Gelsenkirchen-Schalke-Nord. Alles neu: BP hat im Gelsenkirchener Hafen 45 Millionen Euro in Tanks, Pipeline und Zug-Verladung investiert. So läuft der Betrieb im Tanklager.

Tausende Liter Kraftstoff strömen nahezu lautlos aus dem Füllrüssel in den Tank. Wenige Minuten dauert es, dann sind 80 Kubikmeter Sprit abgefüllt. Kein Tropfen geht daneben, die Abfüllung läuft emissionsfrei. Gemächlich setzt sich der Zug in Bewegung. Die „Robot KR 100“, eine vollautomatische Lok, schiebt den nächsten Kesselwagen unter den Einfüllstutzen. Die Prozedur beginnt von vorne. Im Gelsenkirchener Stadthafen ist die neue Kesselwagenverladung von BP am Trans-Tank-Standort in Betrieb. Sie ist die „Mutter“ aller Tankstellen im Revier.

BP-Konzern hat mit Partnern massiv in Gelsenkirchen investiert

Seit Dezember wird Diesel abgefüllt, bis zum Herbst soll auch die Kerosin-Abfüllung laufen. Ein wohlgeordnetes Gewirr aus schier endlosen Leitungen, Rohrbrücken, Schienenanlagen und Tanks umgibt das Terminal, das wie ein Brückenkopf die Waggon-Kolonnen überspannt. Hier dreht sich alles um Benzin und Dieselkraftstoff, Heizöl, Chemieprodukte und Kerosin als Treibstoff für die Airlines an den Flughäfen im Land. Eine buchstäblich brandgefährliche Mischung. Entsprechend läuft der Betrieb unter „sehr hohen Sicherheitsanforderungen“ und mit „sehr großer Routine. Klar, wenn man Zigtausend Tonnen Kraftstoffe lagert, ist man immer besonders achtsam“, sagt Jörg Steinborn. Der 56 Jahre alte Industriemeister und frühere Sicherheitsmanager ist Vollprofi in dieser besonderen Branche. Seit 2017 ist er Betriebsleiter im Tanklager. Den Um- und Ausbau seit 2019 hat er maßgeblich begleitet. Weiteres Thema: Avangard im Hafen liefert Malz für die Biere der Welt

1,5 Kilometer lange neue Pipeline und 30 Kilometer Rohre verlegt

65 Tanks mit 244.000 Kubikmetern Fassungsvermögen betreibt Trans-Tank im Hafen. Drei weitere Riesenbehälter mit 37 Meter Außendurchmesser und zusammen 45.000 Kubikmeter Speichervolumen sind jüngst dazu gekommen, ebenso eine 1,5 Kilometer lange Pipeline von der BP-Raffinerie in Horst zum Stadthafen. Der BP-Konzern hat – unter anderem mit Evonik als strategischem Partner – in Schalke-Nord massiv investiert.

Das neu gebaute Terminal für die Kesselwagenbeladung überragt die Gleisbahnen. Jeweils zwei Waggons können parallel befüllt werden.
Das neu gebaute Terminal für die Kesselwagenbeladung überragt die Gleisbahnen. Jeweils zwei Waggons können parallel befüllt werden. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Rund 45 Millionen Euro wurden in den vergangenen drei Jahren am Rhein-Herne-Kanal verbaut, um die Logistikkapazitäten auszuweiten, die Standortsicherung voranzutreiben, Transport-Wege nachhaltig zu verändern und auch die Öko-Bilanz zu optimieren. Nun steht das Mammutprojekt vor dem Abschluss. 2022 war als Bauziel definiert. Die Corona-Pandemie habe manche Arbeiten und die Planung erschwert, das Timing aber nicht wesentlich gestört, sagt Boris Viencetic, 43, der als Asset Manager für BP die Tanklager in Deutschland, Österreich und der Schweiz betreut. Die Baulogistik war diffizil. Hunderte Meter Bahngleise wurden neu verlegt, die Gesamtlänge der neuen Rohrleitungen auf dem Gelände wird mit 30 Kilometern angegeben, allein für die Kampfmittelsuche auf 8600 Quadratmeter Grund erfolgten 3000 Sondierungsbohrungen. Lesen Sie auch: Großbaustelle Stadthafen: Wo Gelsenkirchener Firmen investieren

Seit Baustart sind täglich 100 bis 150 Beschäftigte von Fremdfirmen auf der Baustelle. Für sie wurde ein kompletter Container-Trakt aufgestellt – mit Büros, Umkleiden, Waschräumen – und einer Kantine, die von einem Gelsenkirchener Caterer beliefert wird. Gerade in der Pandemiezeit sei das Hygienekonzept entscheidend gewesen, um Corona-Ausfälle zu vermeiden, sagt Viencetic.

Ende der Pendelfahrten zwischen Raffinerie und Tanklager

Emissionsfrei werden die  Kesselwagen befüllt. Innerhalb von sieben Minuten fließen 80 Kubikmeter Sprit in den Waggon, dreimal so viel wie in einen Tanklaster.
Emissionsfrei werden die Kesselwagen befüllt. Innerhalb von sieben Minuten fließen 80 Kubikmeter Sprit in den Waggon, dreimal so viel wie in einen Tanklaster. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Seit Mai 2021 ist bereits die neue Pipeline in Betrieb. Seither entfallen pro Jahr über 1000 Pendelfahrten eines Tankschiffs zwischen Lager und Raffinerie. Mit zehn Millionen Euro bezifferte Gregor Hetzke, Geschäftsführer bei Evonik Technologie und Infrastruktur beim Baustart im Mai 2019 allein die Kosten für die neue Fernleitungsverbindung und die Modernisierung der bestehenden Pipeline. Mit der Kesselwagenverladung für Kraftstoffe und den Flugzeugtreibstoff Kerosin wird zudem vor allem der Straßenverkehr entlastet. Zwei Millionen Tonnen Fracht will BP so zusätzlich auf die Schiene bringen. Sobald der Flughafen Düsseldorf per Zug beliefert werden kann, können nochmal rund 18.500 Tanklasterfahrten entfallen. Das CO2-Einsparpotenzial wird von BP mit rund 7000 Tonnen pro Jahr angegeben. Lesen Sie auch: BP startet den Umbau im Gelsenkirchener Stadthafen

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20 bis 22 Kesselwagen pro Zug, jeder mit 80 Kubikmeter Fassungsvermögen, werden betankt. „Wir beladen nahezu simultan zwei Kesselwagen gleichzeitig“ und befüllen „aktuell vier Züge am Tag“, sagt Steinborn. Mit der neuen Anlage wurden die Verladezeiten deutlich gesenkt – von rund 20 auf gut sieben Minuten pro Wagen. Gesteuert und überwacht wird die Anlage von zwei Personen pro Schicht, die mitten im Geschehen und dennoch abgeschottet in ihrer Betriebswarte vor Monitoren sitzen.

Zwei Pipelines führen von der BP-Raffinerie in Horst ins Tanklager: Durch die Jet-Pipeline fließt Kerosin, die neue Rohrverbinndung ist für Mitteldestilate (Leichtes Heizöl, Diesel) verlegt worden.
Zwei Pipelines führen von der BP-Raffinerie in Horst ins Tanklager: Durch die Jet-Pipeline fließt Kerosin, die neue Rohrverbinndung ist für Mitteldestilate (Leichtes Heizöl, Diesel) verlegt worden. © BP

Im Schlagschatten der neuen Großtanks, die im Spätsommer in Betrieb gehen werden, liegt die klassische Ladestation für Tanklastzüge. 14 „Zapfstellen“ gibt es hier, überwacht von einer zentralen Messwarte. Rund um die Uhr werden weit über 100 Tankwagen täglich an den Ladeplätzen befüllt. Sie beliefern Tankstellen im Umkreis von gut 100 Kilometern. Lesen Sie auch: Neue Halle, mehr Personal, weitere Loks: Gelsen-Log im Hafen rüstet auf

In den Tanks der Rezepturbank lagern nebenan die Additive, die jeder Spritmarke individuell zugesetzt werden. Menge? Mischung? Unterschiede? Alles top secret. Kein Wort dazu von Jörg Steinborn, denn die Rezeptur kennen nur die Firmen selbst, verrät der Betriebsleiter der größten Zapfstelle im Revier.

Jobzuwachs im Gelsenkirchener Stadthafen

Klein, kompakt und kräftig: Eine der beiden vollautomatischen Loks, die die Waggons auf dem Gelände durch die Abfüllanlage rangiert.
Klein, kompakt und kräftig: Eine der beiden vollautomatischen Loks, die die Waggons auf dem Gelände durch die Abfüllanlage rangiert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Trans-Tankt – gegründet 2011 – ist ein Joint Venture zwischen der BP Europa SE und der Oiltanking Deutschland GmbH & Co. KG. Deutschlandweit betreibt das Unternehmen vier Tanklager mit 113 Tanks. Aktuelles Fassungsvermögen: knapp 670.000 Kubikmeter.

Das Lager in Gelsenkirchen hat 66 Mitarbeiter. Mit dem Ausbauprojekt im Stadthafen wuchs die Belegschaft um zwölf Beschäftigte. Auch Gelsen-Log, zuständig für den Hafen-Zugverkehr, hat zwei neue Rangierloks angeschafft und 16 weitere Lokführer ausgebildet.