Gelsenkirchen. Die WAZ hat ihre Leser gefragt: Was fehlt Ihnen in den Gelsenkirchener Zentren? Das sind die ernüchternden Gründe für das schlechte Abschneiden.
Bahnhofstraße vs. Hochstraße – wie steht es um die Zentren? Wer Gelsenkirchen kennt, für den ist das Ergebnis vorhersehbar. Ende Januar hatte die WAZ Gelsenkirchen ihre Innenstadt-Umfrage gestartet – und rund 1000 Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener haben sich beteiligt. Was fehlt Ihnen in der Altstadt und in Buer? Fühlen Sie sich dort wohl oder meiden Sie die beiden Einkaufsmeilen? Und wenn ja, warum – mit diesen Fragen ging es ins Rennen. Die Antworten sind teils bedrückend und ernüchternd.
Exklusive WAZ-Umfrage: Das sind die Gründe fürs schlechte Abschneiden der Zentren
Bei der Auswertung ergab sich ein deutliches Bild, das man für die Bahnhofstraße folgendermaßen nachzeichnen könnte: Die einstige Flaniermeile der Stadt ist zu einem Ort geworden, den die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener meiden. Nur wenige der Befragten verbringen dort überhaupt gerne und freiwillig mehrere Stunden ihrer Freizeit im Monat.
Zu wenig hochwertige Angebote, zu wenig Atmosphäre, zu viel Müll, zu viele Bettler, zu viele Migranten – das ist die traurige Auflistung von Gründen unserer Umfrage-Teilnehmer, warum sie sich auf und an der Bahnhofstraße nicht mehr wohl fühlen.
„Es fehlt einfach der Anreiz hier zu kaufen. Insgesamt strahlt diese Einkaufstraße keine ,Wohlfühlatmosphäre’ aus, sich hier länger als nötig aufzuhalten. Zudem gibt es kaum noch brauchbare Geschäfte. Leider gibt es hier immer mehr Menschen, die zum Großteil sehr fordernd und aufdringlich nach Geldspenden fragen“, so eine Antwort, die noch zurückhaltend formuliert ist. Genau wie diese hier: „Die guten Geschäfte machen nach und nach zu. Die Gesellschaft dort hat sich stark verändert“.
Andere Antworten beschreiben das „Gefühl von Bedrohung“, andere übermitteln die „Angst vor Diebstählen, Pöbeleien, wenig Rücksichtnahme in „Corona-Zeiten“, Gedrängel, kein Abstandhalten; leider größtenteils ein unangenehmes Publikum“. Und es geht in der Klarheit weiter: „Geschäfte bestehen fast nur aus Ein-Euroshops und Billigläden. Rundherum nur Friseure, Shisha Bars. Keine ansprechenden Restaurants und Cafés. Die Bahnhofstraße macht einen ungepflegten Eindruck. Hinter dem Bahnhof in der Neustadt denkt man, man befindet sich in einem anderen Land. Man fühlt sich als Fremder in seiner eigenen Stadt und sehr unwohl.“
„Der Dreck überall ist kaum zu ertragen. Ich weiß, dass die Innenstadt regelmäßig gereinigt wird. Aber es liegt auch an den Menschen, die keinen Respekt haben. Jeder schmeißt seinen Dreck einfach irgendwohin. Ich kenne Menschen aus Gelsenkirchen, die es meiden hier hinzufahren“, schildert einer der Befragten seine Eindrücke.
„Die Bahnhofstraße ist für mich verloren“ ist einer der Sätze, die aufhorchen lassen. Und mit wenigen Worten auf den Punkt bringen, was wahrscheinlich viele Gelsenkirchener denken.
Doch es gibt auch nicht ganz so negative Stimmen: „Ich kenne die Bahnhofstraße schon seit Kindertagen und freue mich über alle Geschäfte, die noch aus der Zeit geblieben sind. Durch den Wegfall vieler ehemaliger Geschäfte wie Wahl, Kamphaus, Sinn, Sport Sepp und Sport Wedding oder durch die Reduzierung des Warenangebotes haben die Straße und die Umgebung aber deutlich an Attraktivität und Charme verloren. Dies bedeutet aber nicht, dass ich mich deswegen unwohler fühle“, ist die Meinung eines Teilnehmers. „Weil es sich trotz allem nach Heimat anfühlt“, ist die Antwort pro Bahnhofstraße, pro Gelsenkirchen, für diese Stadt.“
WAZ-Umfrage: Wie steht’s um die Hochstraße? Das sind die Antworten
Und wie beurteilen die Befragten den Zustand an der Hochstraße? Was treibt sie um, wie ist die Gemengelage?
Im Norden der Stadt fühlen sich einige der Umfrage-Teilnehmer offenbar weniger fremd als im Stadtsüden: „Hier geht es eigentlich. Natürlich gibt es auch hier mittlerweile viele Leerstände und Billig-Geschäfte, die das Image verschlechtern. Aber wenn man dort zu Fuß unterwegs ist, fühlt man sich nicht fremd“, so eine Antwort.
Und es gibt die vielen positiven Rückmeldungen: Die Hochstraße habe „das Flair einer älteren gewachsenen Innenstadt“ mit „schönerer Architektur“ und einem „entspannteren Einkaufen als auf der Bahnhofstraße“. Wieder andere loben die „gemütliche Atmosphäre“, das „gehobenere Niveau“ im Vergleich zum Zentrum im Süden.
„Buer ist meine Heimat, der Wochenmarkt ist samstags immer noch ein Highlight und die Gastronomie, wie Dorfkrug und Hexenhäuschen, laden immer wieder zu einem Besuch ein. Man trifft Freunde und Bekannte bei Botticelli oder auf dem Feierabendmarkt“, schreibt ein Teilnehmer. „Buer ist und bleibt beschaulich“, ein anderer.
Doch es gibt auch noch andere Meinungen: „Die Hochstraße hat nach der Schließung von vielen Geschäften ihren Charme verloren.“ Oder: „Besser als die Bahnhofstraße, aber auch die Hochstraße hat vom Angebot in allen Bereichen stark nachgelassen“. Ein schwerer Schlag, das finden einige: „Mit den Abgängen von H&M und Saturn ist in Buer leider echt viel verloren gegangen.“
Ergebnis der WAZ-Umfrage: „Hochstraße hat in allen Bereichen stark nachgelassen“
Und dann gibt es auch noch die, die der Hochstraße ein richtig mieses Zeugnis ausstellen: „Hier sieht es doch schon genauso aus wie in der Altstadt“, „Woolworth sehe ich als Kapitulation an“, oder: „Entwickelt sich genau in Richtung Bahnhofstraße“.
Ähnlich vernichtend schreibt ein Teilnehmer: „Am gravierendsten hat sich die Buersche Innenstadt in den letzten Jahren verändert. Der Verkauf und der schon lange anhaltende Leerstand in der Markthalle war der Beginn. Vorher war die Markthalle ein Traum. Mittlerweile gibt es kaum Geschäfte, welche einen Besuch wert wären. Optisch verfällt die Hochstraße immer mehr. Es scheint die zweite Bahnhofstraße zu werden. Leider. Wenn ich Buer heute mit dem Buer vor etlichen Jahren vergleiche, kommen mir die Tränen.“ „Der Leerstand von Geschäften lässt die Hochstraße öde und trist erscheinen. Auch hier gibt es zu viele Menschen, die einen anschnorren, rumsitzen und betteln“, so ein anderer.
WAZ-Umfrage zu Gelsenkirchener Zentren: Was muss sich ändern?
Was also muss sich ändern, im Norden und Süden der Stadt? „Bessere Einkaufsmöglichkeiten, definitiv mehr Sauberkeit und mehr Sicherheit“ ist die Vorstellung eines Lesers für die Bahnhofstraße. Einen „radikalen Umbruch und besseres Publikum“ fordert ein anderer. Und ein weiterer ist überzeugt: „Das schafft niemand in der mir verbleibenden Lebenszeit. In 70 Jahren ging es nur bergab.“ Ähnlich hoffnungslos ist die Schilderung eines Teilnehmers: „Es müsste eine so enorme Veränderung stattfinden, die nicht zu realisieren ist. Insbesondere das Publikum wird sich durch das Einzugsgebiet und den nicht vorhandenen Wohlstand nicht ändern.“
Laut wurde auch der Ruf nach einer veränderten Händlerstruktur, weniger Leerständen, einem verbesserten gastronomischen Angebot, nach mehr Individualität und vor allem mehr Sicherheit in Gelsenkirchens südlichem Zentrum. Immer wieder ist es dieser Aspekt, der von einem Großteil der Befragten genannt wird, verbunden mit Wunsch nach verstärkten Kontrollen und mehr Präsenz durch Polizei und Ordnungsamt.
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Für die Hochstraße in Buer gibt es ebenfalls Ideen, um die Menschen dazu zu bewegen mehr Zeit dort zu verbringen. Die meist genannten: Mehr hochwertige Geschäfte anzusiedeln, wieder ein Kaufhaus (häufig gefallener Name hier: Sinn Leffers), einen Magneten mit Strahlkraft zu haben, mehr Grün, weitere Gastronomie-Angebote, schöne Cafés und Bars. Und: mehr Parkmöglichkeiten, vor allem und gerne kostenlos.
WAZ-Innenstadt-Umfrage: So ist das Alter der Teilnehmer
An der großen WAZ-Innenstadt-Umfrage unter dem Titel „Was fehlt Ihnen in den Stadtzentren?“ haben rund 1000 Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener teilgenommen. Genau 872 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben ihr Geschlecht an: 49,89 Prozent waren männlich, 49,54 Prozent männlich und 0,57 Prozent divers.
Einer der ältesten Teilnehmer war 87 Jahre alt, die jüngsten 17 Jahre alt. Im Durchschnitt hatten sie ein angegebenes Alter von knapp 49 Jahren.
Die Forderung nach mehr Sicherheit, mehr Präsenz von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst, es gibt sie für die Hochstraße nur vereinzelt.