Gelsenkirchen. Jetzt setzt Gelsenkirchen Radartechnik im Ordnungsamt ein. Das macht über die Stadt hinaus Eindruck – wird das Müllproblem aber nicht lösen.

Künstliche Intelligenz im Kommunalen Ordnungsdienst: Spielplätze und Schulhöfe, auf denen es besonders oft zu Ordnungswidrigkeiten kommt, sollen in Gelsenkirchen künftig im 90-Meter-Umkreis mit Radartechnik zielgenau überwacht werden. Das Pilotprojekt erregt schon vor seinem offiziellen Start über die Stadtgrenzen hinweg Aufmerksamkeit. Thomas Richter – Leiter der städtischen Leitstelle für Sicherheit und Ordnung – beantwortet, kurz vor einem Pressetermin zu dem Thema in Köln, im WAZ-Interview alle wichtigen Fragen.

Herr Richter, zuletzt hieß es im Juni, Sie wollen die neue Radartechnik auf dem Spielplatz Robert-Koch-Straße zuerst testen. Wann genau ist es soweit? Und wird das der einzige Standort sein?

Thomas Richter: Ich bin optimistisch, dass wir im Oktober an der Robert-Koch-Straße starten können und die Technik dort erstmalig für etwa ein halbes Jahr ausprobieren können. Weitere Standorte, die in der Planung sind, sind die Grundschulen an der Grillostraße und am Dörmannsweg. Außerdem kommen die Spielplätze an der Elisabethstraße/Weberstraße sowie an der Carl-Mosterts-Straße infrage. Insbesondere bei den Schulen müssen wir aber noch technische Fragen klären.

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An diesen Standorten kommt es offenbar besonders oft zu Ordnungswidrigkeiten...

Die Standorte wurden nach der Beschwerdelage, aber auch nach den infrastrukturellen Voraussetzungen ausgewählt. Für die Radargeräte benötigen wir Strom und WLAN. Deswegen bieten sich Schulhöfe an, die alle gut mit Internet versorgt sind. Wenn wir von einer hohen Beschwerdelage sprechen, dann geht es übrigens nicht immer um die schwerwiegendsten Ordnungsverstöße, sondern oft um Fehlnutzung. Spielplätze dürfen in Gelsenkirchen nur bis maximal 20 Uhr, im Winter nur bis Einbruch der Dunkelheit genutzt werden. Auf den zwei Schulhöfen kommt es zwar auch öfter zu Vandalismus, aber das ist eher Thema der Polizei.

Es geht also nicht darum, mit der neuen Technik direkt zu prüfen, was einer auf einem Spielplatz oder Schulhof macht, sondern vielmehr darum, dass sich dort überhaupt jemand aufhält?

Ganz richtig. Es sind ganz einfache Anwendungsfälle. Wir müssen nicht wissen, was die Leute dort machen, ob sie Alkohol trinken, Shisha rauchen oder laut Musik hören. Es geht darum, dass sich dort jemand aufhält, wenn er sich dort nicht aufhalten soll. Deswegen bietet sich auch die Radartechnik an: Über den Radar sieht man die Menschen lediglich dargestellt als kleine Punkte.

Warum vereinfacht das die Arbeit für den Kommunalen Ordnungsdienst?

Einen Standort wie den Spielplatz an der Robert-Koch-Straße begehen wir präventiv mehrmals am Tag. In neun von zehn Fällen treffen wir dort aber niemanden an. Diese neun Fahrten möchte ich uns gerne ersparen. Es geht darum, denn KOD effizienter einzusetzen und die Mitarbeitenden wirklich nur dorthin zu schicken, wo es auch wirklich Hinweise auf eine Ordnungswidrigkeit gibt.

Thomas Richter, Leiter der städtischen Leitstelle für Sicherheit und Ordnung in Gelsenkirchen, freut sich über den Einsatz der neuen Radartechnik in Gelsenkirchen, räumt aber zugleich ein: „Die Technik wird uns bei der Müllproblematik vermutlich nicht nach vorne bringen.“
Thomas Richter, Leiter der städtischen Leitstelle für Sicherheit und Ordnung in Gelsenkirchen, freut sich über den Einsatz der neuen Radartechnik in Gelsenkirchen, räumt aber zugleich ein: „Die Technik wird uns bei der Müllproblematik vermutlich nicht nach vorne bringen.“ © Foto: Martin Möller / FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Radartechnik spart also auch Personalkosten. Steht diese Einsparungen im Verhältnis zu den Kosten für die Technik?

Die Kosten für die Technik hält sich in Grenzen und liegen pro Gerät bei etwa 2000 Euro. Und dabei sprechen wir schon von einem Highend-Gerät. Wir können also wirtschaftlich mit der Technik arbeiten.

Kann die Radartechnik noch ausgebaut werden?

Ja, wir können und wollen das Gerät so trainieren, dass es beispielsweise auch erkennt, wenn sich Hunde auf Spielplätzen aufhalten. Sie haben dort nichts verloren. Natürlich wollen wir nicht, dass sich der Radar schon meldet, wenn ein Vogel über den Spielplatz fliegt, aber dass es sich um ein Hund handelt, wird man anhand von Geschwindigkeit und Masse gut feststellen können.

In einem WDR-Beitrag zu der neuen Technik hieß es, auch Gelsenkirchens Müllproblem könne durch die neue Technik beseitigt werden. Planen Sie auch den Einsatz an Müllcontainern?

Ich war nicht glücklich darüber, dass die Verbindung in dem TV-Beitrag gemacht wurde. Denn ganz offen gesagt: Die Technik wird uns bei der Müllproblematik vermutlich nicht nach vorne bringen. Zunächst ist der Müll kein Thema des Ordnungsdienstes, hier sind die Mülldetektive von Gelsendienste im Einsatz. Zum anderen halten sich die wenigsten über längeren Zeitraum an einem Müllcontainer auf. Die meisten machen den Kofferraum auf, liefern ihren Müll ab und sind schnell wieder weg. Da macht es wenig Sinn, diese Leute per Radar zu erfassen.

Es war erst auch angedacht, das Pilotprojekt zur künstlichen Intelligenz in einer optisch-elektronischen Variante, also mit Kameras, zu testen. Klingt noch zielführender. Warum ist das nichts geworden?

Das wäre tatsächlich unsere favorisierte Variante gewesen. Aber wir sehen hier noch datenschutzrechtliche Probleme. Wir arbeiten hier aber an einer Lösung. Ich bin optimistisch, dass wir die Variante auch in Gelsenkirchen irgendwann testen können. Wir sind aber noch nicht so weit.

KI trifft KOD: Hier am Spielplatz Robert-Koch-Straße soll das Pilotprojekt des Kommunalen Ordnungsdienstes in Gelsenkirchen erstmalig erprobt werden,
KI trifft KOD: Hier am Spielplatz Robert-Koch-Straße soll das Pilotprojekt des Kommunalen Ordnungsdienstes in Gelsenkirchen erstmalig erprobt werden, © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Was muss dafür zunächst geschehen?

Datenschutz ist immer Interessensabwägung: Die Individualinteressen stehen den Interessen der Öffentlichkeit gegenüber. Es gilt erst nachzuweisen, dass man andere Maßnahmen, die weniger einschneidend sind, ausprobiert hat und diese nicht zielführend waren. So konnte man etwa in der Stadt Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz eine Lösung mit dem Datenschutzbeauftragten finden, um Videoüberwachung mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz umzusetzen, nachdem man dort erst zahlreiche andere Maßnahmen ausprobiert hat.

Datenschutz ist das eine, die gesellschaftliche Akzeptanz das andere. Würden sich Familien nicht komisch fühlen, wenn sie auf dem Spielplatz von einer Kamera angeguckt werden?

Die Kamera würde ja nicht direkt Bilder von den Personen übermitteln, sondern Bewegungsmuster erkennen, die intelligent ausgewertet werden und so einen Hinweis geben, was vor Ort passiert. Aber klar: Die Aufklärungsarbeit müsste dann noch intensiver sein. Aufklärung wird aber auch bei den Sensoren ein wichtiges Thema. Auch hier wollen wir Hinweisschilder anbringen und viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben. So kommt es idealerweise auch sofort zur Abschreckung.

Und wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Geräte nicht innerhalb kürzester Zeit selbst Opfer von Vandalismus werden?

Die Geräte sind sehr stabil, man wird sie nicht zerstören können, wenn man einen Tennisball dagegen wirft. Und wir wollen sie mindestens in einer Höhe von sechs Metern anbringen.