Gelsenkirchen-Erle. Wie die Stadt Gelsenkirchen auf Kritik am Vivawest-Neubau-Projekt in Erle einging. Und was künftige Eigenheim-Besitzer dort erwartet.

Zu viel Beton und Verkehr, zu wenig Grün und Parkplätze: Der Protest war groß, als 2018 bekannt wurde, dass Vivawest (s)eine Brachfläche zwischen Görtzhof, Haunerfeld-, Heinrichstraße und Gartmannshof bebauen will. Vier Jahre und einige Überarbeitungen später steht der Entwurf des dafür nötigen Bebauungsplans mit der Nr. 440 kurz davor, die ersten planungsrechtlichen Hürden zu nehmen. Die Stadt berücksichtigt darin etliche Kritikpunkte der Anlieger – und beweist ein Herz für Fledermäuse. Doch die Bürgerinitiative bleibt skeptisch.

Der noch einmal nachgebesserte aktuelle Entwurf, für den gerade die Bezirksvertretung Ost und der Stadtentwicklungsausschuss votierten (am 24. März soll der Rat ihn beschließen), sieht jetzt größere Abstände der Neubauten zu den Grundstücksgrenzen der Nachbarn als zuvor vor: zwischen zehn und zwölf Meter. Wie berichtet, hatten die Anwohnerinnen und Anwohner mangelnde Privatsphäre und eine Verschattung ihrer Gärten befürchtet. Insgesamt sind 40 Doppelhaushälften und drei Mehrfamilienhäuser mit 40 Einheiten geplant.

Gelsenkirchen gibt Begrünung von Dächern der Carports und Garagen vor

Der aktuelle Bebauungsplan-Entwurf sieht größere Abstände zwischen den Neubauten und den Anwohner-Grundstücksgrenzen vor als der Vorentwurf. Vivawest plant den Bau von 40 Doppelhaushälften und drei Mehrfamilienhäusern.
Der aktuelle Bebauungsplan-Entwurf sieht größere Abstände zwischen den Neubauten und den Anwohner-Grundstücksgrenzen vor als der Vorentwurf. Vivawest plant den Bau von 40 Doppelhaushälften und drei Mehrfamilienhäusern. © Stadt Gelsenkirchen

Vorgegeben ist nun: Die Doppelhäuser dürfen nur zweigeschossig mit Satteldach errichtet werden, die Mehrfamilienhäuser dreigeschossig mit (begrüntem) Flachdach. Die Vorgärten müssen begrünt und jeweils mit einem Baum bepflanzt werden, um einen Allee-Charakter in dem verkehrsberuhigten Bereich zu erzeugen. Schottergärten und Kunstrasen sind ausdrücklich ausgeschlossen.

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Pro Doppelhaushälfte muss es einen Carport oder eine Garage (beide begrünt) und damit Abstellmöglichkeiten für zwei Pkw geben. Für die Mehrfamilienhäuser sieht der Entwurf jeweils einen Stellplatz pro Wohneinheit vor. An der Einmündung zur Heinrichstraße, über die das neue Quartier erschlossen wird, sind 15 öffentliche Parkplätze für Besucher geplant.

In Teilbereichen Überflutungsgefahr bei Starkregen in neuem Gelsenkirchener Quartier

Da eine Versickerung der Niederschläge vor Ort wegen fehlender Durchlässigkeit des Bodens nicht möglich ist, soll Regenwasser über ein Rückhaltebecken am südöstlichen Rand abgeleitet werden. Eine Überflutungsgefahr bei Starkregen, wie von Anwohnern befürchtet, besteht laut Umweltbericht „in Teilbereichen“, stelle jedoch „nur eine geringe Beeinträchtigung“ dar. Die Rede ist von weniger als 0,25 Metern Wasserhöhe vornehmlich auf der südlichen Fläche.

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Was die Bäume angeht, so soll die Hälfte des 2019 vorhandenen Bestandes erhalten werden und die Fällungen durch Neupflanzungen sowie eine kleine Streuobstwiese ausgeglichen werden.

Für Fledermäuse soll es Nistkästen an Mehrfamilienhäusern und Bäumen geben

Auf die Kritik, zahlreichen Tierarten die Heimat zu nehmen, bezieht sich die Vorgabe, Nistkästen für Fledermäuse an jedem der drei Mehrfamilienhäuser sowie an einigen Bäumen anzubringen. Vor Ort nachgewiesen wurden laut Umweltbericht Teich-, Wasser-, Zwergfledermaus und Abendsegler, die die grüne Oase als Sommerquartier nutzten. Geschützte Vogelarten sind demnach nicht gefunden worden.

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Anliegen vieler Bezirksverordneter war es seit Beginn der Diskussion auch, einen Teil der Einheiten in den Mehrfamilienhäusern als Sozialwohnungen auszuweisen, die Rede war von 25 Prozent, die Linke fordert 40 Prozent. Nun sind 20 Prozent genannt – Grund genug für Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl, da möglichst in der nächsten Sitzung bei einem Vivawest-Vertreter nachzuhaken.

Erste Pläne zur Nachverdichtung gab es schon in 1960ern

Erste Pläne für eine Nachverdichtung auf der Brachfläche Görtzhof gab es Ende der 1960er Jahre. Das damalige Konzept sah viergeschossige Gebäude mit 60 Wohneinheiten vor. Das erste offizielle Planverfahren 1978 ging von 13 Baufeldern für eingeschossige Bungalowbauten mit einem Grenzabstand von drei Metern aus – wurde nach frühzeitigen Beteiligungen aber nicht mehr weitergeführt.

34 Reihen- und Doppelhäuser auf rund 12.000 Quadratmetern im Hinterland der Bestandsgebäude: So sah dann der Entwurf von 2018 für eine Nachverdichtung aus, die nach einer turbulenten Bürgeranhörung auch nicht weiterverfolgt wurde.

Der neue Vorentwurf von 2020 verzichtete auf Reihenhäuser, vorgesehen sind seitdem 40 Doppelhaushälften im nördlichen Bereich des Quartiers sowie drei Mehrfamilienhäuser auf rund 20.000 Quadratmetern, da nun auch der südliche Teilbereich für Geschosswohnungsbauten mit 40 Einheiten überplant wird.

Ansonsten zeigte er sich zufrieden, „dass die Stadt alles eingebaut hat, was wir ihr mit auf den Weg gegeben haben.“ Britta Seikowski, Mitglied der Bürgerinitiative, sieht dies anders: „Der Entwurf ist auf jeden Fall besser als vorher. Aber wir halten es für falsch, in Zeiten des Klimatnotstands durch die Nachverdichtung zusätzliche Hitzeinseln zu schaffen“, erklärte sie auf Nachfrage und bekräftigte: Das Verkehrsaufkommen werde sich erhöhen und die Zahl der Parkplätze nicht ausreichen.