Gelsenkirchen. Nun stehen beide Namensgeber der MLPD vor der Parteizentrale: Die linksextreme Splitterpartei enthüllte am Samstag in Gelsenkirchen Marx-Statue.
Mehr als zwei Jahre stand sie ganz allein in Horst herum. Jetzt hat die berühmt-berüchtigte Lenin-Statue einen aus Aluminium gegossenen Genossen an die Seite gestellt bekommen: Karl Marx. Und die kleine Rasenfläche direkt vor der Parteizentrale der MLPD teilen die beiden sich auch ganz sozialistisch.
Knapp 1000 Gäste aus 31 Ländern waren zugegen
Der feierlichen Enthüllungszeremonie am Samstagnachmittag wohnten knapp 1000 Interessierte bei, die nicht nur aus ganz Deutschland, sondern laut Gabi Fechtner aus insgesamt 31 Ländern angereist waren. Die Parteivorsitzende betonte noch einmal, warum es aus ihrer Sicht in jetzigen Zeiten so wichtig sei, Statuen aufzustellen, statt wie in anderen Ländern derzeit üblich sie gewaltsam vom Sockel zu stoßen. „Das ist kein toter Stein“, so Fechtner. „Diese Statuen bringen auch eine aktuelle Diskussion in unserer Gesellschaft über den Kapitalismus zum Ausdruck.“
Eingebettet war die Statuen-Enthüllung in die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der linksextremen Splitterpartei. In diesen vier Jahrzehnten ist ihre Relevanz allerdings ebenso überschaubar geblieben wie ihr Wählerkreis: Bei der vergangenen Bundestagswahl konnte sie nur 0,039 Prozent aller Stimmen auf sich vereinen. In absoluten Zahlen: 17.994. Damit rangiert sie selbst unter den kleineren Parteien am Ende der Rangliste. Und die Mitgliederzahl hat laut Verfassungsschutz die 3000er-Marke nie überschritten, derzeit soll sie bei 2700 liegen. Die Partei selbst will den genauen Wert nicht mit der Öffentlichkeit teilen.
Künstler verzichtete auf 13.000 Euro seines Honorars
Was sie publik macht, sind die Infos zur Marx-Statue: Die ist 2,11 Meter hoch, wurde vom Karlsruher Künstler Rainer Günther – nach eigenen Worten ein „bekennender Marxist“ – entworfen und hat rund 50.000 Euro gekostet. Die ursprüngliche Schätzung lag deutlich darunter. Zusammengetragen wurde diese Summe laut Fechtner mit Hilfe „Hunderter Kleinspender“. Den größten Anteil habe aber der Künstler selbst beigesteuert – indem er auf einen Großteil seines Honorars verzichtete. Die Rede sei hier von 13.000 Euro, so Fechtner. Günther selbst bezeichnet seinen Verzicht als einen „Akt der Solidarität mit Blick auf die anderen Spender“.
Ein Jahr lang hatte Günther an der Marx-Statue gearbeitet. Wichtig sei es ihm gewesen, dass sein Werk dem im Juni 2020 aufgestellten Lenin auf Augenhöhe begegne. Die wichtigste Frage, die sich ihm gestellt habe, lautete: Wie kann er zwei historisch bedeutsame Figuren so arrangieren, dass sie miteinander korrespondieren? Um eine Antwort zu finden, reiste Günther noch während des Schaffensprozesses gleich mehrmals nach Gelsenkirchen, um sich vor Ort die Gegebenheiten genau anzuschauen. Nicht nur in puncto Material und Farbton harmonieren die beiden Standbilder nun perfekt, auch ihre Position zueinander und ihre jeweiligen Gesten passen.
Kaum Proteste gegen die Aufstellung der Marx-Statue
Proteste gegen die Aufstellung des zweiten Standbildes hielten sich übrigens am Samstag in engsten Grenzen. Eine Frau hob, während auf der Bühne noch diverse Jubilarehrungen durchgeführt wurden, ein Plakat mit der Aufschrift „Schämt Euch!!!“ in den wolkenverhangenen Himmel über Horst. Das war es aber auch schon. Also kein Vergleich zu jenen Aufzügen von AfD und Rechtsnationalen, die vor zwei Jahren noch vehement gegen das Lenin-Standbild protestiert hatten.
Auch die Stadt Gelsenkirchen meldete sich diesmal offiziell mit keiner Silbe zu Wort. Vor zwei Jahren war sie noch vor Gericht gezogen, um die erste Aufstellung zu verhindern, scheiterte aber letztlich in zwei Instanzen. Denn die gegossenen Abbilder der Herren Marx und Lenin stehen eben nicht im öffentlichen Raum, sondern auf dem Gelände, das zur MLPD-Bundeszentrale gehört. Und Eigentum der Partei ist.
Statuen-Duo soll ein Touristenmagnet für Gelsenkirchen werden
Die Lenin-Statue hatte insgesamt ein viel größeres Potenzial, um die Stadtgesellschaft zu polarisieren und zu spalten. Bei Marx ging es nun hingegen deutlich weniger emotional zu. Der Philosoph stößt eben auch in diesen Gefilden auf eine gewisse Akzeptanz, belegte nicht von ungefähr gleich bei mehreren Umfragen nach den wichtigsten Köpfen in der deutschen Geschichte vorderste Plätze. Und so stößt seine Statue mit dem „Kapital“ in der linken Hand auf eine eher harmlose Mischung aus Ignoranz und Akzeptanz.
Die MLPD-Macher hoffen indes, dass das Statuen-Duo ein Publikumsmagnet wird. Lenin allein, so betont es Parteisprecher Peter Weispfenning, habe in den zwei zurückliegenden Jahren bereits „einige Tausend Gäste und Schaulustige aus aller Welt“ angelockt. Zusammen mit Marx sollte noch mehr möglich sein, glaubt er. Und für eine Stadt wie Gelsenkirchen, die mit Touristenzielen nicht eben üppig gesegnet sei, wäre das doch auch eine nicht zu unterschätzende Komponente.
Ein ganzer Skulpturenpark wird vor der MLPD-Zentrale übrigens perspektivisch nicht entstehen. Denn auf eine entsprechende Nachfrage sagte Fechtner: „Nein, eine Stalin-Statue wird hier nicht hinzukommen.“
Polizei meldet: Es gab keine Zwischenfälle
Vor den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen hatte die MLPD zur Teilnahme an einem von sechs Sternmärschen und zwei Fahrradkorsos aufgerufen. Diese starteten in Gelsenkirchen, Gladbeck und Essen und führten zur Parteizentrale in Horst. Laut MLPD haben addiert rund 1000 Menschen an allen acht Zügen teilgenommen. Die Polizei zählte ungefähr halb so viele.
Laut Polizeisprecherin Merle Mokwa sei es bei allen Veranstaltungen, die zum Festwochenende der Partei gehörten, zu keinerlei Zwischenfällen gekommen. Allerdings gab es rund um die Kreuzung Schmalhorststraße/An der Rennbahn am Samstagmittag einige Verkehrsstörungen, weil gleich mehrere Straßen wegen der Großveranstaltung von der Polizei gesperrt wurden.