Gelsenkirchen-Bismarck. 2019 flog Lars Pronk der Betrieb um die Ohren. Eine Explosion zerstörte seine Werkstatt in Gelsenkirchen. So hat sich das Team zurückgekämpft.

Etliche Autos und Transporter stehen aufgereiht auf dem Firmenhof. Darunter etliche betagtere Kleinwagen, die demnächst in den Export gehen sollen. In zwei Werkstatthallen läuft das normale Kfz-Tagesgeschäft. Hier wird an Bremsen geschraubt, dort läuft die Motordiagnose, ein Karosserieschaden wird gerichtet. Alltag in einer freien Autowerkstatt. Fast drei Jahre hat es gedauert, bis der Gelsenkirchener Kfz-Meister Lars Pronk diesen Zustand wieder erreicht hat. Im November 2019 war ihm sein Betrieb buchstäblich um die Ohren geflogen.

Der Betrieb flog dem Gelsenkirchener buchstäblich um die Ohren

Eine Explosion zerfetzte damals eine Halle, verwüstete Teile des Geländes, eine schwarze Rauchsäule überzog halb Bismarck. Ein Auszubildender wurde bei dem Unglück verletzt, der Werkstatthund „Buddy“ verstarb sogar.

„Es hat noch fast drei Monate gedauert, bis man wirklich realisiert hat, was da passiert ist. Und dass es am Ende des Tages noch richtig gut gelaufen ist für das, was passiert ist. Vor allem, dass wir weiterarbeiten konnten, dass uns zwei befreundete Werkstätten geholfen haben und auch die Kunden zu uns gestanden haben, ist ja nicht selbstverständlich“, sagt Lars Pronk. 53 ist der Kfz-Meister mittlerweile, bis 2011 hat er für ein Ford-Autohaus gearbeitet. Dann übernahm er mit seiner Frau Jennifer den väterlichen Betrieb, den Günther Pronk an der Kanalstraße 18 aufgebaut hatte.

Teile des Werkstatt-Daches und der Giebelwände wurden auf die Straße geschleudert

Gut zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis der Ersatzbau stand. Die neue Halle ist etwas größer als der alte, zerstörte Bau, damit auch Transporter und Wohnmobile auf die Hebebühnen genommen werden können.
Gut zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis der Ersatzbau stand. Die neue Halle ist etwas größer als der alte, zerstörte Bau, damit auch Transporter und Wohnmobile auf die Hebebühnen genommen werden können. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Rückblende: Zwei Werkstatt-Hallen, eine mit Tonnen-Wellblechdach für Arbeiten an Karosserie und Motoren, die andere, etwas modernere für Elektronik- und Motordiagnose, Klimaanlagencheck oder TÜV-Abnahme standen 2019 auf dem Firmengelände – bis zu jenem verhängnisvollen 14. November, einem Donnerstag. Gegen 15.10 Uhr kam es zum großen Knall: Die Wucht der Explosion zerstörte die Diagnose-Halle, Teile des Werkstatt-Daches und der Giebelwände aus Stahlblech wurden bis auf die Straße und auf dort geparkte Autos geschleudert, einzelne Bruchstücke flogen bis aufs nahe Consol-Areal. In der Halle selbst brach ein Brand aus, der das restliche Interieur und mehrere Fahrzeuge zerstörte. Rund 30 Einsatzkräfte der Feuerwehr bekämpften unter anderem von zwei Drehleitern aus die Flammen, erstickten Glutnester unter einem dicken Löschschaumteppich.

Sechs Personen befanden sich zur Unglückszeit auf dem Gelände

Totalschaden: 30 Kräfte der Gelsenkirchener Feuerwehr löschten 2019 den Brand in der Werkstatt. Teile der Halle wurden durch die Explosion bis aufs Consol-Gelände geschleudert.
Totalschaden: 30 Kräfte der Gelsenkirchener Feuerwehr löschten 2019 den Brand in der Werkstatt. Teile der Halle wurden durch die Explosion bis aufs Consol-Gelände geschleudert. © Nikos Kimerlis

Ein Auszubildender wurde leicht verletzt. Er konnte sich retten, wie auch die anderen Beschäftigten. Sechs Personen befanden sich damals auf dem Gelände – und dazu wohl auch noch etliche Schutzengel. Ein Defekt am Gastank eines Pkw hatte das Unglück ausgelöst.

Pronk und seine Belegschaft standen fassungslos vor den Trümmern des Betriebs. „Doch eigentlich war von Anfang an klar, dass wir weitermachen. Selbstverständlich gab es Sorgen und Ängste. Du weißt ja nicht, was die Versicherung zahlt. Aber man hat ja auch Verantwortung für seine Kunden und die Mitarbeiter“, sagt Pronk.

Nach wenigen Tagen lief der Werkstattbetrieb bereits wieder weiter

Mehrere Kundenfahrzeuge wurden bei dem Unglück zerstört. Ausgelöst wurde das Unglück bei Arbeiten an einem Wagen mit Gasantrieb.
Mehrere Kundenfahrzeuge wurden bei dem Unglück zerstört. Ausgelöst wurde das Unglück bei Arbeiten an einem Wagen mit Gasantrieb. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Knapp 14 Tage nach dem Unglück hatte sich das Team schon wieder soweit sortiert, dass die Arbeit in der verbliebenen Halle weitergehen konnte. Damals war für den Chef und seine Frau klar: „Wir bauen neu. In einem Jahr steht die neue Halle.“

Nun, so schnell ging es dann doch nicht. „Corona und einige andere Schwierigkeiten kamen dazwischen“, sagt Pronk. Zuletzt war es vor allem problematisch, Firmen für die Bauausführung zu finden. Auch wenn nur ein gleichgroßer Werkstatttrakt errichtet werden sollte: „Es gab ja keinen Bestandsschutz mehr“, so Pronk.

So musste ein komplett neuer Bauantrag gestellt werden, halt mit allem, was Behörden und Baugesetzbuch von Grundwasserschutz bis zur Lärmemission auch von einem kleinen Handwerksbetrieb fordern. All das hat gedauert. Drei Jahre lang. Und Pronk ging ins finanzielle Risiko. Er hat einen Kredit aufgenommen. Zusammen mit der Versicherungssumme hat er an die 270.000 Euro in den Bau investiert, an die 60.000 Euro zusätzlich in die Werkstattausstattung.

Die Halle wird mit Gas beheizt – bei der Planung schien das noch sinnvoll

Aus gedämmten Sandwichplatten über den Stahl-Stützen wurde der Neubau errichtet. Unter dem Dach sitzen die Heizgebläse der Gasheizung. „Als wir das entschieden haben, schien Gas noch die sinnvollste Lösung“, sagt Pronk. Nun hilft erstmal nur eine Portion Fatalismus: „Wir stehen ja noch vor unserer ersten Heizperiode. Mal sehen, was der Winter bringt.“

Die neue lichtgraue Halle ist seit knapp drei Monaten in Betrieb. Ein solider Zweckbau mit kleinem Anbau, in dem Pronk und seine Frau ihr Büro eingerichtet haben. Zwei Rolltore, zwei Hebebühnen, Bremsenprüfstand, Diagnosetester und Klimaservicegerät gehören zur Ausstattung. Alles nagelneu. In einem Regal lagern Filtersätze, Schmiermittel und Betriebsflüssigkeiten – was man eben so braucht, um den Betrieb am Laufen zu halten.

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Zumindest die Coronazeit hat den eigentlichen Betrieb nicht weiter belastet. Im Gegenteil, sagt Pronk. „Wir sind ganz gut durch die Zeit gekommen. Vielleicht lag es am Homeoffice. Da hatten mehr Leute Zeit, ihre Autos zur Reparatur zu geben.“ Im Schnitt, schätzt der Kfz-Meister, landen die Kfz der Kundschaft „so nach dem sechsten Jahr“ in seiner freien Werkstatt. Zunehmend sind es auch Hybridfahrzeuge.

Pronk stellt sich auf die Veränderungen der mobilen Zukunft ein: „Ich habe einen Gesellen, der alle Lehrgänge dafür hat“, sagt der 53-Jährige. Und auch die nächste Stufe der Antriebs-Evolution wird er angehen: „Da kommt demnächst ja noch Wasserstoff dazu.“

Ein Werkstatt-Fest zur Einweihung

In ihrem Betrieb beschäftigen Lars und Jennifer Pronk drei Gesellen, einen Auszubildenden und zwei Aushilfen. Malek Alssiah, einer der heutigen Gesellen, kam 2016 als syrischer Flüchtling nach Gelsenkirchen und machte bei Pronk seine Ausbildung.

Eingeweiht wird die neue Halle am Samstag, 1. Oktober, ab 10 Uhr, mit Bratwurst und Getränken. Es wird auch ein Fest unter Nachbarn. Pronk: „Wir haben viele Stammkunden aus dem Haverkamp.“