Gelsenkirchen. Die Grundsteuererklärung sorgt bei so manch einem Eigentümer für Frust, wie ein Fall aus Gelsenkirchen zeigt. Wie man Hilfe bekommen soll.

  • Die Grundsteuererklärung, die bis Oktober alle Eigentümerinnen und Eigentümer abzugeben haben, soll nur digital erledigt werden. Das wurde von Anfang an kritisiert – und sorgt nun in Gelsenkirchen für Frust.
  • Ein Papiervordruck zu erhalten, um die Erklärung analog abgeben zu können, ist zwar grundsätzlich möglich. Doch so einfach ist das nicht, wie eine 83-Jährige in Gelsenkirchen erfahren musste.
  • Das Finanzamt Gelsenkirchen will derweil mit einem individuellen Schreiben und einer Hotline Eigentümern mit Fragen helfen.

Ärger mit Ansage: 70.000 sogenannte Feststellungserklärungen zur Neuberechnung der Grundsteuer müssen allein in Gelsenkirchen abgegeben werden. Dass die verpflichtenden Angaben für alle Eigentümer im Regelfall nur digital erfolgen sollen, wurde von Beginn an kritisiert – und sorgt nun bei weniger internetaffinen Menschen für vorbestellten Frust. „Wenn man analog ist, wird man ausgegrenzt“, formuliert es Carmen Saager (62), die ihrer Mutter bei der Erklärung helfen wollte.

Saagers Mutter ist 83 und hat ein kleines Häuschen in Buer. WLAN hat sie nicht im Haus, auch keinen Zugang zum Online-Finanzamt Elster. Wer noch keinen Zugang hat, sollte sich jetzt für die Grundsteuererklärung anmelden, rät das Finanzamt Gelsenkirchen. Aber ist das Menschen wie der 83-jährigen Bueranerin Saager, die ihr Leben bis jetzt auch gut ohne Internet ausgekommen ist, überhaupt zuzumuten? Schließlich hat die Erstellung eines Elster-Accounts aufgrund höherer Sicherheitsstandards auch noch mal einen höheren Schwierigkeitsgrad als etwa die Einrichtung eines Mailpostfachs.

Grundsteuererklärung: Gelsenkirchenerin fordert mehr Kulanz vom Finanzamt Gelsenkirchen

Zwar betont das Finanzamt Gelsenkirchen „Eigentümerinnen und Eigentümer, die keinen Zugriff auf die elektronischen Services haben, können bei ihrem Finanzamt Papiervordrucke anfordern.“ So einfach ist die Sache Carmen Saager zufolge allerdings nicht.

Sie habe auf einen Mitarbeiter des Finanzamtes Gelsenkirchen „einreden“ müssen, bis er sich dazu bereiterklärte, ihrer Mutter den Vordruck zuzuschicken. „Wir mussten regelrecht betteln“, behauptet die Marlerin Carmen Saager, die nach eigener Aussage selbst wenig mit dem Internet am Hut hat – also in Sachen Elster ebenfalls keine Hilfe für ihre Mutter wäre. „Ich verstehe einfach nicht, dass man sich da nicht kulanter zeigt“, sagt sie. Obendrein sei es der Nachbarin ihrer Mutter ganz ähnlich gegangen.

Die Verbraucherzentrale NRW hatte zuletzt noch darauf hingewiesen, dass sogar ein Härtefallantrag nötig sei, um den Grundsteuerantrag auf Papier erledigen zu dürfen. Auf unsere Frage, warum man es Menschen über 80 Jahren so schwer macht, ihre Pflichtaufgaben zu erledigen, antwortet die Oberfinanzdirektion NRW jedoch überraschend: Ein Härtefallantrag ist überhaupt nicht notwendig.

Grundsteuererklärung per Papier: Härtefallantrag notwendig oder nicht? Das sagt das Land

„Ab Anfang Juli können Bürgerinnen und Bürger, die z. B. über keinen Internetzugang verfügen, Papiervordrucke telefonisch oder vor Ort bei ihrem Finanzamt anfordern, so auch im Finanzamt Gelsenkirchen“, teilte ein Sprecher schriftlich mit. „Haben Bürgerinnen und Bürger bereits bis jetzt Papiervordrucke angefragt, wurden sie gebeten, ihre Anschrift sowie ihre Telefonnummer zu hinterlegen, damit die Vordrucke zum gegebenen Zeitpunkt zugeschickt bzw. im Finanzamt abgeholt werden können.“

Als wir bei einer neu eingerichteten Grundsteuer-Hotline der Stadt Gelsenkirchen anrufen, machen wir andere Erfahrungen als Carmen Saager. Nach fünf Minuten nimmt ein freundlicher Mitarbeiter ab. Auf unsere Frage, ob ältere Menschen erst einen Härtefallantrag stellen müssen, bevor sie die Erklärung analog abgeben dürfen, zeigt er sich aufgeschlossen. Der oder die Betroffene solle einfach anrufen oder beim Finanzamt vorbeischauen und sich dort den Vordruck direkt abholen.

Grundsteuerreform: Eigentümer müssen in diesem Jahr eine Grundsteuererklärung abgeben. Doch das ist ausschließlich digital möglich. Im Bild: die Siedlung Klappheckenhof in Gelsenkirchen.
Grundsteuerreform: Eigentümer müssen in diesem Jahr eine Grundsteuererklärung abgeben. Doch das ist ausschließlich digital möglich. Im Bild: die Siedlung Klappheckenhof in Gelsenkirchen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Was denn nun auch notwendig ist, um die Erklärung schriftlich abgeben zu können: Die FDP in NRW hat jüngst gegenüber der WAZ gefordert, dass sich die Verwaltungen bei der Grundsteuererklärung bürgerfreundlicher zeigen sollte. „Immobilienbesitzer sind im Schnitt eher älter, und ausgerechnet sie haben nicht die Möglichkeit, die Grundsteuererklärung auf Papier abzugeben“, sagte FDP-Landtagsfraktionsvize Ralf Witzel. Wer die Papierform bevorzugt, sollte nicht dazu gezwungen werden, den digitalen Weg zu gehen.

In Gelsenkirchen hat die AfD das Thema besetzt. Bereits im Februar 2022 forderten die Rechtspopulisten, Terminals zur Datenselbsteingabe, die von den Bürgercentern ab Juli 2022 zur Verfügung gestellt werden sollen. Hier sollte den Gelsenkirchener Bürgern direkt geholfen werden. Der Eilantrag wurde abgelehnt, geholfen werden soll den Eigentümern mit anderen Mitteln.

Grundsteuererklärung in Gelsenkirchen: Stadt hat Hotline geschaltet

So sollen alle, die eine Erklärung abgeben müssen, in den letzten Wochen ein individuelles Schreiben erhalten haben. Dieses enthält nach Angaben des Finanzamtes Daten zu dem jeweiligen Grundstück, wie das Aktenzeichen, die Gemarkung, das Grundbuchblatt, Angaben zum Flurstück, die Grundstücksfläche und den Bodenrichtwert. „Damit stellen wir den Eigentümerinnen und Eigentümern den Großteil der benötigten Daten für die Feststellungserklärung zur Verfügung“, teilte Mandy Stutte-Surges, Leiterin des Finanzamts Gelsenkirchen, mit.

Keine Mehreinnahmen durch Reform

Die Feststellungserklärung für die Grundsteuer muss bis Oktober 2022 abgegeben werden. Sie ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht 2018 die bisherige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hat. Nun muss eine neue Berechnung her.

Festgelegt wird der Grundsteuer-Hebesatz von den Kommunen. Zwar können einzelne Eigentümer durch die Neuberechnung stärker belastet werden, insgesamt strebt die Stadt Gelsenkirchen aber „Aufkommensneutralität“ an.

Das heißt: Das voraussichtliche Aufkommen der Grundsteuer liegt in Gelsenkirchen für das Jahr 2022 bei rund 47,7 Millionen Euro. Und so soll es dann also auch im Jahr 2025 sein, wenn der Umbau der Grundsteuer abgeschlossen sein muss.

Für persönliche Rückfragen hat das Finanzamt Gelsenkirchen außerdem die bereits erwähnte Grundsteuer-Hotline eingerichtet. Erreichbar ist sie unter 0209 173 1959 von Montag bis Freitag, von 9 bis 18 Uhr. Auch das von der Finanzverwaltung NRW eingerichtete Grundsteuerportal (www.grundsteuer.nrw.de) hilft beim Ausfüllen der Erklärung.