Gelsenkirchen. Was steht uns bevor? Wegen der explodierenden Gaspreise haben viele Gelsenkirchener Existenzängste. Diesen Rat geben ELE und Verbraucherschützer.

Wie wird der Winter, welche Kosten kommen auf mich zu, kann ich mein Leben, das meiner Familie überhaupt noch finanzieren? Diese und viele weitere Fragen stellen sich derzeit viele Menschen mit Blick auf die explodierenden Gaspreise. Doch noch weiß niemand, wie hart genau es jeden Einzelnen treffen wird, die Unsicherheit, sie ist jetzt schon riesig, wird, so scheint es, von Tag zu Tag größer. Das spüren auch Gelsenkirchens Grundversorger, die Emscher-Lippe-Energie (ELE), die Verbraucherzentrale und der Mieterverein Gelsenkirchen – und geben unterschiedlichen Rat.

Explodierende Gaspreise in Gelsenkirchen: Diesen Rat geben jetzt die Experten

Zum 1. August hatte die ELE als Grundversorger für Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck den Gaspreis verdoppelt: Kunden mit einem durchschnittlichen Gasverbrauch können nach Angaben des Versorgungsunternehmens mit monatlichen Mehrkosten von mehr als 100 Euro rechnen. Die konkreten Zahlen: Der mengenabhängige Arbeitspreis für Erdgas liegt in der Grund- und Ersatzversorgung nun bei 14,54 Cent je Kilowattstunde (kWh), der alte Arbeitspreis lag bei 7,26 Cent je kWh. Der Grundpreis von 142,80 Euro jährlich bleibt unverändert.

Erdgas wird zum Luxusgut, die Preise für den Rohstoff explodieren. Gelsenkirchens Grundversorger, die Emscher-Lipper-Energie (ELE), rät ihren Kunden, den Abschlag zu erhöhen.
Erdgas wird zum Luxusgut, die Preise für den Rohstoff explodieren. Gelsenkirchens Grundversorger, die Emscher-Lipper-Energie (ELE), rät ihren Kunden, den Abschlag zu erhöhen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

„In diesem Zusammenhang haben wir auch eine Anpassung der turnusmäßigen Abschlagsbeträge vorgenommen, um hohe Nachforderungen möglichst zu vermeiden“, sagt ELE-Sprecherin Tina Lindner. „Am Ende sind konkrete Mehrkosten aber immer abhängig vom Verbrauch und eine individuelle Betrachtung ist aus diesem Grund durchaus sinnvoll.“

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Den gestiegenen Gaspreis der ELE wertet Heike Higgen im Vergleich als „moderat“ – und führt als krasses Gegenbeispiel einen Preis pro Kilowattstunde Gas von 42,9 Cent eines Mitbewerbers an. Der Rat der Energie-Beraterin von der Gelsenkirchener Verbraucherzentrale: Zunächst sollten Verbraucher immer auf das Angebot der örtlichen Anbieter schauen, also hier bei der ELE. Da könne man durchaus noch halbwegs günstige Tarife bekommen.

Und was sagt sie zu einer vorsorglichen Erhöhung des Abschlags? „Erst wenn der Preis steigt, sollte man auch den Abschlag erhöhen. So lange nichts passiert, sehe ich darin keinen Sinn“, argumentiert sie und verweist in dem Zusammenhang auf einen Punkt: Das gelte vor allem, wenn die Verträge transparent sind. Wird der Preis erhöht, rät Heike Higgen außerdem, den Zählerstand aufzuschreiben und an den Versorger zu melden.

„Verbraucher sollten in jedem Fall den Zählerstand notieren“, rät Heike Higgen, Energie-Beraterin bei der Gelsenkirchener Verbraucherzentrale, wenn der Versorger die Preise erhöht.
„Verbraucher sollten in jedem Fall den Zählerstand notieren“, rät Heike Higgen, Energie-Beraterin bei der Gelsenkirchener Verbraucherzentrale, wenn der Versorger die Preise erhöht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Anders sieht es der Rechtsanwalt und Rechtsberater beim Mieterverein Gelsenkirchen, Pascal Pracht: „Wenn man es sich leisten kann, ist es durchaus sinnvoll, jetzt schon den Abschlag anzuheben.“ Er gibt zu bedenken, dass es sich bei einer Abschlags-Erhöhung nur um eine Vorauszahlung handelt. Doch da ist auch ein Problem: Viele der Mitglieder des hiesigen Mietervereins haben mittlere und niedrige Einkommen, sind vielfach kaum in der Lage, noch mehr aufzubringen. Pascal Pracht geht davon aus, „dass ein großer Teil unserer Mitglieder mit erheblichen Nachzahlungen rechnen muss.“ Dementsprechend groß sei auch die Verunsicherung der Menschen, die teilweise mit Existenzängsten in die Beratung kommen würden.

„Bei den Menschen herrscht eine sehr sehr große Unsicherheit“, antwortet auch Heike Higgen auf die Frage, wie derzeit die Stimmung bei den Verbrauchern ist. Teilweise seien sie auch verzweifelt, manche panisch. Viele, vor allem ältere Menschen mit eh schon kleinem Einkommen, Rentner, seien in Sorge, hätten Angst. Die Energiesparanfragen wären, so Higgen, zuletzt sehr viel mehr geworden.

Auch bei der ELE ist ein erhöhter Beratungsbedarf spürbar, nicht nur im telefonischen Kundenkontakt, sondern auch im persönlichen Gespräch in den Kundencentern vor Ort. Insgesamt würden viele der Beratungsgespräche derzeit „etwas länger dauern als gewohnt“, sagt Sprecherin Tina Lindner.

Gelsenkirchen: Erhöhung der Gaspreise und die zusätzliche Gasumlage

Die Erhöhung der Gaspreise ist das Eine – ab dem 1. Oktober wird zusätzlich die Gasumlage erhoben. Dann kommen noch einmal 2,419 Cent mehr pro Kilowattstunde (weitere Erhöhungen sind nicht ausgeschlossen) hinzu, die die Verbraucher einkalkulieren müssen. Außerdem Teil der Rechnung: eine Speicherumlage von 0,059 Cent pro Kilowattstunde. Auch hier rät die Verbraucherschützerin Heike Higgen, den Zählerstand zu notieren und ELE & Co. mitzuteilen. Die Kosten? „Bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden pro Jahr wären das circa 500 Euro (netto) für beide Umlagen“, schätzt Tina Lindner von der ELE.

Die Energieversorger sind verpflichtet, Preisanpassungen sechs Wochen im Voraus anzukündigen. Laut ELE könne eine Weitergabe der Kosten gar nicht bis zum 1. Oktober erfolgen. „Mitte September können wir voraussichtlich konkretere Informationen zur Preisanpassung geben“, so Tina Lindner. In jedem Fall bekommen die ELE-Kunden eine schriftliche Information.

ELE: Weitere Erhöhung der Preise nicht ausgeschlossen

„Die finanziellen Probleme kann ich den Menschen nicht nehmen“, sagt Heike Higgen besorgt. Es gehe nicht anders, als die Lage gezwungenermaßen erst einmal hinzunehmen. Ein Blick in die Zukunft sei gegenwärtig wie ein Blick in die Glaskugel, sagt auch Pascal Pracht. Und auch seitens der ELE heißt es: „Weitere Erhöhungen können wir – auch auf Basis der extrem steigenden Preise an der Gasbörse – nicht ausschließen.“