Gelsenkirchen-Hassel. Die Polsumer Straße in Gelsenkirchen soll umgebaut und modernisiert werden. Doch die Pläne – vor allem in Sachen Parkplätze – stoßen auf Kritik.

Die Polsumer Straße ist merklich in die Jahre gekommen: Nicht nur die Anwohner klagen über Schlaglöcher, unübersichtliche Fußgängerüberwege und marode Radwege. Daher hatte die Stadtverwaltung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die klären sollte, wie man diese wichtige Verkehrsachse im Norden Gelsenkirchens modernisieren könnte. Jetzt liegt das Ergebnis vor.

Das stellten die beauftragten Planungsbüros „shp“ und „lad+“ nun vor. An der Aktion hatten sich auch rund 1000 Bürgerinnen und Bürger beteiligt, die per Online-Umfrage ihre Ideen und Vorschläge einbringen konnten. Dabei wurden die Themen Verkehrsberuhigung, sichere Radverkehrsanlagen und sicheres Parken am häufigsten genannt. Auch der besseren Querbarkeit der Straße kommt eine hohe Bedeutung zu. Bei den Anwohnern liegt der Wunsch nach einer Verkehrsberuhigung deutlich vorne.

Straße im Gelsenkirchener Norden soll attraktiver für Fußgänger und Radfahrer werden

Autofahrerinnen und Autofahrer schimpfen schon seit langem über die Schlaglöcher auf der Polsumer Straße.
Autofahrerinnen und Autofahrer schimpfen schon seit langem über die Schlaglöcher auf der Polsumer Straße. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Dementsprechend sieht der erste Entwurf der Planer jetzt ein Modell vor, bei dem Auto-, Rad- und Fußgängerverkehr mit dem ÖPNV gleichberechtigt nebeneinander existieren sollen. Fuß- und Radwege sollen attraktiver werden. Beim Radverkehr etwa schlagen die Planer einen breiten Radfahrstreifen vor, auch die Fußgänger sollen mehr Raum bekommen, außerdem soll die Polsumer Straße grüner werden.

Allerdings: Das geht auf Kosten der Parkplätze. Nach dem Umbau soll es den Plänen zufolge nur noch etwa 140 an dem 1,9 Kilometer langen Stück Polsumer Straße geben. Diese sollen dann auch nicht mehr wie jetzt schräg, sondern längs zur Fahrbahn angeordnet sein. Doch daran regt sich Kritik.

Gewerbetreibende hat Sorge, nach der Umgestaltung „in Schönheit zu sterben“

Dirk Kück etwa, Vorsitzender des Unternehmer-Netzwerks „Wir in Hassel“, wertet die geplante Stellplatz-Reduzierung als „Katastrophe für den Einzelhandel“. Sollte sie realisiert werden, „wird es uns kaum gelingen, die Leerstände zu beseitigen.“ Eine dringend benötigte Drogerie etwa werde sich kaum dort ansiedeln, wenn nicht genügend Stellplätze zu finden seien. Stephanie Hülswitt-Wirth, Inhaberin der Hohenzollern-Apotheke, kann das nur bestätigen. Sie treibt die Sorge um, „in Schönheit zu sterben“.

„Wir und auch die weiter nördlich sowie südlich liegenden Geschäfte benötigen weiterhin ausreichend Parkraum“, so die Apothekerin. Dass die Zahl der Stellplätze von aktuell 385 auf 140 reduziert werden soll, „bereitet mir starke Kopfschmerzen, denn unsere Patienten sind oft nicht sehr mobil und benötigen einen Platz in unmittelbarer Nähe der Apotheke.“ Gleiches gelte für das Gesundheitszentrum und die noch verbliebenen umliegenden Gewerbetreibenden, etwa Optiker, Friseur und Imbisse.

Apothekerin fürchtet massive Umsatzeinbußen durch Stellplatz-Reduzierung

„Zu uns kommen nicht nur Bewohner des Stadtteils Hassel, sondern auch Patienten aus Buer, Bülse oder Polsum – auch wegen des hier zur Verfügung stehenden Parkraums“, fürchtet die 45-Jährige nach einer Umgestaltung massive Umsatzeinbußen, weil die Kunden auf andere Stadtteile ausweichen oder gleich online einkaufen könnten. „Dagegen können wir als kleiner Einzelhandel dann selbst mit Botenservice nicht mehr ankämpfen.“

„Falls die Stellplatz-Zahl unbedingt reduziert werden muss, erscheint uns eine Parkzeitbegrenzung per Parkscheibe zwingend, damit die wenigen Plätze nicht noch durch Dauerparker besetzt werden.“ Andernfalls laufe die Umgestaltung einer gewerblichen Belebung Hassels zuwider. „Eine Begrünung der Polsumer Straße ist ja durchaus sinnvoll, sie muss aber in verträglichem Einklang und in Abstimmung auf die Bedürfnisse der Geschäftsleute vor Ort erfolgen!“

Gelsenkirchenerin: Ausweichverkehr könnte Nebenstraßen verstopfen

Mit der bei der Bürgerinformation am 8. Juni vorgestellten Vorzugsvariante „Velostraße“ sei niemandem geholfen. „Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass diese zu einer höheren Attraktivität des Wohnraums führen wird. Denn Interessierte werden sich einen Zuzug genau überlegen, wenn es so gut wie keine Abstellmöglichkeiten mehr für Autos gibt“, ist die Bueranerin überzeugt.

Die Apothekerin teilt ebenso wie Kück vom Verein „Wir in Hassel“ die beim Informationsabend geäußerte Sorge, dass Autofahrer in Nebenstraßen ausweichen werden, „die schon jetzt vollgestopft sind, weil die Plätze an der Polsumer Straße nicht reichen“, so Kück. Rettungswagen und Feuerwehr kämen dann noch schlechter durch. Der Parkdruck werde zudem den sozialen Frieden bedrohen, „weil Ein- und Ausfahrten noch mehr zugeparkt werden als ohnehin jetzt schon.“

Sinnvoller sei es vielmehr, den Verkehr durch Tempo 30 zu verlangsamen „und so den Rasern Einhalt zu gebieten, die um die Verkehrsinseln ihre Pirouetten drehen.“ Im September 2021 hatte die Verwaltung Tempo 30 als nicht realisierbar bezeichnet, da der Polsumer als überörtliche Straße die Voraussetzungen dafür fehlten.

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Die Apothekerin teilt die beim Informationsabend geäußerte Sorge, dass die dann wohl stärker beanspruchten Nebenstraßen womöglich für die Durchfahrt von Rettungswagen und Feuerwehr zu schmal werden könnten. Ihre Bedenken hat Stephanie Hülswitt-Wirth nun in einem Schreiben an den Stadtbaurat Christoph Heidenreich zusammengefasst – in der Hoffnung, dass der Vorentwurf noch verbessert wird.

Das sagen die Politikerinnen und Politiker zu den Plänen

Zumindest bei der Politik sieht man vor allem beim Thema Parkplätze noch Nachbesserungsbedarf. „Da müssen wir genau hinschauen, ob es nicht möglich ist, Parkplätze zu bewahren“, sagte Jürgen Köpsell, SPD-Fraktionschef in der Bezirksvertretung Nord. CDU-Fraktionsvorsitzender Dieter Kutzborski sieht das ähnlich. „An und für sich begrüßen wir die Pläne – allerdings ist die geplante Parkplatzreduzierung für uns ein Wermutstropfen.“ Selbst den Grünen ginge das zu weit. „Nur noch knapp 150 Parkplätze – das wäre uns zu wenig, dem könnten wie nicht uneingeschränkt zustimmen“, sagte Birgit Wehrhöfer, verkehrspolitische Sprecherin der Partei. Sie gab zu bedenken, dass das auch den Parkdruck in den Nebenstraßen erhöhen würde. Anne Schürmann (FDP) warnte davor, die coronageplagten Einzelhändler noch mehr zu strapazieren. „Damit hätte ich ein Problem“, sagte sie.