Gelsenkirchen. Weniger Unterricht, kein eigener Klassenlehrer für alle: Gelsenkirchens Grund- und Förderschulen starten mit besonders krassem Lehrermangel.

  • An neun Grundschulen müssen sich zwei Klassen einen Klassenlehrer teilen
  • Um den Mangel so gerecht wie möglich in der Stadt zu verteilen, werden Lehrkräfte abgeordnet
  • An Grundschulen wird eine Stunde gekürzt, an Förderschulen vier Stunden in der Woche

110 Lehrerstellen sind zum Schulstart in Gelsenkirchen nicht besetzt. 39.063 Schülerinnen und Schüler werden jetzt von 3301 Lehrkräften unterrichtet. Besonders groß ist die Not an Förderschulen, wo massiv Unterricht gekürzt wird.

38 Lehrkräfte fehlen in Gelsenkirchen allein an Grundschulen. 42 Grundschulstellen waren ausgeschrieben, lediglich vier konnten besetzt werden. 38 fehlende Grundschullehrkräfte: Das heißt, im Schnitt fehlt an fast jeder der 39 Grundschulen in der Stadt eine Lehrkraft. [Lesen dazu: Drastischer Lehrermangel: Was helfen könnte]

Einige Klassen in Gelsenkirchen müssen sich einen Klassenlehrer teilen

Das führt auch dazu, dass an neun Grundschulen im Stadtgebiet nicht jede Klasse eine eigene Klassenleitung bekommt. An neun Grundschulen müssen sich einige Klassen – wie viele Klassen es jeweils an welchen Schulen sind, wird nicht kommuniziert – einen Klassenlehrer teilen, wie die Bezirksregierung auf Nachfrage einräumen muss. Diese würden jedoch jeweils von Kollegen bei anderen Arbeiten entlastet, heißt es.

Gekürzt wird deshalb an allen Grundschulen der Unterricht, um eine Stunde je Woche. Es soll aber nur Kunst, Musik und Religion betroffen sein, keine Kernfächer, versichert die Schulaufsicht. Möglich sei das nur durch Abweichung vom 45-Minutentakt und stadtinterne Abordnungen von Lehrkräften an andere Schulen. Man habe alle Mittel ausgeschöpft, um den Mangel zu lindern und Ressourcen gerecht zu verteilen, heißt es seitens der Bezirksregierung als Schulaufsicht.

Gelsenkirchen: Seiteinsteiger und Pensionäre gegen den Lehrermangel

So seien beispielsweise Teilzeit-Verträge aufgestockt und Teilzeit-Angebote in Elternzeit verstärkt worden sowie Abordnungen aus Gymnasien erfolgt. Mehr als 30 Seiteneinsteiger sind unter den neuen Kräften, auch Pensionäre wurden rekrutiert.

Im gesamten Regierungsbezirk Münster blieben von den 1184 freien Pädagogenstellen 477 unbesetzt, bei 60 Prozent ist die Besetzung also gelungen. An Gelsenkirchener Grundschulen waren es – bei vier von 42 – hingegen nur zehn Prozent. 107 Grundschulklassen plus zwölf Mehrklassen wegen des erneuten Anstiegs der I-Dötzchen-Zahl auf 2781 starten in den Grundschulen in der Emscherstadt ins neue Schuljahr. Das sind 284 mehr Schulanfänger als vor einem Jahr.

Mit eingerechnet sind dabei auch Kinder, die nicht zum allerersten Mal eine Schule besuchen, sondern auch jene, die die erste Klasse wiederholen sowie Kinder, die aus einer internationalen Förderklasse in eine Regelklasse wechseln.

10.575 Grundschülerinnen und Grundschüler lernten im vergangenen Schuljahr an Gelsenkirchener Grundschulen, in diesem Jahr sind es nahezu 11.000. Um sie zu unterrichten, stehen 855 Grundschullehrkräfte zur Verfügung – theoretisch, solange es keine Krankheits- beziehungsweise Schwangerschaftsausfälle gibt.

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Laut Landes-Statistik kam im vergangenen Jahr auf Gelsenkirchener Grundschüler eine Lehrkraft auf 15,7 Schüler, an Realschulen war das Verhältnis ähnlich. An Gesamtschulen kam ein Pädagoge auf 11,3 Kinder, an Förderschulen unterrichtete eine Lehrkraft lediglich sechs Schüler – theoretisch zumindest.

Vier Stunden weniger Unterricht als geplant an Förderschulen

Doch die Not ist auch an den Förderschulen in Gelsenkirchen groß. Dort werden im kommenden Jahr auf jeden Fall Unterrichtsstunden gekürzt. An der Albert-Schweitzer-Förderschule werden es vier Wochenstunden sein, so hat Stadtelternvertreter Jan Klug erfahren, an der Löchterschule soll es ebenfalls weniger Unterricht geben. An der Hansaschule konnten mangels Lehrkräften schon im vergangenen Schuljahr nicht alle Regelstunden erteilt werden, im kommenden Schuljahr muss ebenfalls gekürzt werden.

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Appell: Auf Elterntaxis zur Schule verzichten

Elternverbände, Lehrerverbände und der Verkehrsclub VCD appellieren auch in diesem Jahr zum Schulstart dringend, auf das Elterntaxi zur Schule zu verzichten. Abgesehen von den negativen Umwelteffekten und Gefährdung von Kindern durch wildes Parken vor Schulen diene dies auch dem Wohl des eigenen Kindes.

Ein Argument ist, dass der zu Fuß oder mit dem Rad absolvierte Schulweg dank Bewegung besser zum Lernen anregt. Zudem hätten Kinder in der Regel am gemeinsam mit Freunden und Klassenkameraden absolvierten Schulweg den meisten Spaß. Zur Sicherheit sollte freilich anfangs der sicherste Weg zur Schule gemeinsam geübt werden.

Insgesamt sind laut Schulaufsicht in Gelsenkirchen – im ganzen Jahr – bislang 119 neue Lehrkräfte eingestellt worden. Davon arbeiten: 16 an Grundschulen, sechs an Hauptschulen, 18 an Realschulen, zehn an Förderschulen, drei an der Sekundarschule, 46 an Gesamtschulen, acht an Gymnasien und zwölf an Berufskollegs. Die Personalausstattungsquote – also Lehrkräfte inklusive multiprofessionellen Mitarbeitern wie Sozialarbeiter und Psychologen – liegt in Gelsenkirchen bei 94 Prozent. Das ist die geringste Quote im ganzen Bezirk. In Münster liegt diese Zahl bei 103, im Kreis Steinfurt gar bei 105 Prozent. [Zum Thema: Gelsenkirchen erwägt drastische Maßnahmen gegen Lehrermangel]

Die nächste Chance auf Linderung des Mangels gibt es am 1. November, wenn die nächste Generation Referendare ihren Abschluss macht.