Gelsenkirchen. Riese in der Nische: Wie ein Gelsenkirchener Spezialunternehmen vom steigenden Rohstoffbedarf und Energiehunger profitiert.

Made in Germany steht hoch im Kurs, was GHH in Gelsenkirchen betrifft. Der Global Player gehört zu den Weltmarktführern für Spezialfahrzeuge für den Berg- und Tunnelbau. Der weltweite Rohstoffmangel und damit die gestiegene Nachfrage an wertvollen Metallen – insbesondere für die Herstellung elektrischer Antriebskomponenten – füllt die Auftragsbücher des erfolgreich agierenden Konzerns. Klares Indiz dafür: eine gut 40-köpfige internationale Interessentenschar, die sich parallel zur derzeit laufenden Leitmesse „bauma“ in München die Live-Präsentation des neuen mittleren Fahrladers LF-10 NEO auf dem Testgelände in Erle nicht entgehen lassen wollte. Selbst aus dem fernen Mexico reisten potenzielle Käufer an.

Post-Corona: Gestiegener Rohstoffmangel und Energiehunger bescheren Gelsenkirchener GHH-Betrieb volle Auftragsbücher

Made in Gelsenkirchen: der neue Fahrlader LF-10 NEO der Firma GHH bei der Präsentation auf dem Testgelände des Unternehmens an der Emscherstraße in Gelsenkirchen. In die Schaufel passen 4,6 Kubikmeter Gestein beziehungsweise zehn Tonnen. Das knapp zehn Meter lange Schwergewicht (28 Tonnen Betriebsgewicht) ist bis auf die Fahrerkabine (2,3 m) nur knapp zwei Meter hoch, 32 Stundenkilometer schnell und macht selbst bei einer Steigung von 25 Prozent nicht Halt.
Made in Gelsenkirchen: der neue Fahrlader LF-10 NEO der Firma GHH bei der Präsentation auf dem Testgelände des Unternehmens an der Emscherstraße in Gelsenkirchen. In die Schaufel passen 4,6 Kubikmeter Gestein beziehungsweise zehn Tonnen. Das knapp zehn Meter lange Schwergewicht (28 Tonnen Betriebsgewicht) ist bis auf die Fahrerkabine (2,3 m) nur knapp zwei Meter hoch, 32 Stundenkilometer schnell und macht selbst bei einer Steigung von 25 Prozent nicht Halt. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

„Nach drei Jahren Corona-Pandemie registrieren wir deutliche Nachholeffekte und eine Belebung unseres Geschäftes“, sagt Jan Olaf Petzold, Geschäftsführer der GHH Gruppe (GHH Gelsenkirchen, Mine Master Polen, GHH Südafrika), während das extra flache Kraftpaket seine 28 Tonnen Betriebsgewicht durch den knöcheltiefen Matsch auf dem Erler Testgelände wühlt – vorn in der riesigen Kippschaufel tonnenweise Gesteinsbrocken scheinbar spielerisch wuchtend.

Auch Sefa Öczan und Mehmet Bilgic sind unter den Gästen. Öczan ist Verkaufsleiter des türkischen Unternehmens Foramec, Bilgic seine rechte Hand. Zu ihrem Kundenkreis zählen mehrere Bergbauunternehmen, deren insgesamt 100 Fahrzeuge umfassender Fuhrpark in die Jahre gekommen sei, wie sie berichten. „Fünf bis zehn neue Fahrzeuge müssen ersetzt werden, daher sind wir hier“, sagt Sefa Öczan. Auf deutsches Know-how setzen sie „in erster Linie wegen der Robustheit und Langlebigkeit der Fahrzeuge“.

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Die Erler bieten unter anderem Fahrlader und Muldenkipper mit Nutzlasten von einer bis 21 Tonne(n) an. Extrem robust konstruiert, niedrig gebaut, äußerst wendig und kräftig motorisiert kommen sie in Bergwerken zum Einsatz. Der LF-10 NEO beispielsweise ist fast zehn Meter lang, dabei aber nur knapp zwei Meter hoch – die Fahrerkabine mit 2,3 Metern ausgenommen.

GHH-Gruppe: Umsatz im oberen dreistelligen Millionenbereich, 80 Spezialfahrzeuge verlassen jährlich das Gelsenkirchener Werk

Jan Petzold ist der Geschäftsführer der GHH-Gruppe.
Jan Petzold ist der Geschäftsführer der GHH-Gruppe. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Jan Petzold nimmt das Lob der Kundschaft mit Freude entgegen. Der GHH-Chef hat zudem noch ein paar andere Leistungsdaten parat, die die internationalen Gäste beeindrucken: „Zehn Tonnen Nutzlast in der Kippschaufel, 240 KW oder 327 PS, 32 Stundenkilometer schnell, Entleerung in nur 2,6 Sekunden, der Lader bewältigt bis 25 Prozent Steigung und das Ganze ist auch mit E-Motor verfügbar.“

Selbst Fernsteuerung ist laut Petzold kein Problem und der Umgang mit dem Lader lässt sich bequem per VR-Brille erlernen. Damit hat der Minen-Koloss der Konkurrenz „einiges voraus“. Denn Zeit ist auch bei der Jagd nach Gold, Kupfer, Zink und Chrom in den zahllosen Minen und Bergwerken rund um den Globus bares Geld.

„Wir als Unternehmen profitieren derzeit vom starken Rohstoff- und Energiehunger“, so Petzold weiter. Auch wenn für solch ein Fahrzeug ein mittlerer sechsstelliger Betrag zu bezahlen ist, scheint es sich für die Abbauunternehmen zu rechnen. Immerhin verlassen rund 80 dieser Spezialmaschinen das Gelsenkirchener Werk pro Jahr. Zudem lassen sich ältere Fahrzeuge überholen und wieder einsetzen. Was, zusammen mit den anderen Standorten, den Global Player auf „einen Jahresumsatz im dreistelligen Millionenbereich“ katapultiert.

Zeichen stehen auf Wachstum, aber: Fachkräfte sind rar, vor allem Servicetechniker sind gesucht

Der neue Fahrlader LF-10 NEO der Firma GHH Gelsenkirchen. 80 Spezialfahrzeuge verlassen pro Jahr das Gelsenkirchener Werk an der Emscherstraße. 200 Beschäftigte arbeiten dort, gesucht werden dringend Servicetechniker, aber auch Kfz-Mechaniker, Bauschlosser, Konstrukteure und Ingenieure.
Der neue Fahrlader LF-10 NEO der Firma GHH Gelsenkirchen. 80 Spezialfahrzeuge verlassen pro Jahr das Gelsenkirchener Werk an der Emscherstraße. 200 Beschäftigte arbeiten dort, gesucht werden dringend Servicetechniker, aber auch Kfz-Mechaniker, Bauschlosser, Konstrukteure und Ingenieure. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Aus unternehmerischer Sicht stehen die Zeichen auf Wachstum, theoretisch. Denn wie so vielen Unternehmen fehlt auch dem Spezialisten GHH kompetentes Personal, um noch leistungsfähiger und erfolgreicher zu sein. Das gibt der Chef ohne Umschweife zu. „Bauschlosser, Kfz-Mechaniker, Konstrukteure, Ingenieure – die können wir sehr gut gebrauchen“, sagt Jan Petzold. Allein am Gelsenkirchener Standort könnten sofort zehn neue und vor allem Servicetechniker eingestellt werden. Wenn sie denn der Markt nur hergäbe. Für das Unternehmen tätig sind weltweit mehr als 1000 Beschäftigte, allein in Gelsenkirchen sind es 200.

Absatzmärkte der GHH-Gruppe

Die GHH-Gruppe ist ein weltweit tätiges Unternehmen. Ihre Kunden kommen aus Südafrika, Kanada, Südamerika und Asien (Indien). Dort befinden sich große Minen und Bergwerke.

Zu den Absatzmärkten der Spezialfahrzeuge zählt auch Russland. Wegen des verhängten Embargos durch den Ukraine-Krieg wird dieser Markt zurzeit aber nicht bedient.

Der Fachkräftemangel kann Petzold an diesem windigen und nassen Oktobertag aber nicht die Laune trüben. Denn: In den Auftragsbüchern stehen schon eine ganze Reihe von Bestellungen – „auch für den jüngsten Spross unserer Laderfamilie – und zwar ganz frische“.