Gelsenkirchen-Buer. Auf der De-la-Chevallerie-Straße in Gelsenkirchen gelten neue Regeln für den Radverkehr. Doch es gibt Kritik: Viele hielten sich nicht daran.
August de la Chevallerie war Anfang des vergangenen Jahrhunderts Bürgermeister von Buer, unter seiner Ägide wurde etwa der Grundstein für das Buersche Rathaus gelegt. Um an ihn zu erinnern, wurde eine wichtige Straße nach ihm benannt. Ob man ihm damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich: Der Name De-la-Chevallerie-Straße sorgt nämlich sowohl bei Auto-, aber vor allem auch bei Radfahrern für erhöhten Blutdruck.
Besagte Straße durchschneidet Buer von Süd nach Nord und verbindet die Kurt-Schumacher-Straße mit der Polsumer Straße: Wer von Süden aus kommend nach Hassel will (oder umgekehrt), für den ist es die kürzeste Verbindung. Ob es auch die schnellste ist, sei einmal dahingestellt: Zu Stoßzeiten steht der Autoverkehr oft mehr, als dass er fließt. Und Radfahrer? Das ist ein Thema für sich.
Der blaue Streifen auf der Straße in Gelsenkirchen-Buer ist verblasst
Bis 2019 genoss man als Radler wenig Schutz auf der vielbefahrenen Straße. Einen abgetrennten Radweg gab es bis dato nicht, Radfahrerinnen und -fahrer mussten sich auf der Straße mit den Autos auseinandersetzen. Im Sommer 2019 wurde dann ein Fahrradschutzstreifen eingerichtet: In Blau eingefärbt und mit einer dünnen, gestrichelten Linie von der Fahrbahn abgesetzt, sollte er das Radeln auf der De-la-Chevallerie-Straße sicherer machen.
Dieses Projekt ist allerdings gescheitert. Der Schutzstreifen ist längst so verblasst, dass man die blaue Farbe kaum noch erkennen kann, an einigen Stellen ist sie sogar komplett verschwunden. Das liegt auch daran, dass der Schutzstreifen von Anfang an nicht nur den Reifen der Fahrräder, sondern auch denen von Autos und Lkw ausgesetzt war. Denn nach wie vor wird auf der Straße zweispurig gefahren – und wenn dort ein Pkw neben einem Lkw oder Bus fährt, ist die Fahrbahn zu eng, als dass beide nebeneinander passen, ohne den Schutzstreifen zu befahren.
Kritik an Stadt: Volker Czimmeck wählt drastische Worte
Jetzt hat die Stadt reagiert und die Regeln geändert. Seit einigen Tagen trennt eine dicke, durchgezogene Linie den Rad- vom Autoverkehr: Aus dem „Fahrradschutzstreifen“ wird dadurch ein Radfahrstreifen. Der Unterschied: Während der Schutzstreifen Bestandteil der Fahrbahn ist und von Autofahrern bei Bedarf befahren werden darf, ist es der Radfahrstreifen nicht – deshalb die dicke Linie, die Autos nicht überfahren dürfen. Generell soll die Straße einspurig befahren werden; um Staus zu vermeiden, dürfen die Autos aber an den Ampelkreuzungen nebeneinander stehen. Soweit die Theorie.
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In der Praxis sehe das aber ganz anders aus, beklagt Volker Czimmeck, Mitglied der AG Verkehr im Quartiersnetz Buer-Ost. Er wählt drastische Worte: „Für mich ist die De-la-Chevallerie-Straße eine Vergewaltigung des Radfahrers“, sagt er. „Der Grundsatz, nachdem Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger gleich behandelt werden müssen, wird hier gebrochen: Autos haben offenbar Vorrang.“ Immer noch sei es für Radlerinnen und Radler gefährlich, auf der Straße zu fahren.
Das droht Autofahrern, die sich nicht an die Regeln halten
Er hat beobachtet, dass nach wie vor Autos nebeneinander auf der Straße fahren – und dabei auch den Radstreifen benutzen. Das kann Folgen haben, weiß der Gelsenkirchener Rechtsanwalt Arndt Kempgens: „Die durchgezogene Linie dürfen Autos nicht überfahren und den Radfahrstreifen nicht befahren“, erklärt er. „Wer eine durchgezogene Linie überfährt, riskiert je nach konkreter Situation ein Bußgeld ab 10 Euro.“ Sollte es zu einem Unfall mit einem Fahrradfahrer kommen, könne die Fahrerin oder der Fahrer auch wegen fahrlässiger Körperverletzung belangt werden. An den Kreuzungen ist die Linie allerdings unterbrochen. „Der Radfahrstreifen darf an diesen Stellen aber nicht befahren, sondern nur überquert werden“, so Kempgens.
Czimmeck ärgert sich darüber, dass Radfahrer in seinen Augen von der Stadt vernachlässigt würden. „Daneben habe ich erfahren, dass Gelsenkirchen beabsichtigt, in die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS) aufgenommen zu werden und sich gute Chancen einräumt“, sagt er. Das halte er für absurd. „Für mich ist Gelsenkirchen eine der radfahrunfreundlichsten Städte“, so Czimmeck. „Die Stadt Bonn, die auch Mitglied der AGFS ist, hat 58 Radfahrstraßen“, sagt er. „Und damit will sich Gelsenkirchen vergleichen?“ Inzwischen sei er kurz davor, zu resignieren. „Ich kann Bastian Bielendorfer Recht geben“, sagt er. „Es lohnt sich nicht, sich in Gelsenkirchen ehrenamtlich zu engagieren.“