Gelsenkirchen. „Träume platzen“: Der plötzliche Förderstopp für Energiesparhäuser sorgt in Gelsenkirchen für Diskussion. Handwerker erwarten Umsatzeinbrüche.

  • Der plötzliche Stopp der Steuerförderung für zahlreiche geplante energieeffiziente Neubauprojekte sorgt in Gelsenkirchen für Diskussion.
  • Die CDU Gelsenkirchen übt scharfe Kritik am KfW-Förderstopp für Energiesparhäuser, die Grünen verteidigen die Entscheidung.
  • Betroffen ist auch die GGW mit rund 150 Wohnungen. Das Gelsenkirchener Handwerk rechnet mit deutlichen Umsatzeinbrüchen.

Der plötzliche Stopp der Steuerförderung für energieeffiziente Neubauprojekte durch das Bundeswirtschaftsministerium hat in der Baubranche Entsetzen ausgelöst – und sorgt auch in Gelsenkirchen für heftige Diskussionen. Durch den KfW-Förderstopp für Energiesparhäuser sei der „Traum vom Eigenheim für manche junge Familien geplatzt“, kritisierte CDU-Stadtverordnete Stephanie Kurth, Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gelsenkirchen (MIT).

Gelsenkirchen: Alleine 150 Wohnungen aus GGW-Projekten betroffen

Die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GGW) teilte auf Nachfrage mit, etwa 150 Wohnungen aus eigenen oder Partnerprojekten seien betroffen. „Sie alle müssen jetzt erneut auf den Prüfstand“, so GGW-Prokurist Joachim Bracke. Zieht man die 18.000 Euro Mindestförderung heran, geht es bei den GGW-Projekten um eine nun voraussichtlich wegfallende Summe von etwa 2,7 Millionen Euro.

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In Zeiten steigender Baukosten, mittlerweile auch wieder steigender Zinsen und weiterer energiebezogener Anforderungen, welche perspektivisch auf die Gebäude zukommen werden, sei die wegfallende Förderung damit ein weiterer, unvorhersehbarer Kostenfaktor. Bracke: „Dabei brauchen wir und verlässliche Rahmenbedingungen.“

Ampel will vor allem in energetische Sanierung von Altbau investieren

Die Energieeffizienz von Wohnhäusern sollen Wärmedämmplatten erhöhen. Beim Neubau oder der Fassadensanierung gehören sie zum Standard.
Die Energieeffizienz von Wohnhäusern sollen Wärmedämmplatten erhöhen. Beim Neubau oder der Fassadensanierung gehören sie zum Standard. © dpa | Armin Weigel

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hatte nicht nur die Steuerförderung für das Effizienzhaus 55 (verbraucht nur 55 Prozent der Energie eines Standardhauses) eingestellt, sondern unter anderem auch die für das Effizienzhaus 40. Die Notbremse war nach Ansicht des Ministers notwendig, weil die Programme durch einen Antragssturm von Häuslebauern überzeichnet waren, nachdem im November die alte CDU-SPD-Regierung angekündigt hatte, dass Ende Januar das Effizienzhaus-55-Programm auslaufen werde. 24.000 Antragsteller mit Förderungswunsch von sieben Milliarden Euro kommen nun nicht mehr zum Zuge.

Das Wirtschaftsministerium bastelt derzeit an Ersatzregelungen, aber grundsätzlich sollen Neubauten nicht mehr für den Klimaschutz steuerlich subventioniert werden, sondern soll vor allem in Altbauten energetisch investiert werden – so könne man mit einem Euro Steuerförderung mehr für den Klimaschutz tun, argumentiert die Ampelkoalition.

Gelsenkirchener Grüne verteidigen Habeck – aber hoffen auch weiterhin auf Neubau-Förderung

Burkhard Wüllscheidt, baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion in Gelsenkirchen, hält das für richtig. „Insbesondere im Altbau muss eine Wärme-Wende passieren.“ Wüllscheidt findet aber auch, dass man im Neubaubereich weiter fördern müsste – dann jedoch ausschließlich einen höheren Standard. „Häuser der Effizientstufe 55 sind inzwischen eigentlich normal für Neubauprojekte. Es wurde also viel Geld für einen Standard ausgegeben, der keiner besonderen Förderung mehr bedarf“, meint der Stadtverordnete. „Die Förderung für bessere Effizienzstufen ist dagegen durch die bisherige Förderung ausgetrocknet worden.“

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Durch den rigiden Förderstopp ist aber auch der Fördertopf für die Stufe 40 geschlossen worden. „Das darf so nicht bleiben“, findet Wüllscheidt, der hofft, dass für die vielen Betroffenen „in misslicher Lage“ nun Einzelfallprüfungen Lösungen liefern können.

Harte Kritik von der CDU: Will die Ampel keine Eigentumsbildung von Familien?

Scharfe Kritik kommt von der Gelsenkirchener CDU. Durch die Ampel-Entscheidung seien Kalkulationen von Bauvorhaben von einem Tag auf den anderen zusammengebrochen. „Dies ist ein Desaster für Klima, Familien und Mittelstand“, ärgert sich Gelsenkirchens MIT-Vorsitzende Stephanie Kurth, die zugleich auf die Pläne der Ampel-Regierung hinweist, künftig weitere kostenintensivere Standards für Renovierungen und Ausbauten vorzuschreiben. „Es entsteht der Eindruck, dass die Ampel Eigentumsbildung von Familien nicht will.“

Stephanie Kurth, CDU-Stadtverordnete und Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gelsenkirchen, kritisiert den KfW-Förderstopp durch die Bundesregierung: „Es entsteht der Eindruck, dass die Ampel Eigentumsbildung von Familien nicht will.“
Stephanie Kurth, CDU-Stadtverordnete und Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gelsenkirchen, kritisiert den KfW-Förderstopp durch die Bundesregierung: „Es entsteht der Eindruck, dass die Ampel Eigentumsbildung von Familien nicht will.“ © Unbekannt | CDU

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Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Markus Karl ergänzt: „Auch für viele Handwerksbetriebe ist der Förderstopp eine fatale Nachricht.“ Denn viele geplante Sanierungsprojekte würden nun erst einmal aus den Auftragsbüchern gestrichen. Die Beratungsleistung und Planung dieser Projekte hätten die Betriebe damit für die Katz gemacht.

Gelsenkirchener Handwerkerschaft: „Wir rechnen mit deutlichen Umsatzeinbrüchen“

„Wir rechnen mit deutlichen Umsatzeinbrüchen“, sagt auch Egbert Streich, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West. Die Nachricht des Förderstopps und seine Auswirkungen werden von den Dachdeckern, Hochbauern, Tischlern, Stuckateuren und Malern nun erst einmal verdaut werden müssen. Als „politischen Dilettantismus“ bezeichnet es Streich, dass die Förderung beendet wurde, ohne ein Alternativkonzept im Köcher zu haben. „Wenn so eine Förderung gestoppt wird, muss ein anderes Programm auf die Tresen, mit dem die Bauherren weiterarbeiten können und die energetische Sanierung vorangebracht wird. Davon ist aber leider noch nichts in Sicht.“ (-ps)