Gelsenkirchen. Das Land hat bei der Test-Strategie an den Grundschulen versagt. Eltern sollten nun selbst entscheiden können, was sie ihren Kindern zumuten.

Die kurzfristig umgestellte Teststrategie des Landes in den Grundschulen ist nicht weniger als ein Dammbruch in der Pandemie-Politik. Es ist das Eingeständnis, der Durchseuchung der Familien freien Lauf zu lassen. Auf diese Worte werden sich die vielen, so verärgerten Eltern vermutlich noch einigen können. Polarisierender ist die Frage: Kann man das, angesichts der milder verlaufenden Omikron-Variante, nicht auch einfach hinnehmen? Wüssten wir nicht, dass es um Corona geht, würden wir den aktuellen Krankenstand möglicherweise auch einfach als „Erkältungswelle“ abtun.

Aber was ist mit den Kindern, die eine Vorerkrankung haben? Was ist mit den Schülerinnen und Schülern, die nach Hause zu immunschwachen Eltern kommen? Was ist mit Eltern, die sich schlichtweg und verständlicherweise Sorgen machen um Long Covid? Was ist mit denen, die größtenteils von ihren Großeltern, die in der Regel zur Risikogruppe gehören, nach der Schule betreut werden? Soll man all diesen Gruppen ebenfalls sagen: Steckt euch jetzt halt an und gut ist? Ihnen sollte doch eines ermöglicht werden: Ihr Kind und sich selbst schützen zu können, wenn sie es wollen. Das können sie unter den aktuellen Bedingungen nicht.

In NRW sollte man darüber nachdenken, die Präsenzpflicht aufzuheben

Das heißt: Es sollte auch in NRW dringend über ein Aussetzen der Präsenzpflicht nachgedacht werden. Natürlich bringt das andere Probleme mit sich. Es sorgt für Zusatzbelastung der Lehrkräfte, die nicht nur die bearbeiteten Aufgaben der daheim betreuten, sondern auch die der anwesenden Schülerinnen und Schüler abnehmen müssen. Und es sorgt dafür, dass das gut verdienende Paar mit Home-Office-kompatiblem Job seinen Nachwuchs im Einfamilienhaus betreut, während die alleinerziehende Krankenschwester im Schichtdienst ihr Kind eben nicht tagsüber in der 65 Quadratmeter Wohnung allein lassen kann. Das Infektionsrisiko würde sich an sozialen Linien festmachen.

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Gerade mit Blick auf Kinder aus benachteiligten Haushalten ist es wichtig, die Schulen unbedingt offen zu halten. Aber wenn insgesamt weniger Kinder den Unterricht besuchen, weil manche zu Hause bleiben und dort betreut werden können, ist es für die Schüler in Präsenz doch ebenfalls sicherer. Da die Landespolitik nicht in der Lage ist, den Familien einen bestmöglichen Infektionsschutz zu bieten, ist es also an der Zeit, die Eltern selbst entscheiden zu lassen. Sie sollten die freie Wahl haben, was mit ihnen und ihren Kindern passiert. Das dürfte doch ein Argument sein, für das eine liberale Ministerin empfänglich sein könnte.

Sollte die Präsenzpflicht an den Grundschulen aufgehoben werden? WAZ-Redakteurin Annika Matheis hat hierzu eine andere Meinung. Lesen Sie ihren Kommentar hier.