Gelsenkirchen. Welche Bedeutung und soziale Verantwortung haben Fußballvereine im Ruhrgebiet? Und könnte Schalke seine Fanartikel in Schalke produzieren?
Die Terminwahl ist titelreif. Vor einigen Tagen haben in der Veltins-Arena noch über 60.000 Fans bis tief in die Nacht den Bundesliga-Aufstieg des FC Schalke 04 gefeiert. Nun, ein paar Tage nach der großen Party, sitzen knapp 100 Vertreter von Politik, Fußballvereinen und Ruhrgebiets-Städten in der Veltins-Arena. Sie sprechen darüber, wie es möglich ist, dass Schalke und andere Fußballclubs aus dem Ruhrgebiet solche Massen von Menschen mitreißen können und wie sich das für die Stadtentwicklung nutzen lassen kann.
„Die Terminierung ist meisterlich“, sagt auch Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge zu Beginn der Veranstaltung, die den Titel „Fußball findet Stadt“ trägt und zu der die Stiftung Schalker Markt und die Emschergenossenschaft eingeladen haben. Welge sieht in Schalkes Aufstieg Parallelen zur Mentalität der Menschen im Ruhrgebiet: „Beim Abstieg vor einem Jahr haben viele gesagt, dass das auch ein Abstieg für die Region ist. Aber die Menschen in der Region packen eben zusammen an und machen Rückschläge wett. Dieser Aufstieg ist ein Impuls, der in der Stadt lange nachwirken wird.“
Danach kommt auch Olivier Kruschinski auf die Bühne, der als Vorsitzender der Stiftung Schalker Markt einer der Gastgeber an diesem Tag ist. Er ergänzt mit Blick auf das oft eher negative Image des Ruhrgebiets: „Wir selbst schauen viel zu oft durch die Defizitbrille. Das Glas ist oft halbleer, obwohl gerade Schalke ein ganz wunderbarer Ort voller Geschichte und Geschichten ist. Die Emotionen daraus muss man wachküssen“, betont Kruschinski.
Aufstiegspartys zeigen Bedeutung der Klubs
Beispiele für diese Emotionen lieferte Schalke auch bei der offiziellen Aufstiegsfeier am Montagabend, als knapp 20.000 Fans zur Veltins-Arena pilgerten. Doch nicht nur Schalke mobilisiert im Ruhrgebiet die Massen: Das zeigen die großen Partys nach den Aufstiegen von Rot-Weiss Essen am vergangenen Wochenende und des VfL Bochum im Jahr 2021. Bei der Gesprächsrunde in der Veltins-Arena geht’s deshalb allgemein um Fußballvereine im Ruhrgebiet. In Vorträgen erklären Wissenschaftler und Vereinsvertreter, wie die Klubs eine so große Bedeutung erlangt haben, welche soziale Verantwortung sie tragen und wie sie sich schon jetzt in ihrer Region engagieren.
Teilweise gibt es sogar konkrete Vorschläge, wie die Vereine ihr Engagement noch ausbauen können, zum Beispiel von Professor Dr. Frank Eckardt von der Bauhaus-Universität Weimar. Er ist gebürtiger Schalker und schlägt in seinem Vortrag vor, dass der FC Schalke 04 Fanartikel in Schalke produzieren und verkaufen könnte. Dies wäre nicht nur deutlich nachhaltiger, als die Produkte in Übersee zu produzieren, sondern würde auch neue Arbeitsplätze in einem sozialen Brennpunkt wie Schalke schaffen, erklärt Eckardt. Er erinnert etwa an die früheren Gastarbeiter im Ruhrgebiet: „Damals wurde durch Arbeit Integration geschaffen. Denn Integration, die nicht über Arbeit oder Bildung stattfindet, ist eine sehr schwache Form von Integration.“
Fanartikel auf der Schalker Meile
Als Verkaufsort würde sich die Schalker Meile anbieten. Zielgruppe seien vor allem die vielen externen Gäste, die bei Schalker Heimspielen nach Gelsenkirchen kommen. „Diese Menschen“, betont Eckardt, „brauchen einen Ort, wo sie gerne hinkommen. Und das ist nicht nur der Parkplatz vor der Arena, sondern das ist die Schalker Meile, wo sie etwas essen, trinken und mitnehmen können. Beim Mitnehmen sind die Ansprüche der Menschen aber nicht auf chinesische Billigware ausgerichtet, sondern sie wollen etwas mitnehmen, das das Image der Stadt und des Vereins zum Ausdruck bringt.“
Olivier Kruschinski von der Stiftung Schalker Markt hält es für einen „charmanten Gedanken“, Fanartikel in Schalke zu produzieren und zu verkaufen. Ob Ideen wie diese auch tatsächlich umgesetzt werden, ist unklar. Dennoch ist sich Kruschinski nach dem Ende der Gesprächsrunde sicher, dass die Veranstaltung etwas gebracht hat: „Dass wir uns überhaupt mal alle zusammenfinden und darüber reden, welches Potenzial das Thema Fußball hat – das ist schon spannend. Fußball ist gerade in einer Fußballstadt wie Gelsenkirchen so viel mehr als nur das Spiel und zweimal 45 Minuten“, sagt er.
Und wie kommt das beim FC Schalke 04 selbst an? Kruschinski hat ein gutes Gefühl: „Ich glaube schon, dass der Fokus mittlerweile wieder mehr auf den eigenen Kiez rückt. Frei nach dem Motto: Schalke kann nur funktionieren, wenn Schalke in Schalke sexy ist.“