Gelsenkirchen-Bismarck. Teile der Werkstatt: Totalschaden. „Doch wir haben viel Glück gehabt“, sagt der Gelsenkirchener Lars Pronk. Sein Betrieb läuft mit Hilfe weiter.

Auch zwei Wochen nach dem großen Knall an der Kanalstraße sitzt der Schrecken noch tief, ist der Moment der Katastrophe nah. „Die Bilder kriegt man nicht so leicht aus dem Kopf“, sagt Lars Pronk. Die Hälfte seines Betriebs flog ihm um die Ohren, die Existenz des Werkstattchefs wurde schwer angeschlagen. Dennoch sagt er: „Wir haben riesiges Glück gehabt.“ Und: „Es geht weiter. Wir haben ein gutes Netzwerk, das uns hilft. Gott sei Dank.“

Der Betrieb geht weiter: Geselle Erkan Kuyubasi (r.) und Kfz-Meister Lars Pronk in der Werkstatthalle, die die Explosion überstanden hat.
Der Betrieb geht weiter: Geselle Erkan Kuyubasi (r.) und Kfz-Meister Lars Pronk in der Werkstatthalle, die die Explosion überstanden hat. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Der Sachschaden in der freien Werkstatt in Bismarck ist riesig, die Erleichterung allerdings auch. Pronks Auszubildender, mit dem er in der Halle war, erlitt Verbrennungen an Armen und im Gesicht und ist noch krank geschrieben, ansonsten blieb seine Belegschaft aber verschont. „Als ich nach der Explosion wieder auf den Beinen war und sah, dass da die Kollegen standen, war erstmal alles in Ordnung.“

Den Gastank beschädigt

Bis tief in die Nacht waren Feuerwehrkräfte am Tag der Explosion vor Ort. Gegen die Flammen breiteten sie einen Schaumteppich aus.  
Bis tief in die Nacht waren Feuerwehrkräfte am Tag der Explosion vor Ort. Gegen die Flammen breiteten sie einen Schaumteppich aus.   © Erkan Kuyubasi

Donnerstag, 14. November, gegen 15 Uhr. „Den Tag vergessen wir nicht mehr“, sagt Jennifer Pronk. Ihr Mann arbeitete in der Werkstatt gerade an einem Fiat. Ein Gasfahrzeug. Was er nicht wusste. Der Tank wurde versehentlich angebohrt. Gas trat aus. „Es zischte leise. Da macht man sich nicht sofort einen Kopf, aber als ich den Geruch wahrgenommen habe, habe ich nur noch zu meinem Azubi gesagt: Raus aus der Halle.“ Lars Pronk schob noch das Rolltor der Werkstatt hoch, wollte lüften, „doch dann kam schon die Explosion. Es hat fürchterlich gerumst. Ich wurde durch die Luft gedrückt, dann kam direkt die Feuerwalze.“ Eine fette schwarze Rauchwolke zog unmittelbar nach den Knall über die Kanalstraße. Wenig später kam die Feuerwehr, dämmte bis zum Abend die Flammen ein.

Arbeits-Alltag unter erschwerten Bedingungen

14 Tage nach der Explosion auf dem Werkstatthof ist so etwas wie Arbeits-Alltag unter erschwerten Bedingungen zurückgekehrt: Etliche Kunden haben ihre Fahrzeuge zur Reparatur abgegeben. „Glücklicherweise halten sie uns die Treue“, sagt der 50-Jährige. Ein Schlagschrauber rattert hinter einer Werkstatttür. Dort arbeiten Pronks Gesellen gerade an drei Fahrzeugen. Hier ein neues Radlager, dort ein Ölservice. Kleines Mechaniker Einmaleins.

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Nur noch ein Trümmerhaufen blieb von der Halle. Auf den Hebebühnen stehen noch drei ausgebrannte Autos.
Nur noch ein Trümmerhaufen blieb von der Halle. Auf den Hebebühnen stehen noch drei ausgebrannte Autos. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Ein KÜS-Prüfer – die Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger führt wie die Dekra bei Pronk Kfz-Hauptuntersuchungen durch - ist zur Nachkontrolle eines Fahrzeugs vor Ort, im engen Büro, aufgeheizt durch einen Kohleofen, klingelt permanent das Telefon. Jennifer Pronk hält die Stellung. Bei Kunden und Besuchern ist die Explosion Thema. Alle wollen wissen, wie es geht, vor allem wie es weiter geht. Befreundete Werkstätten haben Unterstützung angeboten. So lange dem Meisterbetrieb die technischen Mittel vor Ort fehlen, kann er wohl auf Unterstützung hoffen. „Man kennt sich in der Branche. Wir waren nie Konkurrenten“, sagt Lars Pronk. Kollegen aus Rotthausen und Schalke, Sutum und Bulmke boten ihre Hilfe an, ein Gerät zur Motordiagnose hat er geliehen bekommen, in ein paar Tagen kann er sich von einer Werkstatt in Lünen eine Hebebühne abholen.

Auszubildender kam als Flüchtling aus Syrien

Glück gehabt: Erkan Kuyubasi, Lars Pronk, Nevzat Bekmezci und Malek Alssiah (v.l.) waren am Tag der Explosion im Betrieb.
Glück gehabt: Erkan Kuyubasi, Lars Pronk, Nevzat Bekmezci und Malek Alssiah (v.l.) waren am Tag der Explosion im Betrieb. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Wenn alles gut geht, Versicherung und Verwaltungen mitspielen, rechnet Pronk, dass er in rund einem Jahr wieder auf dem alten Stand ist, aber mit einer neu errichteten Halle. Eine lange Durststrecke. Alle im Betrieb scheinen sicher, dass sie die gemeinsam überstehen. „Das ist fast wie die eigene Werkstatt. Ich bin hier groß geworden“, sagt Erkan Kuyubasi, der als 16-Jähriger 1988 bei Pronk seine Ausbildung angefangen hat und als Geselle geblieben ist. Seit 1998 arbeitet Nevzat Bekmezci im Betrieb. Auch er betont: „Das ist fast wie Familie. Wir stehen zueinander.“ Aus Syrien ist Malek Alssiah geflohen. Bei Pronk hat er vor drei Jahren ein Praktikum gemacht. „Der Junge war so gut, dass ich ihm eine Ausbildung angeboten habe.“ Im dritten Lehrjahr ist Alssiah nun und glaubt an seine Job-Zukunft.

Trümmerhaufen aus Blech und Metall

Doch noch stehen alle auch vor einem abgesperrten Trümmerhaufen aus Blech und Metall. Die Klimawartung, die Spureinstellung, der Bremsenprüfstand und die Technik für die Motordiagnose: alles zerfetzt, zerbeult, verbrannt, demoliert. „Alle wichtigen Teile sind kaputt“, sagt Jennifer Pronk. Auf drei Hebebühnen hängen in der explodierten Halle noch ausgebrannte Autowracks. Rundum liegt zerstreut und zerstört, was erst die Detonation, dann Feuer und später Wasser und Löschschaum der Feuerwehr getroffen hat. Bald soll das große Aufräumen beginnen, wenn die Versicherung grünes Licht für ein Abbruchunternehmen gibt.

Betrieb wurde vom Vater gegründet

Die Kfz-Werkstatt hat der Vater von Lars Pronk gegründet. Zunächst betrieb die Familie einen Autozubehörhandel an der Bickernstraße. „Vor gut 30 Jahren haben wir dann hier das Grundstück an der Kanalstraße gekauft und bebaut“, sagt Pronk.

Er selbst hat bei Ford gelernt und zunächst auch gearbeitet, ist dann aber „auf Bitten des Vaters irgendwann doch hier gelandet.“ Als freie Werkstätte repariert und wartet der Meisterbetrieb alle Marken.

Die zweite Werkstatthalle, eigentlich der Ort für die groben und Motor-Arbeiten, ist heile geblieben. Dort konzentriert sich jetzt die Arbeit. Kuyubasi war am Tag der Explosion gerade in dieser Halle, eigentlich nicht sein Hauptarbeitsplatz. „Aber irgendwas hat mich rüber getrieben“, sagt er. Die Kollegen haben noch gefrotzelt: ,Geh rüber in deine Halle’. Und dann flog uns schon alles um die Ohren.“ Smartphones werden gezückt. Mit Bildern vom Feuerwehreinsatz, vom Schaum-überfluteten Werkstatthof, von lodernden Flammen, verbogenen Bauteilen. Und von einem weißbraun gefleckten Hundegesicht. „Das ist Buddy“, einer der beiden Werkstatthunde, sagt Kuyubasi. „Er hat es nicht geschafft. Da kommen einem fast die Tränen.“