Gelsenkirchen. Vor allem Frauen ohne Wohnung oder Zuhause stehen im Zentrum von zwei neuen Projekten in Gelsenkirchen. „Sheltersuits“ helfen bei Frost und Nässe

Für das Projekt der Landesregierung „Endlich ein Zuhause“ zur gezielten Vorbeugung und Abhilfe bei Obdachlosigkeit oder Verlust der Wohnung kam Gelsenkirchen beim Start vor drei Jahren nicht in Frage. „Ein besonderer Handlungsbedarf wurde hier zunächst nicht gesehen“, gibt Dietmar Klobuschinski für das Sozialreferat weiter. „Vor allem aber sind wir bei dem Thema mit einem Netzwerk von Akteuren und Aktivitäten gut aufgestellt.“

Drei Sozialarbeiterinnen werden über das Landesprogramm bezahlt

Mit einer weiteren Auflage des NRW-Programms kam der Fokus auf weitere „Kümmerer-Projekte“ in 30 weiteren Städten und Kreisen. Zwei Vollzeit-Stellen über drei Jahre lassen sich nun auch hier in Zusammenwirken mit Caritas und Diakonie finanzieren. 480.000 Euro schießt die Landesregierung dazu, die Kommune einen Anteil von 48.000 Euro. „Das sind bei uns drei Sozialarbeiterinnen“, erklärt Samantha Davies, Projektleiterin beim Caritasverband. Sie arbeitet mit Angelique Schwarzbeck im Süden der Stadt, Nina Kapluck kümmert sich um Frauen im Norden.

Vor allem die eher verdeckte Wohnungslosigkeit von Frauen haben die Akteure damit im Blick, denn „Obdachlosigkeit ist eher ein von Männern besetztes Thema“, klärt die Sozialarbeiterin auf. Bernd Miny, Teamleiter bei der Caritas-Wohnungslosenhilfe, beschreibt: „Bei Frauen stellen wir andere Mechanismen fest, es spielt viel stärker die Scham hinein, dass sie denken: Bloß nicht auf die Straße, und sie geraten dann auch eher in richtig prekäre Situationen.

„Sie wollen nicht als wohnungslos identifiziert oder stigmatisiert werden. Sie suchen Unterschlupf bei Freundinnen oder Bekannten, gehen so genannte Zwangsgemeinschaften ein, um ein Dach über dem Kopf zu haben.“

Den Sheltersuit für Obdachlose, einen Schutzanzug aus recycelten Zelten und Decken, testet Bernd Miny noch im Hans-Sachs-Haus: „Taugt was“, urteilt der Caritas-Teamleiter Wohnungslosenhilfe.
Den Sheltersuit für Obdachlose, einen Schutzanzug aus recycelten Zelten und Decken, testet Bernd Miny noch im Hans-Sachs-Haus: „Taugt was“, urteilt der Caritas-Teamleiter Wohnungslosenhilfe. © Stadt Gelsenkirchen | Gerd Kaemper

Davies präsentiert auch Zahlen für Gelsenkirchen seit dem Anlaufen des Projekts „Endlich ein Zuhause“. Demnach sind seitdem 35 Fälle bearbeitet worden. Hintergrund seien zumeist Mietschulden, Räumungsklagen oder auch unangemessener Wohnraum. „Wir haben eine sechsköpfige Familie dabei, die in einem Zimmer massiven Schimmelbefall hatte. Tatsächlich kann die noch zu Weihnachten eine neue Wohnung beziehen.“

Fälle in Gelsenkirchen: Massiver Schimmelbefall oder zu geringe Rente

Zwölf der Fälle von drohender Wohnungslosigkeit hätten bereits abgeschlossen werden können - auch wenn viele der betroffenen Frauen auch anschließend noch betreut, begleitet und beraten würden. „Wir konnten helfen, Klageverfahren zu umgehen, oder bei Mietrückständen die Möglichkeiten des Sozialrechts zu klären“, erzählt Davis. „Wir hatten einen Fall, in dem eine Seniorin eine kleine Rente bekam, die für die Miete nicht ausreichte. Sie kann aber Hilfe zur Grundsicherung in Anspruch nehmen und ist nun wieder sicher.“

Gelsenkirchen hat da ausnahmsweise Vorteile“, schickt Abteilungsleiter Klobuschinski für die Sozialverwaltung bei einem Aspekt zum Thema vorweg. „Denn anders als zum Beispiel in Köln sieht der Wohnungsmarkt hier wesentlich entspannter aus.“ Bei großen Wohnungen für kinderreiche Familien sei die Vermittlung zwar schwer, aber seit dem Programmstart durchaus erfolgreich. Immerhin in 40 Prozent der betroffenen Familien gibt es mindestens ein minderjähriges Kind.

Fachstelle im Sozialreferat ist übergreifend aktiv

Außerdem bestünden in Gelsenkirchen enge und funktionierende Netzwerke bei drohender Wohnungs- oder ungewollter Obdachlosigkeit. „Schließlich haben wir im Sozialreferat auch ein ganzes Team, das zur Prävention eingreift.“ Und das schon, wenn das Stichwort „Mietschulden“ im Zusammenhang mit Transferleistungen falle, egal an welcher Stelle, ob im Jobcenter oder bei der Nachricht vom Amtsgericht über anhängige Räumungsklagen. „Wir schaffen es häufig, Ratenzahlungen auszuhandeln, oder wir übernehmen auch schon einmal die Mietschulden.“

Anlaufstellen in Gelsenkirchen

„Gelsenkirchen packt an! - Warm durch die Nacht“ versorgt montags, mittwochs und freitags um 20 Uhr am Hauptbahnhof Gelsenkirchen Wohnungslose mit Brötchen und Suppe. Info in der Facebook-Gruppe unter https://m.facebook.com/groups/Gelsenkirchenpacktan.warmdurchdienacht.

Arzt Mobil Gelsenkirchen e.V ist ein Kooperationsprojekt mit der Gelsenkirchener Caritas. Sozialarbeiter sind auf den Straßen unterwegs, bieten eine medizinische Versorgung und den Zugang zu weiteren Hilfen an. Infos unter http://arztmobil-gelsenkirchen.de

Das Wilhelm-Sternemann-Haus der Caritas in der Husemannstraße 52, 0209 201402, und das Weiße Haus der Caritas in der Hochstraße 80, 0209 349274, nehmen für ihre Kleiderkammern gerne Spenden entgegen. In Gelsenkirchen-Horst bietet die Diakonie mit evangelischen und katholischen Kirchengemeinden im Regenbogenhaus, Auf dem Schollbruch 47c, 0209 513348, obdachlosen Menschen Hilfen an.

Etwa 200 Menschen finden Platz in einer der städtischen Unterkünfte. Die Auslastung habe bei den kürzlich stark gefallenen Temperaturen bei 165 Plätzen gelegen, schildert Klobuschinski. Er überschlägt, dass etwa 70 Männer und sechs Frauen untergekommen seien, 84 Personen in Wohnungen, darunter eben besonders Familien.

Niederländischer Outdoor-Designer entwarf den Schutzanzug

Die Stadt hat außerdem von einer Erbschaft profitiert, die für arme Menschen in der Stadt bestimmt wurde. In den Niederlanden wurden damit 50 „Sheltersuits“ zum Preis von je 300 Euro angeschafft. Diese Schutzanzüge in verschiedenen Größen werden dort von ehemals obdachlosen oder geflüchteten Menschen aus recycelten, gespendeten oder gesammelten Schlafsäcken, Decken und Zelten hergestellt. „Die halten warm und die Nässe wirksam ab“, hat sich Bernd Miny überzeugt. Sie bestehen aus einer Kombination von Jacke mit Kapuze und innen liegendem Schal und einem Fußteil mit Reißverschluss.

„Die haben wir schon alle ausgegeben“, schließt Dietmar Klobuschinski, „etwa an Caritas und Diakonie, „Arzt mobil“ und „Warm durch die Nacht“. Und die sollen die sorgfältig verteilen.“ Immerhin konnten die „Sheltersuits“ rechtzeitig zu den Frostnächten angeschafft werden.

Übernachtungsmöglichkeiten für wohnungslose Frauen vermitteln der Caritasverband unter 0209 201402 sowie die Zentrale Fachstelle für Wohnungsnotfälle (ZFW) der Stadt unter 0209 169 2150. An die ZFW können sich alle wohnungslosen Menschen auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten oder nach anderen Hilfen wenden.