rad- vom Autoverkehr: Aus dem „Fahrradschutzstreifen“ wurde dadurch ein Radfahrstreifen. Der Unterschied: Während der Schutzstreifen Bestandteil der Fahrbahn ist und von Autofahrern bei Bedarf befahren werden darf, ist es der Radfahrstreifen nicht – deshalb die dicke Linie, die Autos nicht überfahren dürfen. Generell soll die Straße einspurig befahren werden; um Staus zu vermeiden, dürfen die Autos aber an den Ampelkreuzungen nebeneinanderstehen.

Grünen-Politiker: Maßnahmen der Stadt Gelsenkirchen sind eine „Verschlimmbesserung

So die Theorie. Das funktioniert aber nicht, das wird jedem klar, der auch nur ein paar Minuten an der Straße steht: Die Autos überfahren den dicken Streifen in schöner Regelmäßigkeit. „Jetzt weiß niemand mehr, wie er fahren soll“, stellt Bernd Rudde, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksvertretung Nord, fest. Als „Verschlimmbesserung“ bezeichnet er die Maßnahme der Stadt.

Ali-Riza Akyol, Chef der WIN-Fraktion im Rat, stimmt zu: „Dieser Radweg funktioniert nicht, er gefährdet Verkehrsteilnehmer. Dafür muss man kein Experte sein.“ Rudde beklagte auch die seiner Meinung nach schlechte Öffentlichkeitsarbeit der Stadt. „Autofahrer werden schlecht oder gar nicht darüber informiert, wie sie sich hier verhalten sollen“, sagt er. Zudem fehle es an der Kontrolle der neuen Regelungen. „Das ist alles fernab jeder Praxis“, sagt er, und Akyol geht sogar noch weiter: „Das ist ein Diktat der Verwaltung.“

Volker Czimmeck, der sich schon seit Jahren für einen sichereren Radverkehr einsetzt, wundert sich auch über die Inkonsequenz bei der Linienziehung. Die durchgezogene Linie zeigt eigentlich an, dass es sich um einen echten Radstreifen, nicht mehr lediglich um einen Radfahrschutzstreifen handelt. „Allerdings ist die Linie nicht durchgehend durchgezogen“, sagt Volker Czimmeck. Dass sie an Kreuzungen gestrichelt ist und somit den Autos das Darüberfahren erlaubt, sei ja klar. „Aber auch beispielsweise zwischen der Pfefferacker- und der Brinkgartenstraße ist sie gestrichelt“, sagt Czimmeck. „Was gilt denn da jetzt?“ Bernd Rudde hätte sich ohnehin für den Radfahrstreifen eine deutlichere, baulich ausgestaltete Abgrenzung zur Fahrbahn gewünscht.

Das ist der Stand bei den Planungen für den Buerschen Ring

Mittelfristig soll der Verkehr auf der De-la-Chevallerie-Straße sowieso anders geregelt werden: Wenn erst einmal der Buersche Ring ausgebaut ist, soll der Autoverkehr weitgehend um die Innenstadt geleitet werden. Für die Planung dieses Projekts wurde von der Stadt Gelsenkirchen ein Gutachten vergeben. „Aktuell laufen Arbeitsgespräche mit dem beauftragten Planungsbüro (PTV Transport Consult GmbH)“, so Stadtsprecher Martin Schulmann.

Mithilfe von Verkehrssimulationen würden die Optimierungsmöglichkeiten des Buerschen Rings ausgelotet und Reisezeiten berechnet. Nachfolgend würden aufbauend auf den Simulationsergebnissen Lärm- und Schadstoffberechnungen durchgeführt, die Optimierungsmöglichkeiten planerisch darstellt sowie eine Kostenschätzung vorgenommen. „Die Arbeiten finden parallel statt und dauern bis circa Anfang Februar 2023 an. Der Abschlussbericht zum Gutachten soll bis Ende Februar 2023 fertiggestellt sein“, so Schulmann.