Gelsenkirchen. 25 Meter hoch und aus Stahl und Glas ist das Gelsenkirchener Prisma – und in einem jämmerlichen Zustand. Manche trifft dieser Anblick besonders.
- Zum 125. Jubiläum schenkte die Sparkasse Gelsenkirchen 1994 der Stadt ein Kunstwerk
- Das Gelsenkirchener Prisma auf dem Neumarkt ist – mal wieder – sanierungsbedürftig
- Vandalismus, Schmutz und Wetter haben dem Objekt von Op-Art-Künstler LIT Fischer zugesetzt
- Noch wird geklärt, wie die Kosten für die Sanierung verteilt werden könnten
Es gibt Kunst im öffentlichen Raum, die erhebt buchstäblich raumgreifend den Anspruch auf kreativen Anstoß und optimiert im Idealfall ihr Umfeld. Das „Prisma“ auf dem Neumarkt in Gelsenkirchen könnte dazu zählen. Seit 1994 überragt das Objekt des Künstlers LIT Fischer den Cityplatz neben der Sparkasse turmhoch. Es wirkt aus der Ferne wie ein himmelstrebender, 25 Meter hoher schlanker Stapel Glaswürfel, nachts zudem (zumindest noch teilweise) mit Beleuchtung. Doch was gerät zunächst ins Blickfeld? Die Basis der Skulptur: Beklebt, zerdeppert, verschmiert. Und schaut man weiter nach oben wird es auch nicht viel besser. Weiteres Thema:City-Umfrage: „Das ist nicht mehr meine Stadt“
Gelsenkirchener hat die farbigen Scheiben bei Flachglas mit hergestellt
„Das ist so ein trauriger Anblick an so einem zentralen Platz, es leuchten nur noch ein paar Lampen, einige Scheiben sind blind oder kaputt und mit Blechen ersetzt worden, überall sind Graffiti drauf“, ärgert sich Christof Wojak über den Ist-Zustand. Zum Kunstwerk hat er eine besondere, persönliche Beziehung. „Ich habe es mit eigenen Händen mit hergestellt“, sagt der Gelsenkirchener. 1990 ist er als Spätaussiedler aus Polen ins Revier gezogen, hat damals bei der Flachglas AG und bis zum Ruhestand 2021 beim Nachfolger Pilkington zunächst als Glasarbeiter und zuletzt als Anlagenführer gearbeitet. Die Herstellung der verschiedenfarbigen Scheiben aus Sicherheitsglas war aufwändige Facharbeit, erinnert er sich. Weiteres Thema: Verlorene Innenstädte? Das sagen Lokalpolitiker
Geschenk der Sparkasse Gelsenkirchen an die Stadt
Das Prisma, in den Anfangsjahren auch gerne mal „Zeigefinger Gottes“ genannt, war ein Geschenk der Sparkasse an die Stadt. Anlässlich ihres 125-jährigen Bestehens ließ sie den dreiseitigen Glasturm als gleichkantiges Prisma nach einem Entwurf von Jürgen LIT Fischer errichten. Für den Düsseldorfer Künstler (1941-2005) bildeten „Licht“ und die mit ihm verbundenen ästhetischen Phänomene das zentrale Thema seines Schaffens. Shoppen in Gelsenkirchen – wo neue Läden entstehen sollenWeitere Themen: Gelsenkirchen – wo bald neue Cafés entstehen könnten; Shoppen in Gelsenkirchen – wo neue Läden entstehen sollen
Ursprünglich sollte er eine Giebelwand in Buer gestalten. Als dies nicht kappte, kam die Idee für die Stele auf. Anfang 1994 wurde das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Realisierung war schwieriger als gedacht: Eine Stahlkonstruktion bildet den Kern der Kunst, die Berechnung der nötigen Schwingungsdämpfer verzögerte den Baubeginn.
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Das „Gelsenkirchener Prisma“ werde den „Schloten, die lange Zeit das Gesicht der Industriestadt Gelsenkirchen prägten, Konkurrenz machen und über die Stadtgrenzen hinaus für die Kulturstadt Gelsenkirchen werben“, würdigte der damalige Sparkassendirektor Rudolf Heib die Arbeit, die mit den Baustoffen Stahl und Glas auf zwei Säulen der Gelsenkirchener Wirtschaft verweist. Von daher war naheliegend, dass sich die Flachglas AG bei der Realisierung der Kunst im öffentlichen Raum engagierte.
Computergesteuertes System aktiviert die Neonröhren hinter dem Glas
„Die Farbzuordnung der einzelnen Gläser folgt nicht dem natürlichen Farbspektrum, sondern dem Prinzip harter Kontrastsetzung. Fehlt das natürliche Licht, um die getönten Glaselemente leuchten zu lassen, besteht die Möglichkeit über ein computergesteuertes System die hinter der Glasfläche liegenden Neonröhren zu aktivieren, wodurch wechselweise einzelne Farbfelder ins Licht gesetzt werden können“.
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Das programmierte Spiel der „durchscheinenden Neonröhren erweckt den Eindruck, als sei das Objekt ständig in Bewegung“, wurde damals wie heute Fischers Werk beschrieben. Eine Darstellung, mit der Glasarbeiter Wojak heute wie früher wohl eher fremdelt: „Ich weiß nicht, was es bedeuten sollte.“ Aber er weiß, was ihm an der Kunst wichtig ist: „Das sollte richtig schön aussehen. Tausende Menschen gehen da ja schließlich täglich vorbei.“
Sparkassen-Stiftung will die Instandsetzung erneut unterstützen
Die Sparkasse Gelsenkirchen zeigt sich durchaus wieder verantwortlich für ihr Geschenk an die Stadt. „Das Kunstwerk hat einen engen Bezug zum Platz vor unserer Hauptstelle und somit natürlich auch zur Sparkasse. Von daher freuen wir uns, wenn diese Landmarke wieder so erstrahlt, wie es sich der Künstler Jürgen LIT Fischer damals gedacht hat. Wir haben uns bereit erklärt, die Restaurierung und Instandsetzung über die Stiftung der Sparkasse Gelsenkirchen zu unterstützen“, teilt das Geldinstitut auf Anfrage der WAZ mit und erklärt: „Über die Höhe der Förderung werden wir entscheiden, wenn uns ein Überblick über die Gesamtkosten vorliegt.“
Ein Sanierungskonzept wurde bereits abgestimmt
2001 wurde das Gelsenkirchener Prisma bereits einmal auf Kosten der Stadtsparkasse generalüberholt, da Glasscheiben und Leuchtstoffröhren defekt beziehungsweise zerstört worden waren. Aus 2022 ist der Handlungsbedarf im Kulturreferat längst erkannt. Ein mit den Rechtsnachfolgern des Künstlers besprochenes Restaurierungskonzept samt Umstellung der Beleuchtung auf LED-Technik gibt es. Wahrscheinlich zum Sommer solle es umgesetzt werden, so die Verwaltung. Die Kostenhöhe sei noch unklar. Das Projekt sei aber „im städtischen Haushalt abgesichert“.