Gelsenkirchen. Die Verbraucherzentrale Gelsenkirchen zieht Bilanz. Schwarze Schafe unter Stromanbietern & Fake-Shops sind Top-Themen. Worauf man achten sollte.
Eine allein erziehende Mutter erhält ein Schreiben ihres Stromanbieters, das sie zu einer Nachzahlung in Höhe von 1000 Euro auffordert. Die junge Frau ist verzweifelt, wendet sich in ihrer Not an die Verbraucherzentrale. Dies war nur eines von 5814 Anliegen, mit denen sich die Expertinnen und Experten der hiesigen Beratungsstelle mit Sitz in der Altstadt im vergangenen Jahr beschäftigt haben.
Corona-Pandemie hatte auch in 2021 massive Auswirkungen
Bei der Bilanz für 2021 spielte natürlich erneut der Thema Corona eine tragende Rolle: In den ersten Monaten des vergangenen Jahres waren die Räumlichkeiten der Verbraucherzentrale an der Robert-Koch-Straße für den normalen Publikumsverkehr geschlossen. „Nur bei existenzsichernden Beratungen haben wir die Verbraucher persönlich hier empfangen“, erklärt Sigrun Widmann, seit 2020 die Leiterin der Gelsenkirchener Beratungsstelle.
Im Verlauf des Jahres waren dann immerhin wieder Treffen vor Ort nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. „Es gab aber immer Wege, uns zu erreichen“, sagt Heike Higgen, die Fachberaterin Energierecht. Ob telefonisch, per Online-Beratung oder draußen am Infostand: Auch in den Pandemie-Hochphasen blieb die Verbraucherzentrale in Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. „Zur Not haben wir auch Dokumente durchs Fenster angenommen“, schildert Higgen.
„Schwarze Schafe“ unter den Stromanbietern locken mit scheinbar günstigen Abschlägen
Und was waren nun die großen Themen in 2021? „Eines war natürlich die Energie“, antwortet Widmann. Tausende Strom- und Gasverträge seien nach der ersten Preisexplosion im vergangenen Jahr von Anbietern gekündigt worden. Und die Verbraucher standen dann oft ratlos da, landeten zwangsweise in viel teureren Folgeverträgen. Zudem gebe es „schwarze Schafe“ unter den Anbietern, die Neukunden am Telefon mit scheinbar günstigen Abschlägen lockten. In einem Fall stieg besagter Abschlag aber binnen kürzester Zeit von 88 über 130 auf dann 390 Euro. Pro Monat, wohlgemerkt. Abzocke satt Schnäppchen, so lautete für manche die bittere Realität.
„Wir warnen davor, sich von solchen scheinbar verlockenden Angeboten blenden zu lassen, sondern raten stattdessen, sich zunächst immer erst beim lokalen Energieanbieter zu informieren“, so der Tipp von Leiterin Widmann. Und Fachberaterin Higgen rät grundsätzlich, niemals Verträge am Telefon abzuschließen. Denn zu oft steckten unseriöse Anbieter dahinter. „Wir kriegen die Leute zwar meistens aus den Verträgen raus“, so Higgen. Ärgerlich sei es aber, dass diese Abzocker nach wie vor am Markt aktiv seien und fleißig Neukunden akquirieren würden.
Stadt Gelsenkirchen bezuschusst die Verbraucherzentrale in 2022 mit 137.000 Euro
Die horrenden Kostensteigerungen im Energiesektor sind in diesem Jahr nochmals durch die Decke geschossen. Auch deshalb glaubt OB Karin Welge, dass sich der Beratungsbedarf perspektivisch massiv erhöhen wird. Daher wurde die Zahl der Stellen bei der hiesigen Verbraucherberatung nun dauerhaft auf 6,5 erhöht, so Welge. Die Stadt bezuschusst die hiesige Verbraucherberatung in diesem Jahr mit 137.000 Euro. Dies ist aber nur ein Teil der Förderungen, aus denen sich die Gelsenkirchener Beratungsstelle finanziert.
Von den 5814 Anliegen des Vorjahres endeten 1740 in einer Rechtsberatung. Diese sind eigentlich kostenpflichtig. In 42 Prozent der Fälle verfügten die Ratsuchenden aber über so geringe finanzielle Mittel, dass ihnen die Zahlung des fälligen Entgelts erlassen wurde. Das passt auch zu dem Fakt, dass die Schuldner- und Privatinsolvenzberatung eine immer größere Rolle für das Beraterteam einnimmt.
Beschwerden über „Fake Shops“: Geld bezahlt, keine Waren erhalten
Weiterer Themenschwerpunkt für die Berater: Immer mehr Kunden kauften seit Ausbruch der Pandemie im Internet ein und gerieten dabei an so genannte „Fake Shops“. Dort kosten Konsumgüter nur einen Bruchteil des üblichen Preises. Das Problem: Nach der Überweisung des Geldes erhielten die Besteller keine Waren. „Wenn der Preis zu schön ist, um wahr zu sein, lassen Sie am besten gleich die Finger davon“, so die Verbraucherberatung.
Es gab zudem gefälschte Nachrichten und SMS vom Zoll oder von Paketdiensten, durch die Kunden in Abo-Fallen gelockt wurden sowie gefälschte Mahnschreiben von angeblichen Inkasso-Unternehmen. Zahlreiche Nachfragen habe es 2021 zu den überhöhten Kontoentgelten von Banken und Sparkassen gegeben. Das galt auch für Fitnessstudio-Verträge sowie die Rückerstattung von Konzert- und anderen Veranstaltungstickets in Corona-Zeiten.
Und was ist nun aus der alleinerziehenden Mutter und den geforderten 1000 Euro Nachzahlung geworden? „Es stellte sich heraus, dass der Stromanbieter ihren aktuellen Zählerstand nicht vorliegen hatte und diesen deshalb geschätzt hatte“, sagt Lisa Essing, Fachberaterin Energiearmut. Als die korrekten Zahlen dann vorlagen, stellte sich heraus, dass die junge Frau nicht 1000 Euro nachzahlen musste, sondern 1100 Euro zurückerstattet bekam.