Gelsenkirchen-Feldmark. Die Linke Gelsenkirchen will einen Service-Bürgerkoffer für die JVA. So könnten Inhaftierte im Knast leichter nötige Personalausweise beantragen.

Seine Amtsgeschäfte im Gelsenkirchener Bürgercenter zu erledigen, ist oft genug eine Herausforderung für Geduld und Nerven. Genau: Kaum spontane Termine, lange Wartezeiten, immer wieder Personalengpässe durch Pandemie bedingte Ausfälle.

Richtig schwierig wird es jedoch hinter Gittern. „Zum Übergang in die Freiheit benötigen Inhaftierte zur Erledigung wichtiger Ämtergänge einen gültigen Personalausweis“ stellt die Links-Fraktion im Rat der Stadt fest. Mit Blick auf diese besondere Bevölkerungsgruppe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) forderte sie jüngst im Ausschuss für Ordnung und Prävention, für die Haftanstalt „einen sogenannten Bürgerkoffer zur stationären Durchführung von Bürgerservice-Tätigkeiten“ zu beschaffen. Weiteres Thema: Elisabeth Nubbemeyer – Pendlerin im Dienste der Justiz

In der Gelsenkirchener JVA verbüßen aktuell 622 Männer und Frauen ihre Haftstrafe

Nach Erkenntnissen aus der JVA-Belegschaft, so die Linke, sei die „Wahrnehmung von Dienstleistungen des Bürgercenters nur mit hohen logistischen Aufwänden verbunden“. Wiederholt habe man Inhaftierte ohne gültige Ausweisdokumente entlassen müssen.

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Die Miete eines Bürgerkoffers betrage laut Auskunft der Verwaltung einmalig 1500 Euro bis 2026. Antragsformulare samt Unterschrift könnten so vor Ort ausgefüllt werden, aber auch ein biometrisches Lichtbild oder der Fingerabdruck des Antragstellers angefertigt werden. Gut investiertes Geld also, findet die Linke. Ein wünschenswertes Angebot, meint auch Christian Schreier, Leiter des Sozialdiensts in der JVA Gelsenkirchen. Das Thema, sagt er, beschäftige eigentlich „alle Anstalten landesweit. Es hat schon auf verschiedenen Ebenen Gespräche gegeben, aber bislang keine Lösung, wie wir sie uns vorstellen.“ Lesen Sie auch: Drohnenflüge über Gefängnissen – JVA Gelsenkirchen oft als Ziel

Personaldokumente brauchen die Inhaftierten durchaus auch mal im Knast

Einen neuen Personalausweis beantragen – das ist in den Bürgercentern oft mit längeren Vorlaufzeiten verbunden und besonders schwierig für Inhaftierte, die ein Ausweisdokument brauchen.
Einen neuen Personalausweis beantragen – das ist in den Bürgercentern oft mit längeren Vorlaufzeiten verbunden und besonders schwierig für Inhaftierte, die ein Ausweisdokument brauchen. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand

In der JVA Gelsenkirchen sind aktuell 438 Männer und etwa 120 Frauen in Haft. Im offenen Vollzug verbüßen derzeit 64 Frauen ihre Strafe. Am 11. November 2021 hat der Sozialdienst in der JVA in der Feldmark erhoben, wie viele der einsitzenden deutschen Staatsbürger zu diesem Stichtag einen gültigen Personalausweis hatten: 384 Inhaftierte antworteten. Von ihnen hatten lediglich 178 einen Ausweis. Doch Personaldokumente brauchen die Inhaftierten durchaus auch manchmal im Knast: Wenn sie eine nötige Schufa-Auskunft beantragen wollen oder wenn es Erbsachen zu regeln gebe, nennt Schreier nur zwei Beispiele.

In der Regel wird dann ein vorläufiger Ausweis schriftlich beantragt. Gültigkeitsdauer: Drei Monate. Gebühren werden für die Inhaftierten fällig, das endgültige Papier kostet später dann noch einmal. In den meisten Fällen „versuchen wir das möglichst so zu timen, dass der vorläufige Ausweis kurz vor der Entlassung eintrifft“, so Schreier. Lesen Sie auch:So läuft der Drogenschmuggel über der JVA Gelsenkirchen

Linke in Gelsenkirchen entwirft Szenario von der Vorführung Inhaftierter

Das Szenario, das die Linke zur „Vorführung von Inhaftierten beim Bürgercenter“ vom nötigen Behördengang entwirft, ist krass (kostenintensive Begleitung durch mindestens zwei „uniformierte Vollzugsbeamte“, Antragsteller in Handschellen, „unangenehme Situation für alle Beteiligten), treffe in der Praxis jedoch nicht zu, betont die Verwaltung.

Demnach würden seitens der Betroffenen Regeltermine im Bürgercenter kurz vor der Haftentlassung vereinbart. Ihren Freigang oder Haftzeit im offenen Vollzug könnten Inhaftierte nutzen, um ihre Behördenangelegenheiten dann oder kurz nach der Entlassung zu regeln.

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Deshalb, so Stadtsprecher Martin Schulmann, sehe man eigentlich keinen Handlungsbedarf. „Nichtsdestotrotz“ sei ein Bürgerkoffer bestellt worden – für „diverse Zwecke“, beispielsweise für den Bürgerservice in Altenheimen oder eben auch in der JVA. Dort könnten dann möglicherweise Regeltermine angeboten werden. Das deckt sich mit der Vorstellung des Sozialdienstleiters: „Eine Idee ist, hier eine feste Sprechstunde anzubieten.“ Lesen Sie auch:Wild hinter Gittern: Weihnachten im Gelsenkirchener Knast