Gelsenkirchen. „Lehrerkind“ Bastian Bielendorfer steht in seiner Heimat Gelsenkirchen auf der Bühne. Wie die Witze auf Kosten der Oberbürgermeisterin ankommen.
Die Kirche ist voll, restlos ausverkauft. Die längst entweihte und kostspielig (14 Millionen Euro) zu Gelsenkirchens neuestem Kulturtempel umgebaute Heilig-Kreuz-Kirche ist an diesem Sonntagabend seine Bühne. Der bundesdeutschen Öffentlichkeit ist er als Lehrerkind, Comedian und seit jüngstem als mäßig talentierter Tänzer in der RTL-Show Let’s Dance bekannt. In seiner Heimatstadt Gelsenkirchen – die er längst zugunsten von Köln verlassen hat – war Bastian Bielendorfer zuletzt vor allem wegen seiner kritischen Äußerungen zur Entwicklung der Stadt und der darauffolgenden Reaktion von Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) in aller Munde.
Im Podcast „BrostCast - Reden übers Revier“ mit Hajo Schumacher hatte Bielendorfer unter anderem gesagt, dass er sich nicht vorstellen könne, wieder in Gelsenkirchen zu leben. Hier sei in den vergangenen 30 Jahren „alles verschlafen“ worden. Der Zustand der Stadt werde ihm dann besonders verdeutlicht, wenn er auf den Bühnen der Republik unterwegs sei. „Wenn ich durch Deutschland toure und nach Regensburg oder Freiburg komme, Städte, die ein normales Stadtbild aufweisen, dann ist das so diametral zu dem, was man in Gelsenkirchen erlebt – in Bezug auf Stadtentwicklung, Erlebnismöglichkeiten, auf Sauberkeit, auf alles. Da hätte ich mir manchmal gewünscht, woanders aufgewachsen zu sein.“
Gelsenkirchen-Schelte ruft sehr unterschiedliche Reaktionen hervor
Das waren Sätze, die in Gelsenkirchen erwartbar unterschiedlich gut bzw. schlecht ankamen. Während Bielendorfer auf der einen Seite viel Zuspruch erhielt, weil er schlicht ausspreche, wie es nun mal traurigerweise sei, hielten ihm andere vor, weggezogen zu sein, statt an Gelsenkirchens Entwicklung mitzuwirken. Die prominenteste Kritikerin war derweil zweifelsohne Oberbürgermeisterin Karin Welge.
Nach der WAZ-Berichterstattung über Bielendorfers Sicht auf Gelsenkirchen hatte Welge bei einer Diskussionsveranstaltung erklärt, sie habe Helmut Hasenkox [Anm. d. Red.: Emschertainment-Geschäftsführer] gesagt, sie möchte nicht, „dass der hier im nächsten Jahr noch einen Auftritt hat“. Das wiederum brachte der ersten Bürgerin der Stadt viel Kritik ein. Auch die WAZ kommentierte: „Es gibt mehr als genug zu tun in und für Gelsenkirchen, Zensur gehört nicht dazu!“
Welge erklärte später gegenüber dieser Redaktion, dass sie das nicht ernst gemeint habe: „Es war ein Scherz! Dies hat jeder, der offen und vorurteilsfrei zugehört hat, genauso aufgefasst“, so Welge.
Bastian Bielendorfer heimst Lacher auf Kosten von Karin Welge ein
Diese Vorgeschichte steigerte vor dem Auftritt Bielendorfers merklich die Erwartung des Publikums in der Heilig-Kreuz-Kirche. Wie wird der Comedian damit umgehen, ist Frau Welge gar seiner Einladung gefolgt und heute im Publikum?
Das war sie nicht, aber „den Elefanten im Raum“ sprach Bielendorfer gleichwohl mehrfach an. Nachdem er zunächst die Bahnhofstraße und ihre Besucher („The Walking Dead“) sowie den blau-weißen Kugelbaum durch den Kakao zog, unterstrich Bielendorfer, dass er OB Welge ja eingeladen habe, diese aber offensichtlich „doch lieber in Xanten geblieben ist.“
Mehrfach spielte der 38-Jährige mit dem unwahren Gerücht, das man in dieser Form in Gelsenkirchen aber immer wieder hört, Welge lebe ja gar nicht in Gelsenkirchen. „Xanten, leck mich am Arsch. Das kann ich nicht mal aussprechen, ohne die ersten drei Reihen zu duschen“, lispelte Bielendorfer. Die Sozialdemokratin hatte von 1998 bis 2011 als Beigeordnete und Kämmerin in Xanten gearbeitet, und obgleich ihre Familie nicht in Gelsenkirchen lebt und sie wie viele andere für einen Familienbesuch die Stadt verlassen muss, wohnt die OB sehr wohl in Gelsenkirchen.
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Die Lacher auf Kosten der OB waren Bielendorfer trotzdem sicher. Doch nicht nur dafür gab es für den Comedian viel Applaus. Seine Familien-Anekdoten, mit denen Bielendorfer auch schon zum Bestseller-Autor wurde, kamen in der ausverkauften Kirche ebenso gut an wie seine klare Positionierung für Liebe und Zusammenhalt und gegen „die Spaltung, den Hass und die Hetze der Faschos im Land und in Gelsenkirchen.“
Der letzte Auftritt seiner nun ausgelaufenen Show „Lustig, aber wahr!“, deren Einnahmen er komplett an die Kulturstätte „Wohnzimmer Gelsenkirchen“ spendet, wurde schlussendlich mit langanhaltenden stehenden Ovationen gefeiert.
„Gelsenkirchen, meine Heimat, ich liebe euch“, bedankte sich Bielendorfer sichtlich gerührt.