Gelsenkirchen. Sechs Mal überflogen Drohnen illegal die JVA Gelsenkirchen. Einmal stürzte ein Fluggerät über dem Gefängnis ab. Und: Der Schmuggel blüht.

Drogen, Handys oder sogar Waffen – mit ferngesteuerten Drohnen ist es möglich, verbotene Gegenstände in ein Gefängnis zu schmuggeln. Die JVA Gelsenkirchen hat innerhalb der vergangenen zwei Jahre mindestens sechs Überflüge gezählt – inklusive eines Drohnenabsturzes auf das Anstaltsgelände.

„Eine beunruhigende Entwicklung“, sagt Johanna Heusel, Richterin und Sprecherin des Landesjustizvollzugsdirektion NRW. Immerhin könnten die flinken Geräte Drogen oder Handys auf dem Gelände der Anstalt an der Aldenhofstraße 99-101 im Stadtteil Feldmark absetzen. Oder anderswo. Selbst Anschläge sind denkbar. Einen Waffenfund im Zusammenhang mit Drohnenflügen hat es in der JVA aber noch nicht gegeben.

JVA Gelsenkirchen sechsmal von Drohnen überflogen, einmal stürzte ein Gerät ab

Am 20. Mai 2018 stürzte eine Drohne auf dem Gelsenkirchener Anstaltsgelände ab, am 22. Januar 2019 gab es sogar einen Überflug von mehreren Drohnen gleichzeitig. Demnach meldete die JVA Gelsenkirchen vom 30. August 2017 bis zum 10. Juli 2019 mindestens sechs Überflüge dem Justizministerium.

Luftbild der JVA Gelsenkirchen. das Gefängnis befindet sich an der Aldenhofstraße im Stadtteil Feldmark.
Luftbild der JVA Gelsenkirchen. das Gefängnis befindet sich an der Aldenhofstraße im Stadtteil Feldmark. © www.blossey.eu | Hans Blossey

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Den Mann oder die Frau, die das Fluggerät über die bewachten Mauern der JVA steuerten, hat man bei den Flügen im Zeitraum vom 30. August 2017 bis zum 10. Juli 2019 aber noch nicht identifizieren können. So bleibt es spekulativ, ob bloß ein unwissendes Kind sein Spielgerät in die verbotene Zone fliegen lassen hat oder ob es sich um „einen Ausspähversuch gehandelt hat“. Zumindest bei einem Nachtflug unter den sechs Überflügen mit abgeklebten (weil nicht sichtbaren) Positionslichtern liegt der Verdacht nahe, dass jemand bewusst unentdeckt bleiben wollte.

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Die Drohnenüberflüge ziehen nach Auskunft von JVA-Sprecher Michael Overkamp jedesmal eine „intensive Nahbereichsfahndung durch die Polizei“ nach sich, zudem „eine Sicherheitsbegehung des Geländes, die Gefangenen sind dabei unter Verschluss in ihren Zellen“.

Michael Overkamp ist der Sprecher der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen.
Michael Overkamp ist der Sprecher der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Drogen und Handys stehen hoch im Kurs – auch in der JVA Gelsenkirchen

Geschmuggelt wird seit jeher in Haftanstalten. „Zu den begehrtesten Waren gehören Drogen und Handys“, sagt Overkamp - beides selbstverständlich verboten. Die Währung: Zigaretten oder Tabak. Selbst Anstaltsleiterin Elisabeth Nubbemeyer führt im Dienst wie alle anderen Justizvollzugsmitarbeiter kein Handy mit sich. Denn ein Ortungssystem ist rund um die Uhr im Einsatz, um verborgene Geräte bei Benutzung aufzuspüren. „Mit Erfolg: 2019 wurden so 74 Mobiltelefone gefunden“, berichtet Johanne Heusel. Die Strafe dafür: Jeweils eine Woche Arrest, Entzug von Fernseher oder Zigaretten.

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In Corona-Zeiten halten Insassen Kontakt über Skype

In der JVA Gelsenkirchen sind derzeit 350 Männer und etwas mehr als 100 Frauen inhaftiert. Corona hat die zu Einschränkungen bei den Besuchsmöglichkeiten geführt. Plexiglasscheiben trennen Besucher und Insassen in den Besuchsräumen. Im Gegenzug wurden zwei Skype-Plätze eingerichtet, für die Bildtelefonie muss man sich anmelden. Corona-Infektionen gibt es bislang keine unter den Insassen. Lediglich eine Mitarbeiterin musste nach Urlaubsrückkehr in Quarantäne.

Laut JVA-Sprecher Michael Overkamp wurden echte Waffen in Gelsenkirchen noch nicht gefunden, oft aber selbst gebasteltes Werkzeug mit erheblichem Gefahrenpotenzial. Blech-Splitter einer Thunfischdose in Kombination mit Balsa-Holz wurde so zur Säge, eine umgebogene Gabel zum Zweidorn und potenzielle Faustwaffe beispielsweise.

Beliebt im Gefängnis: Drogen, die entspannen – Marihuana und Haschisch

Wöchentlich werden die Hafträume kontrolliert, Spürhunde suchen nach versteckten Drogen, Möbel werden nicht selten auseinandergenommen. Und auch dabei werden die Kontrolleure oft fündig. 451,390 Gramm sind so bei 173 Funden im Jahr 2019 zusammengekommen. Johanna Heusel berichtet, dass die Menge gefundener Drogen in Haftanstalten in NRW ziemlich konstant zwischen drei und vier Kilogramm im Jahr schwanke. „2019 waren es 4,66 Kilo bei 1263 Funden, 2017 3,26 Kilo bei 1012 Funden“.

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„Beliebt sind Marihuana und Haschisch“, erklärt dazu JVA-Sprecher Michael Overkamp. Also eher Drogen, die entspannen. Schließlich gilt es, so stressfrei wie möglich die Zeit bis zur Entlassung zu überbrücken. Aufputschendes wie Kokain oder Extasy sei eher verpönt.

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JVA Gelsenkirchen beobachtet Zunahme der Mauerwürfe: Pakete mit Grassohle getarnt

Die Wege, auf denen die „heiße Ware“ hinter die Gefängnismauern gelangt, sind vielfältig. Zurzeit beobachtet das JVA-Personal eine „steigende Zahl von Mauerüberwürfen“, die mit Zeitung und Klebeband umwickelten Päckchen tauchen nicht selten im Camouflage-Look auf. „Manche wickeln Grassohle drumherum“, so Overkamp, damit es auf dem Untergrund nicht auffällt. Die JVA hat auch Grünflächen.

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Die Wahl der „Postwege“ unterliegt dabei wiederkehrenden Moden. Drogen unter der Briefmarke oder im Socken, angemalte getarnte Tennisbälle mit Inhalt - der Fantasie der Helfer und Angehörigen sind kaum Grenzen gesetzt, wie Michael Overkamp erklärt. Dass sich auch Anwälte einbinden lassen, das kann die JVA Gelsenkirchen nicht bestätigen. Bedeutet: Ist bislang noch nicht aufgefallen. „Dass heißt aber nicht, dass es sowas nicht gibt“, betont Michael Overkamp.