Gelsenkirchen. Das Theaterstück nach dem Buch von Saint-Exupéry feiert im Gelsenkirchener Kleinen Haus fantasievolle Premiere. Für welche Kinder es sich eignet.

Die Frage, ob „Der kleine Prinz“ ein Kinderbuch oder doch eher eines für Erwachsene ist, begleitet Antoine de Saint-Exupérys populäres Märchen seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1943. Dieses Rätsel kann auch die theatralische Umsetzung durch das Figurentheater am Musiktheater im Revier nicht gänzlich lösen. Das Opernhaus bietet den optisch fantasievoll inszenierten Weltklassiker mit philosophischem Tiefgang als Familienstück für Menschen ab sechs Jahren an. Die nicht ausverkaufte Premiere am Samstagabend im Kleinen Haus wurde mit lang anhaltendem, freundlichen Applaus bedacht.

Fantastisches Bühnenbild (Stefan Bleidorn), üppig-bunte Kostüme (Barbara Blaschke), eingängige Live-Musik (Ted Brasko) und drei ausgezeichnete Akteure sprechen aber auch die kleinsten Besucher direkt an und halten sie knapp über eine Stunde lang locker bei der Stange. Wenn gedankentiefe Dialoge sich ins Poetische und Philosophische verlieren, bleibt manches Verständnis aber vermutlich auf der Strecke und den älteren Zuschauern vorbehalten.

In der Wüste treffen sich ein abgestürzter Pilot und ein kleiner Prinz

Komponist Ted Brasko schlüpfte bei der Premiere von „Der kleine Prinz“ im Gelsenkirchener Musiktheater in noch weitere Rollen.
Komponist Ted Brasko schlüpfte bei der Premiere von „Der kleine Prinz“ im Gelsenkirchener Musiktheater in noch weitere Rollen. © MiR | Bettina Stöß

Eine halbrunde Leinwand begrenzt den Bühnenhintergrund. Nur mit Hilfe von Licht, Projektionen und Bühnennebel verwandelt sich der Raum sekundenschnell von der sonnengetränkten Wüste in die sternenfunkelnde Nacht, ins Weltall oder gar in einen Malblock. Die Sandfarbe signalisiert: Wir sind mitten in der Wüste angekommen. Hier ist ein wahrlich seltsames Gefährt gelandet: ein hölzernes Schiff mit Flugzeugpropeller am Bug und Rädern an der Seite, gehalten von einem großen Ballon. Von Bord geht der Pilot.

Aber er ist nicht allein gestrandet. Der kleine, kindliche Prinz hat seinen winzigen Planeten auf der Suche nach Freundschaft verlassen und begegnet in der kargen Landschaft dem abgestürzten Flieger. Der seltsame Prinz fordert vom Piloten: „Mal mir ein Schaf!“ So beginnt eine abenteuerliche Reise ins Reich der Fantasie. Zentrales Thema ist die Sehnsucht nach echter Freundschaft im Kampf gegen die Einsamkeit.

Das Gelsenkirchener Märchenspiel kommt mit einer kleinen, aber großartigen Crew aus

Die Inszenierung von Jörg Thieme in einer Textfassung von Carola Cohen-Friedlaender kommt mit einer kleinen Crew aus. Sie setzt unterschiedliche Medien abwechslungsreich ein, mischt Puppentheater und Schauspiel mit feinen Musicalmomenten. Zeitweise sehen die Zuschauer gar doppelt: So wird der kleine Prinz sowohl von einer strohblonden Puppe im grünen Matrosenanzug als auch von einer identisch gekleideten Schauspielerin verkörpert.

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Auch den Piloten gibt es doppelt, wobei die Puppe für ein Figurentheater seltsam selten zum Einsatz kommt. Seth Tietze führt geschickt, aber für den Zuschauer immer offen erkennbar die Prinzen-Puppe und gibt gleichzeitig ein glänzendes, intensives, sprachlich sehr präzises Schauspiel ab. Das unbewegliche Gesicht der Puppe verharrt allerdings mit großen Augen und offenem Mund in einer permanent staunenden Mimik, die nicht jeder Situation gerecht wird und dann verstörend befremdlich wirkt.

Wo in Gelsenkirchen eine Riesenschlange auf einen selbstverliebten Gockel trifft

Großartig das Auftauchen der riesigen, züngelnden Plüsch-Schlange aus dem Bühnenboden, herrlich der aufgetakelte, selbstverliebt singende Geck mit seinen roten Luftballons (alle Gloria Iberl-Thieme als wunderbare Spielerin). Sie erinnern den Prinzen an die Rose, die er liebt, die er zurücklassen musste und um die er sich sorgt. Stattdessen begegnet er nun staunend dem klugen König, der weiß, wo seine Grenzen beim Befehlen liegen. Der Wunsch des Prinzen, der Sonne das Aufgehen zu befehlen, funktioniert selbst bei einer königlichen Autorität nicht. Der schlaue Fuchs erklärt dem Prinzen, dass wahre Freundschaft auch Zeit braucht.

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Es ist Gloria Iberl-Thieme, die als Fliegerin in die unterschiedlichsten Rollen schlüpft, als Geschäftsmann ebenso glänzt wie als Geograf oder Geck. Auch dem Komponisten Ted Brasko fallen neben der passenden Musikbegleitung noch weitere Rollen zu. Er verwandelt sich in Rose, Schlange und Fata Morgana.

Das unterhaltsame Familienmärchen stellt in Gelsenkirchen nur scheinbar naive Fragen

Nur scheinbar stellt der Prinz naive Fragen. In Wahrheit thematisiert Saint-Exupéry in tiefgründelnden, poetischen Worten, die gerne zitiert werden, die großen Lebensthemen wie Liebe, Freundschaft, Sehnsucht, Macht und Ohnmacht („Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“).

Das diesjährige Weihnachtsstück des Musiktheaters verhandelt mit dem berühmten Bestseller des französischen Autors die großen Themen dieser Welt im Kleinen Haus, kurzweilig, facettenreich und fantasievoll. Ein zauberhafter Nachmittag für die Erwachsenen, ein Hingucker zum Staunen für die Kleinen. Zu jung sollten die Zuschauer sicherlich nicht sein, um der Geschichte tatsächlich folgen zu können.

Bis 8. Januar stehen noch 19 Aufführungen an

19 Aufführungen von „Der kleine Prinz“ sind ab Dienstag, 29. November, noch bis zum 8. Januar im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier geplant.

Infos und Tickets: 0209 409 72 00 oder unter www.musiktheater-im-revier.de