Gelsenkirchen. Gelsenkirchen: Fans des FC Schalke 04 nehmen Abschied von Erich Wehner - einem Unikat. Feuchtfröhliche Erinnerungen an eine Schalker Fan-Legende.
Mehr als 200 Schalker sind an diesem Dezembertag gekommen, um Abschied zu nehmen. Abschied von einem, der vielen, sehr vielen Schalke-Fans nur als „Erich“ bekannt war. Erich Wehner, die Fan-Legende, begleitete den Club zu so vielen Spielen, obgleich er stets ein Leben in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebte. Seine Frage nach einer Mark und später nach einem Euro hat er über die Jahre und Jahrzehnte unzähligen Schalkern gestellt und nicht wenige haben ausgeholfen. Am 12. Dezember ist Erich Wehner im Alter von 68 Jahren gestorben. Zuletzt hatte sich der Gelsenkirchener Olivier Kruschinski maßgeblich darum gekümmert, dass der Kult-Fan in einem Gelsenkirchener Altenheim gut aufgehoben war. Kruschinski ist es auch zu verdanken, dass Erich nun auf dem Schalker Fan-Feld, dem blau-weißen Friedhof von Ender Ulupinar, beigesetzt wurde.
„Erich war ein ganz spezieller Typ und er war niemandem, der ihn kannte, egal. Er war ein richtig feiner Kerl, ein Schalker sowieso“, sagt Olivier Kruschinski und räumt ein, „auch wenn wir alle Erich schon seit Ewigkeiten kannten und er wie selbstverständlich schon immer dazu gehörte – zumindest für uns Schalker – so richtig gut kannten wir ihn am Ende doch nicht.“ Bekannt wie ein bunter Hund und doch ein Unbekannter eben.
Für Erich zählte nur Schalke, Schalke und Schalke
Erich wurde am 21. Juli 1954 in Westerholt geboren, die vorerst letzte Schalker Meisterschaft im Jahre 1958 hat er als kleiner Junge miterlebt - ob tatsächlich bewusst, das darf zwar bezweifelt werden. Sicher ist indes: Fortan bestand ein Großteil seines Lebens nur noch aus Schalke, Schalke und Schalke. Erich wurde im letzten halben Jahrhundert selbst zu einem bedeutenden Stück Schalke. Daran erinnerten auch viele der Trauergäste, darunter auch Club-Idole wie Mike Büskens und Olaf Thon.
„Viele von uns dürften sich mit einem Lächeln an irgendeine Begebenheit mit Erich bei irgendeinem Spiel erinnern, an das Ergebnis des Spiels allerdings schon längst nicht mehr. Es sind am Ende halt die Menschen, die Schalke ausmachen. Ich selbst habe Erich erstmalig bewusst Mitte der 90er Jahre wahrgenommen“, schwelgt Kruschinski in Erinnerungen. Seinem Engagement und der großen Spendebereitschaft der Schalker Fanszene ist es zu verdanken, dass Erich an diesem Mittwoch auf diesem besonderen Friedhof beigesetzt wird, nur einen Doppelpass entfernt von den Ruhestätten der Schalke-Legenden Ernst Poertgen oder etwa Stan Libuda.
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„Wenn Erich damals den „Sonderblock Frieden“ auf der ehemaligen Haupttribüne des alten Parkstadions betrat, war der Jubel stets groß. Erich war schon damals ein Typ, ein Unikum, ein Original, eine Kultfigur, wurde bei einem Spiel schon mit einem lebensgroßen Erich-Double aus Pappe begrüßt, lies sich mit diesem gerne lachend fotografieren. Und tatsächlich glaube ich, wenn ich versuche, die überwältigenden Reaktionen und die große Spendenbereitschaft für das Begräbnis einzuordnen, dass für viele von uns Erich auch symbolisch für das „alte Schalke“ stand“, so Kruschinski.
Unvergessene Schalke-Auswärtsfahrten mit Erich und dem Esel aus Trabzon
Unvergessen bleiben in der königsblauen Fanszene aber vor allem die Auswärtsfahrten von und mit Erich. Auch Olivier Kruschinski muss lachen, wenn er daran zurückdenkt, wie Erich immer pünktlich am Treffpunkt des Auswärts-Busses stand. „Ich weiß nicht, woher Erich die Infos hatte - aus dem Internet wohl eher nicht, aber relativ regelmäßig stand er pünktlich zur Abfahrt am Treffpunkt und stieg wie selbstverständlich ein. Natürlich unangemeldet, zumeist ohne zu bezahlen, nicht selten mussten wir ihn aus diversen Gründen auf irgendeinem Rastplatz mitten im Nirgendwo darum bitten, den Bus zu verlassen und die Mitfahrgelegenheit zu wechseln.“
Sorgen musste man sich dann um Erich allerdings trotzdem nie machen, denn am Ende war er dann doch immer und überall da. „Meistens natürlich vor uns selbst. Keiner wusste dann, wie er hingekommen war, er selbst wohl auch nicht immer“, erinnert Kruschinski während einer würdigen Trauerfeier.
Die „Erich-Geschichten“ würden wohl ganze Bänder Schalker Fan-Erlebnisse füllen: Erich wie er verzweifelt versucht, seinen frisch erworbenen Esel in Trabzon mit in den Flieger zu nehmen, Erich – zum Entsetzen des Flugpersonals – mit brennender Zigarette im Mundwinkel beim Verlassen des Fliegers an der Turbine vorbei, Erich auf fremden Bahnsteigen umherirrend, umringt von Hunderten verdutzter Gästefans, lautstark Schalke-Lieder singend. Und Erich war bekanntlich auch der unfreiwillige Erfinder der sogenannten „Notfallkarte“. „Denn egal ob auswärts oder Heim, eine Eintrittskarte brauchte er zumeist nicht. Irgendwer nahm ihn – selbst wenn Spiel und Stadion schon seit Wochen bis auf den letzten Platz ausverkauft waren – immer mit ins Stadion“, weiß Kruschinski vom Phänomen Erich zu berichten.
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„Erich war, zumindest für unsere Generation, immer schon da. Eine treue Schalker Seele, aber kein Clown. Wer Erich ein klein wenig näher kennenlernte, der merkte schnell: Dieser Mensch ist sehr sozial, herzensgut, liebevoll, spendabel. Erich gab und teilte, wenn er hatte, immer und gerne. Seinen Schal, sein Bier, seine filterlosen Roth-Händle, und natürlich auch seine Kohle, wenn er denn mal wieder welche hatte“, so Kruschinski.
Der Kult-Fan lebte ein Leben voller Höhen und Tiefen. „Denn das Leben ist nun einmal wie der FC Schalke und nicht wie der FC Bayern. Und das ist auch gut so. Uns alle verband und verbindet die Liebe zu diesem Club und wenn es darauf ankommt, dann hält Schalke zusammen“, fasst Kruschinski zusammen, wie überwältigend die Spendebereitschaft der Schalker Fans gewesen ist. Und so ertönte in der Friedhofskapelle zum Abschied auch das Schalker Vereinslied, gefühlvoll mitgesungen von der großen Trauergemeinde: „1000 Freunde, die zusammenstehen“.